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Berlin: Zum Glück war’s nur das Foto Protestguerilla entführt Porträt eines Forschers

Das Opfer: Adolf Butenandt, seines Zeichens Nobelpreisträger der Chemie mit umstrittener NS-Vergangenheit – und seit fast 19 Jahren tot. Am Mittwochabend wurde er entführt.

Das Opfer: Adolf Butenandt, seines Zeichens Nobelpreisträger der Chemie mit umstrittener NS-Vergangenheit – und seit fast 19 Jahren tot. Am Mittwochabend wurde er entführt. Oder besser gesagt: sein Porträt. Denn das haben Studierende aus der Galerie der HU-Nobelpreisträger entwendet. Wo zuvor noch Butenandt und sein Wangen-Schmiss an der Wand prangte, lächelte plötzlich ein Bild der Flüchtlingsaktivistin Napuli Paul Langa auf die Studierenden herab.

Ein Bekennerschreiben gibt es auch, wie sich das bei einer ordentlichen Entführung gehört: Eine Gruppe namens „Wissen im Widerstand“ will mit der Aktion vermeintlich rassistische Strukturen an der Uni anprangern. „Wir haben einen Nazi im Hauptgebäude der HU überwältigt“, schreiben die unbekannten Verfasser selbstironisch. Doch Hans-Christoph Keller, Sprecher der HU, findet die Aktion gar nicht lustig. „Jenseits der Frage, ob die Motivation dazu richtig oder falsch ist, ist das ganz nüchtern betrachtet Diebstahl“, stellt er fest. Tatsächlich sei Butenandt 1936 in die NSDAP eingetreten. Aber dass seine Forschung aufgrund seines Bekenntnisses zum Nationalsozialismus als umstritten gelte, habe doch schon im erklärenden Text unter dem Bild gestanden.

Das aber ist nun erst mal in der Hand der Entführer, und die Universitätsleitung prüft, ob sie Anzeige erstattet. „Wir werden das Bild bald wieder aufhängen“, sagt Keller. Damit Butenandt wieder die Galerie zieren kann, muss ein neuer Abzug des Fotos her. Denn wieder hergeben werden die Aktivisten ihre Geisel laut Bekennerschreiben nicht so schnell: Sie fordern unter anderem die Aufarbeitung der Kolonial- und NS-Vergangenheit der HU, die Einsetzung von Antirassismusbeauftragten und die Umbenennung der gesamten Universität. Besonders auf letzteren Punkt wird sich das Präsidium wohl kaum einlassen. Vielleicht fordern die Entführer ja deshalb, das Gremium einfach abzuschaffen. Luisa Hommerich

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