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Aus Berlin um die Welt. Zu Hans Walls Portfolio gehörten auch Stadtmöbel für Moskau.

© Mike Wolff

Zum Tod von Hans Wall: Der Stadtmöblierer

Hans Wall baut in Berlin ein erfolgreiches Werbeunternehmen auf. Jetzt ist er im Alter von 77 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Launisch, unberechenbar und emotional – das sind nicht die Eigenschaften, mit denen in den Lehrbüchern der Betriebswirtschaft erfolgreiche Unternehmer charakterisiert werden. Aber die wirklichen Typen passen ja auch in keine Schablone. Die echten Kerle sind einzigartig, eckig und anstrengend. Er sei „nie einfach gewesen“, hat Klaus Wowereit einmal über Hans Wall gesagt. „Aber solche Unternehmerpersönlichkeiten braucht das Land.“

1942 in Künzelsau geboren

Hans Wall, im März 1942 im schwäbischen Künzelsau geboren, hatte Schlosser gelernt und wartete einmal in Karlsruhe auf den Bus. In dem „schauderhaften, dunklen Wartehäuschen“ kommt dem jungen Mann eine Idee. Später erzählt er die Episode als einen „magischen Moment“; er war eben auch ein grandioser Vermarkter, und Lautsprecherei gehört dazu. „Ich wusste, das kann ich besser. Ich entwarf einen prächtigen Briefbogen und schrieb an hunderte Bürgermeister, ich würde kostenlos werbefinanzierte Wartehäuschen liefern und montieren“ So einfach funktioniert das Geschäftsmodell, das in zu einem reichen Mann machen sollte.

1984 kommt Wall nach Berlin

1976 gründet Wall im badischen Ettlingen eine Firma zur Produktion von Stadtmöbeln und Werbeflächen, 1984 kommt er mit 18 Mitarbeitern nach Berlin und stößt in neue Dimensionen vor, als er die Ausschreibung für die Außenwerbung auf Berlins Straßen gewinnt. Die Außenwerbung auf Plakaten und Säulen ist das Medium mit der größten Reichweite in Großstädten. Die Geschäfte laufen prächtig, Wall expandiert im Ausland und beschäftigt zeitweise 700 Leute. Die Firma gibt den Städten Produkte, die im öffentlichen Raum gebraucht werden, dafür erlauben die Behörden die Aufstellung von Werbeflächen, die Wall vermarktet.

Eigene Fabrik im brandenburgischen Velten

Die Wartehäuschen, Toiletten, Kioske und Plakatwände werden in der eigenen Fabrik im brandenburgischen Velten produziert. Der Chef residiert in einem schicken Neubau an der Friedrichstraße. Hans Wall hat es geschafft und bringt 2010 eine Biografie auf den Markt mit dem Titel „Aus dem Jungen wird nie was. Vom Mechaniker zum Millionär.“
Sein Sohn Daniel, dem er 2007 den Vorstandsvorsitz übergibt, hat Respekt vor der Courage des Vaters „sich als Mittelständler auf die Auslandsmärkte zu wagen“. Aber so tickt Hans Wall. Nach Berlin will er Boston, Moskau und Istanbul mit seinen Produkten vollstellen.

Der Berliner Unternehmer Hans Wall im Jahr 2009.
Der Berliner Unternehmer Hans Wall im Jahr 2009.

© imago images / Sabeth Stickforth

2006 Niederlage geben JCDecaux

„Gute Ideen haben und Mut, darum geht es, das predige ich den jungen Leuten.“ Schulischer Erfolg ist zweitrangig, wie man an ihm sieht. „Ich hab' noch nicht mal Abitur.“ Aber er ist bauernschlau, frech und forsch. Und lernfähig. „Ich weiß auch heute erst, welche Frau zu mir passt“, sagt er mit Ende 60. „Darum habe ich zwei gescheiterte Ehen hinter mir. Ich bin halt ein wenig doof in dieser Hinsicht.“ Für die erste Freundin trat Wall als junger Bursche sogar den Zeugen Jehovas bei. Mit dem Glauben hatte er nichts am Hut, es ging ihm um die „Rosi, die schön war wie ein Engel“.

Wall droht mit Wegzug

Weil das Werbegeschäft im öffentlichen Raum hohe Profite abwirft, wird der Wettbewerb auch in Berlin härter. 2006 wollen die Berliner Verkehrsbetriebe ihre Werbetochter VVR Berek verkaufen. Wall verliert die Ausschreibung gegen den französischen Milliardenkonzern JCDecaux. Die Franzosen zahlen 103 Millionen für ein Unternehmen mit 27 Millionen Umsatz und einem Gewinn von knapp sieben Millionen Euro. Vor der Ausschreibung war in der Branche ein Preis von 50 Millionen Euro angesetzt worden. Doch die Franzosen zahlten den Mondpreis, weil sie unbedingt in Berlin auf den Markt kommen wollen. Und Wall? Der Platzhirsch ist angeschossen und röhrt durch die Stadt, droht mit Umzug nach Hamburg und ann vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit nur mit Mühe beruhigt werden.

Verkauf an die Franzosen

Wall fängt sich wieder. Und wie! Sein deutlich weniger impulsive Sohn Daniel fädelt einen Deal mit dem Feind ein: JCDecaux übernimmt die Auslandsaktivitäten der Wall AG, und dafür bekommt Wall doch noch die VVR Berek. Damit ist aber auch klar: Der Mittelständler aus Berlin bleibt in Berlin und in ein paar deutschen Städte. Für die große Welt ist Wall zu klein. Trotzdem feiert Hans Wall das Geschäft mit den Franzosen. „Nach diesem Deal ist die Wall AG unverkäuflich, die kann kein Mensch bezahlen.“ Zwei Jahre später, mitten in der Finanzkrise verkauft er an JCDecaux für schätzungsweise 80 Millionen Euro. Wall braucht Geld, unter anderem für eine Scheidung, und verkauft viel zu billig und ohne Rücksprache mit Sohn Daniel.

Kurzzeitig Mitglied der AfD

„Hans, spring über deinen Schatten“, habe er sich damals gesagt und an die Zukunft der Firma und die seines Sohnes gedacht. Daniel war Vorstandsvorsitzender und blieb es bis 2015. Der überhastete Verkauf an JCDecaux aus dem Bauch heraus belastete die Beziehungen zwischen Vater und Sohn, ebenso wie die politischen Irrlichterei. Hans Wall spendete der AfD Geld und wurde sogar für ein paar Jahre Parteimitglied. Der Junior befürchtete Auswirkungen auf das Geschäft und distanzierte sich vom Engagement des störrischen Alten.
Nach dem Ausscheiden aus der Firma, deren Aufsichtsrat er noch bis 2012 leitete, konzentrierte sich der Firmengründer auf sein Engagement als Vorsitzendes des Vereins „Denkmal Berlin“. Er war maßgeblich an der Wiederrichtung des Turms der Parochialkirche in Mitte beteiligt. Das „ehrliche Schlitzohr“, wie sich Wall selbst beschrieb, ist am 1. Juli mit 77 Jahren in Berlin verstorben.

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