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Berlin: Zum Schutz der Kinder: Routineprüfungen bei Eltern

Ärzte und Behörden sollen besser gegen Missbrauch zusammenarbeiten Dabei hilft das „Netzwerk Kinderschutz“, das der Senat jetzt beschlossen hat

Von Sabine Beikler

Klatschende Geräusche und das Wimmern eines Kindes aus der Nebenwohnung alarmierten im August vergangenen Jahres die Nachbarn: Sie riefen die Polizei, die das Kind, übersät mit Würgemalen, Bisswunden am ganzen Körper und haarlosen Stellen am Kopf, vor weiteren Misshandlungen retteten. Der Fall aus Lichtenberg ist kein Einzelfall: Im Jahr 2004 waren laut Polizeistatistik in Berlin 398 Fälle von Kindesmisshandlungen, 554 Misshandlungen von Schutzbefohlenen und 255 Fälle, in denen die Fürsorge- oder Erziehungspflicht verletzt wurde, aktenkundig. Auch wenn sich laut Landeskriminalamt diese Zahlen im „Promillebereich“ bewegen: „Jeder Fall ist einer zu viel“, sagte am Dienstag Schulsenator Klaus Böger (SPD). Deshalb hat der Senat gestern ein Konzept für ein „Netzwerk Kinderschutz“ beschlossen.

Geburtskliniken, Hebammen, Kinder- und Jugendgesundheitsdienste, Jugendämter und Kinderärzte sollen künftig enger zusammenarbeiten. Bei Verdacht auf Misshandlung oder Verwahrlosung eines Kindes sollen sich die am Netzwerk Beteiligten mit den Jugend- und Gesundheitsämtern kurzschließen und die Verdachtsfälle schnell überprüfen. „Auch Eltern werden künftig nach verbindlichen Risikofaktoren gezielt aufgesucht“, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei). Dazu zählen Armut, frühes Gebäralter, registrierte Gewalt in der Partnerschaft, Kinderreichtum, Drogenmissbrauch oder ungünstige Wohnverhältnisse. Welche Eltern dann angesprochen werden, will bis Ende Juni eine Arbeitsgruppe ausarbeiten. Bestimmte soziale Gruppen sollen nicht stigmatisiert werden, stellten Knake-Werner und Böger klar. „Auf die Kombination von Risikofaktoren kommt es an.“

Für Kinderärzte könnte es künftig eine Meldepflicht von Eltern an die Jugendämter geben, die ihre Kinder nicht zu den freiwilligen Vorsorgeuntersuchungen U 1 bis U 10 schicken. Berlin hat sich einer Bundesratsinitiative aus Hamburg angeschlossen, über die die Ausschüsse noch nicht abschließend beraten haben. Dass diese Untersuchungen verpflichtend werden, ist laut Böger „nach Verfassungs- und Rechtslage“ ausgeschlossen. Wie berichtet kann sich Böger aber vorstellen, die verpflichtende Schuleingangsuntersuchung im Alter von fünf Jahren auf vier Jahre vorzuziehen, um früher geistige und körperliche Defizite – oder mögliche Misshandlungen – eines Kindes festzustellen.

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