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Berlin: Zum Lachen in den Tunnel

Charme-Offensive in der U7: Klaus Wowereit und Ditmar Staffelt auf Werbefahrt in der U-Bahn – dort werden sie freundlich begrüßt

Die Leute drängeln sich zwischen Ramschständen und dem U-Bahn-Eingang, der Verkehr dröhnt, der Wohlfühlfaktor liegt nahe null. Hermannplatz eben; am Freitagabend. Mittendrin Klaus Wowereit im hellgrauen Anzug und Ditmar Staffelt mit hellgrüner Krawatte am SPD-Sonnenschirm, sie reden sich warm für eine harte Wahlkampftour: einmal mit der U7 vom Hermannplatz nach Rudow und zurück. Längs durch Neukölln, wo Staffelt sein Bundestagsmandat unter anderem gegen CDU-Konkurrent Eberhard Diepgen verteidigen will. Wowereit ist gekommen, um zu helfen. Sie machen es sich nicht leicht. Wie mag die Stimmung sein in der U7, in der sich die Freundlichkeit auf die Stationsansagen vom Band beschränkt und Drogendealer leichter zu finden sind als Touristen? „Das ist keine Veranstaltung, die auf Nummer sicher geht“, orakelt Wowereit. „Man weiß nicht, wen man trifft und wie es ausgeht. Aber man muss hingehen, wo die Leute sind.“

Während Staffels Wahlkampfteam einen Kleingruppenfahrschein kauft, drängelt sich eine alte Frau zum Regierenden durch: „Ich will ihn sprechen, mir geht’s um die Rente“, sagt sie mit sorgenvollem Blick. Seit 1950 habe sie eingezahlt; jetzt sei sie 75 und bekomme kaum genug zum Leben. Als Wowereit sie sieht, überreicht er ihr eine Rose plus Autogrammkarte und Staffelt-Flyer. „Schön, dass ich Sie mal direkt treffe“, sagt die Frau, nun strahlend. „Bleiben Sie, wie Sie sind! Auf Wiedersehen!“ Und die Rente? „Na ja“, seufzt die Frau, „dafür ist er ja nicht zuständig.“

Auf dem Bahnsteig zielt ein halbes Dutzend türkischer Jugendlicher mit Fotohandys auf Wowereit, Leute wollen Autogramme, ein grauhaariger Mann staunt: „Sie sehen in natura noch besser aus als im Fernsehen!“ Wowereit lächelt, der Zug fährt ein und mit den von Bodyguards und Rosenbündelträgern umringten Wahlkämpfern südwärts. „Ich bin Ihr Bundestagsabgeordneter und kandidiere wieder“, schallt Staffelts Bass, während Wowereit sämtliche Frauen zwischen 15 und 85 mit einer Charme-Offensive verzaubert. Rosen für die Damen, Staffelt für die Herren. Die meisten sind erfreut, ihren Bürgermeister zu treffen, danken herzlich, wünschen Glück. Auch Staffelt mit seinen markanten Locken kennen viele und nicken freundlich. Nur ein Dackel schaut verständnislos hinauf.

Die Waggons des Zuges gehen ineinander über; mit jedem Anrucken der Bahn schwappt der Pulk ein Stück weiter, an der Johannisthaler Chaussee ist das Ende erreicht. Die Wahlkämpfer haben das Fahrziel mancher Passagiere und die Namen von Kindern erfahren, politischer wurde es nicht. Die Frage ist, ob die U7 nun SPD wählt. „Hätte ich sowieso“, sagt eine Frau. „Ich weiß noch nicht, aber die Rose spielt keine Rolle“, sagt eine andere. Abgesehen von einem entfernten „Buh!“ und einem halblauten „Schäm dich!“ gab es nur freundliche Worte. Jetzt brüllt ein Jugendlicher: „Ey, Chef, kann ich auch ’ne Rose?“ ’ne Rose kann er nicht, aber ein Gruppenfoto mit Wowereit und den Kumpels gibt es. In Rudow angekommen, resümiert Staffelt erstaunt, dass die Leute „so dermaßen sagenhaft freundlich“ waren.

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