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Berlin: Zum Schaden der Stadt (Leitartikel)

Der größte Fehler, den man bei Eberhard Diepgen machen kann, ist, ihn zu unterschätzen. Der Vorwurf, Berlins Regierender Bürgermeister sei dröge oder gar farblos, ist aktenkundig, aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Der größte Fehler, den man bei Eberhard Diepgen machen kann, ist, ihn zu unterschätzen. Der Vorwurf, Berlins Regierender Bürgermeister sei dröge oder gar farblos, ist aktenkundig, aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Der Eberhard Diepgen von heute erscheint als ein anderer als der von vor 15 Jahren. Er hat an sich gearbeitet. Eberhard Diepgen steht, was man in der CDU in den letzten Monaten nicht von jedermann sagen kann, für absolute Integrität. Unvorstellbar, dass er heute irgendwo Bares, vielleicht sogar Schwarzgeld einsammelte. Er steht aber auch, und hier - nur hier - gleicht er eben nun doch sehr stark dem späten Helmut Kohl, für einen schier untrüglichen Machtinstinkt. Wer von ihm einmal als die eigene Macht potenziell gefährdend ausgemacht wurde, hat in der Union keine Chance mehr.

Das ist gut für Diepgen, aber nicht gut für die Stadt. Deshalb kann das auch nicht mehr lange gut gehen. Wie so etwas endet, hat die Bundes-CDU im letzten Herbst erlebt. Die Berliner CDU kann daraus lernen. Sie kann sich so verhalten wie die Bundespartei - mit bekanntem Ergebnis. Oder sie kann gegensteuern, bevor das Schiff auf Grund läuft. Sie kann sich zum Beispiel erinnern: Dem aktuellen Fall Christa Thoben ging in der Stadt ein Fall Jörg Schönbohm voraus. Davor gab es einen Fall Klaus Töpfer. Damit sind nur jene genannt, von denen zumindest zwei mit Sicherheit das Rote Rathaus im Visier hatten und deshalb weggelobt wurden. Christa Thoben war Staatssekretärin bei Töpfer gewesen. Die beiden harmonierten politisch und waren von ganz ähnlicher Art. Vielleicht hatte Eberhard Diepgen das - vorübergehend - vergessen.

Die Krise der Berliner Kultur ist das eine. Es ist eine schlimme Krise, die zu bewältigen noch schwerer wird, wenn der Regierende Bürgermeister seine Kultursenatorin, wie geschehen, dünn lächelnd im Regen stehen lässt. Aber da ist eben auch eine Führungskrise der CDU, eine der Stadt - und für die steht Eberhard Diepgen. Klaus Töpfer ging für die Vereinten Nationen nach Nairobi. Jörg Schönbohm ist Innenminister in Brandenburg. Auch Christa Thoben wird nicht ohne Angebote bleiben. Diepgen schon. Denn dass ihm noch einmal eine profilierte CDU-Politikerin oder ein Politiker aus dem, was man hier früher Westdeutschland nannte, aus der Bredouille helfen wird, scheint eher zweifelhaft. Wer begibt sich schon auf Himmelfahrtsjobs, wenn ihm der Rücken nicht freigehalten wird und er eher noch Gefahr läuft, unter "friendly fire" zu geraten? Damit ist aber auch ziemlich klar, dass die Berliner Politik, so weit sie CDU-bestimmt ist, nicht mehr auf jene Blutauffrischung rechnen kann, die sie nach allgemeinem Urteil so dringend braucht.

Das ist schlecht für die Stadt, aber auch schlecht für Eberhard Diepgen. Sein Vorhaben, beim Parteitag der CDU in Essen für das Parteipräsidium zu kandidieren, sollte er besser zurückstellen. Der mächtige nordrhein-westfälische Delegiertenblock, ohne den auf dem Parteitag nichts laufen wird, dürfte sich daran erinnern, dass die von Diepgen düpierte Christa Thoben aus ihren Kreisen stammt und den Stimmzettel bei der Präsidiumswahl als Waffe nutzen.

Ob Eberhard Diepgen nun unkommunikativ ist oder einfach berechnend - er trägt die politische Verantwortung in dieser Stadt, unbenommen der Ressortkompetenz seiner Senatoren. Mit Christa Thoben ist also auch er durch sein demonstratives Desinteresse an der Person und der Sache ganz persönlich gescheitert. Und auch die Konsequenzen muss er alleine tragen. Das wird dann vielleicht nicht gut für ihn, aber hoffentlich gut für Berlin.

Gerd Appenzeller

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