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15.01.1990 in Berlin: Das verwüstete ehemalige Amt für Nationale Sicherheit der DDR im Stadtteil Lichtenberg.

© ZB/dpa

Zum 30. Jahrestag – Diskussion um Ereignisse des 15. Januar 1990: Wurde die Stasizentrale „besetzt“?

Der Leiter des Stasimuseums in Berlin möchte eine Infotafel zur Besetzung der Stasi-Zentrale am 15. Januar 1990 ändern. Zum Jahrestag gibt es Programm vor Ort.

Am 15. Januar 1990 stürmten mehrere Tausend Berlinerinnen und Berliner in die Zentrale des ehemaligen Ministeriums für Staatsicherheit in der Ruschestraße in Lichtenberg. Die Volkspolizei, die das Gelände schützen sollte, ließ die Leute gewähren. Noch in der Nacht bildete sich ein Bürgerkomitee. Mit diesem Ereignis war das Ende der Staatssicherheit unumkehrbar besiegelt. Historiker debattieren darüber, ob man bei diesem Ereignis von einer „Besetzung“ sprechen kann. Im Stasi-Museum, das heute auf dem Gelände steht und einen Themenraum zum 15. Januar 1990 zeigt, heiß es auf einer Infotafel: „Besetzung der Zentrale“.

Jörg Drieselmann, Leiter des Stasi-Museums, würde das gerne ändern. Drieselmann hat die Texte für die Infotafeln in seinem Museum zwar verfasst, musste sie aber mit der Behörde von Roland Jahn, der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU), abstimmen. Drieselmann findet, man könne von keiner „Besetzung“ sprechen.

Der BStU bestätigte auf Nachfrage, dass die Info-Texte der gemeinsamen Ausstellung mit Drieselmann entwickelt und abgestimmt wurden. „Nichtsdestotrotz verändern sich Wahrnehmungen und Begriffe immer wieder durch neue Betrachtung. Wir sind offen, gefundene Begriffe auszutauschen.“

Jahn: „Als Zeitzeuge war es für mich als Bild eine Besetzung“

Roland Jahn, Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde (BStU), war am 15. Januar 1990 dabei. Dem Tagesspiegel sagte er auf Nachfrage: „An jenem Abend sind de facto Tausende auf das Gelände vorgedrungen und haben damit das symbolische Moment einer Besetzung des Geländes verkörpert. Diese Bilder sind um die Welt gegangen. Die Bürger haben die Stasi-Zentrale erstürmt, die Macht des MfS war gebrochen. Historiker dürfen dies gern analytisch fassen und Begriffe finden. Als Zeitzeuge war es für mich eine Erstürmung und als Bild eine Besetzung, so wie in den Dienststellen in den Bezirken auch.“

Historiker Booß: „Aber das stimmt so nicht“

Christian Booß, Vorsitzender des Vereins „Bürgerkomitee 15. Januar“, spricht von einer „Begehung“, keiner Besetzung: „Es wurde ein Gebäude gestürmt, das schon teilweise an die Bürger übergeben war.“ Für die Demonstrierenden habe es so gewirkt, als hätten sie die Zentrale gestürmt und die Stasi dazu gezwungen, das Tor zu öffnen.

„Aber das stimmt so nicht“, sagt Booß. Natürlich habe die Demo das Prozedere beschleunigt, aber es waren halt bereits Bürger in der Zentrale. Zudem seien kaum noch Stasi-Leute am 15. Januar 1990 auf dem Gelände gewesen. Einen Tag später jedoch, nach der Begehung, hätte die Stasi wieder die Arbeit aufgenommen, Akten zusammengesammelt und vernichtet. Nur wenige Bürgerrechtler seien da noch vor Ort gewesen.

Aktuelles Programm für den 15. Januar 2020

Am 15. Januar 2020 kommt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf das Gelände und ins Stasi-Museum. Während das unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschieht und Anwohner sowie Besucher des Ärztehauses auf dem Gelände dieses meiden sollen, gibt es auch öffentliches Programm. Am Mittwoch, 15. Januar, ist ab 11 Uhr Tag der offenen Tür auf dem Gelände der ehemaligen Staatssicherheit, Ruschestraße 103.

Rahmenprogramm:

  • 13 Uhr und 16.30 Uhr | Führung durch die Dauerausstellung im Stasimuseum | Foyer „Haus 1“. 11 und 15.00 Uhr | Englische Führung durch die Dauerausstellung im Stasimuseum | Foyer „Haus 1“
  • 11.30 Uhr, 14.30 Uhr und 16.30 Uhr | REDEN vs. SCHWEIGEN #1 | „Haus 22“. Das Tor: Audioguide mit Smartphone und szenischen Darstellungen zum Thema des Tages (LUNATIKS in Zusammenarbeit mit Bürgerkomitee 15. Januar e.V.)
  • 14 Uhr und 16 Uhr | Einblick ins Geheime | Treffpunkt: „Haus 7“. Rundgang durch die Ausstellung zum Stasi-Unterlagen-Archiv mit Blick ins Magazin.
  • 15 Uhr | Archivdokumente erhalten | Treffpunkt: Foyer „Haus 7“. Sonderführung durch die Restaurierungswerkstatt des Stasi-Unterlagen-Archivs.
  • 17 Uhr | Besetzung der Stasi-Zentrale | Treffpunkt: Eingang Ruschestraße. Geländerundgang mit dem „Bürgerkomitee 15. Januar e. V.“ auf den Spuren der Demonstration vom 15. Januar 1990 mit Projektionen historischer Filmaufnahmen.
  • 18.30 Uhr | „Wo ist meine Akte?“ | „Haus 22“Ein Gespräch mit der Zeitzeugin Gabriele Stötzer, dem Zeitzeugen Stephan Konopatzky und dem Historiker Roger Engelmann behandelt die Kontroversen über den Umgang mit den Akten zu dieser Zeit sowie neue Erkenntnisse zur Aktenvernichtung durch die Stasi.
  • Anschließend diskutieren Katrin Cholotta und die Journalisten Johannes Nichelmann und Karsten Huhn die Bedeutung der Aktenöffnung für verschiedene Generationen mit und ohne DDR-Vergangenheit.

Weitere Angebote:

  • Schulungsfilme der Stasi | „Haus 22“, BesucherzentrumMenschen überwachen, Fluchten verhindern, Spitzel anleiten – die Filme der Stasi geben Einblick in die Arbeitsweise der DDR-Geheimpolizei. Filme: Von der Rettung der Unterlagen zur ersten Akteneinsicht | „Haus 7“, Raum 427. Sechs Dokumentarfilme beleuchten die Umbruchszeit von Dezember 1989 bis Januar 1992.
  • Rekonstruktion zerrissener Stasi-Unterlagen | „Haus 7“, Raum 030. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Archivs zeigen, wie von der Stasi zerrissene Dokumente zusammengesetzt werden.
  • Beispielakten lesen | „Haus 7“, Raum 029. Stasi-Akten sind nicht frei zugänglich, weil sie oft persönlichste Informationen enthalten. Nur mit der Zustimmung von Betroffenen lassen sich diese Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich machen, die für Interessierte zum Lesen bereit stehen.

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