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Berlin: Zur Sache, Frau Ministerin

Eigentlich wollte Edelgard Bulmahn nur einen Besuch bei einer Schule machen. Dort warteten aber schon Studenten – und baten zum Gespräch

Plötzlich platzt es aus Hyung-Tae Kim heraus. „Aber Bildung ist doch das Kapital Nummer eins der Bundesrepublik. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass in Wedding plötzlich eine Erdölquelle gefunden worden ist“, sagt der 22-jährige Student des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU. Edelgard Bulmahn muss lächeln. „Aber ihr müsst nun mal verstehen“, sagt die Bundesbildungsministerin und lehnt sich in der Couchecke zurück, „dass Hochschulpolitik Ländersache ist“. Es war eine spontane Zusammenkunft von Berlins demonstrierender Uni-Basis und Deutschlands höchster Bildungspolitikerin am gestrigen Montag in der Cäcilien-Grundschule in Wilmersdorf.

Denn eigentlich war die Ministerin mit Berliner Genossen – Bildungssenator Klaus Böger und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit – an den Nikolsburger Platz gekommen, um die erste vom Bund geförderte Grundschule Deutschlands mit Ganztagsbetrieb zu besuchen. Doch Lehramtsstudent Peter Erwertz, 24, hatte den Besuchstermin im Internet entdeckt und Kommilitonen übers Web zum Protest gebeten. Ein knappes Dutzend Studenten folgt dem Aufruf. Und der Bitte von Reinhard Naumann, Schulstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, den Pressetermin nicht zu sprengen. Dafür ließ sich die Ministerin anschließend mit ihnen in der Sitzecke der Bibliothek nieder.

„Sie wollen doch nicht bestreiten, dass Studenten von privaten Hochschulen bessere Berufschancen haben“, sagt Markus Berg, 22, Geschichtsstudent an der HU, und beugt sich nach vorn. „Die Wahrheit ist nicht ganz so simpel“, entgegnet Bulmahn, einst Studentin der Politischen Wissenschaften und der Anglistik an der Uni Hannover. Sie legt der Studentengruppe dar, dass es mit den Universitäten in Bremen und Witten/Herdecke nur zwei private Unis gebe und „der Rest Businessschulen“ sind. Dass Studiengänge wie Medizin oder Ingenieurwesen viel zu kostenintensiv seien, als dass private Anbieter sie gänzlich übernehmen wollten. Dass Witten/Herdecke zu 70 Prozent durch Steuermittel finanziert werde. Und überhaupt. Sie könne da wenig machen, „Unipolitik ist Ländersache“. Aber, Frau Bulmahn, heißt es da im Mini-Auditorium in der Cäcilien-Grundschule, immer schieben die Politiker die Verantwortung weiter. „Thomas Flierl hat uns gerade gesagt, die SPD ist schuld.“

„Ist denn Bildung nicht so wichtig wie die Sanierung des Holzmann-Konzerns? Die hat der Bund doch auch an sich gezogen“, fragt Sonderpädagogik-Student Oliver Luft, 25. „Das würde ich gern, aber da haben die Länder was dagegen“, sagt Bulmahn. Dann folgt eine Debatte über die Wirksamkeit der Vermögens- und der Erbschaftssteuer.

„Sie nehmen uns wenigstens ernst“, meint Medienwissenschaften-Studentin Lucy Nowottnick, 19. „Anders als Klaus Wowereit“, sagt Student Markus. „Der lässt uns arrogant abblitzen. Der will den Protest aussitzen.“ Aber eigentlich sei die Frau Ministerin im Vier-Augen-Gespräch ja zweite Wahl. „Wir hätten Wowereit zehnmal lieber bei uns gehabt. Der Typ, der für uns zuständig ist.“

Annette Kögel

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