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Berlin: Zurück ins Zentrum

Ist die Stadtflucht bald Vergangenheit? Umzugsfirmen bestätigen, was Forscher beobachten

Die Flucht ins Umland ist beendet, der Drang, in der Stadtmitte zu wohnen, wird künftig wieder zunehmen. Glauben Städteforscher. Sie sprechen von einem zarten Trend. Was Berlin angeht, so gibt es Menschen, die diesen Trend schon jetzt bemerken. Jürgen Lehmann, Berater im Umzugsunternehmen Zapf, etwa sagt: „Seit gut einem Jahr haben wir vermehrt Umzüge, bei denen Menschen vom Stadtrand oder aus dem Umland in Richtung Stadtmitte ziehen.“ Umzüge aus dem Zentrum in die Peripherie seien dagegen in den vergangenen Jahren merklich seltener geworden. Das deckt sich mit einer Beobachtung, die Dagmar Pohle, PDSSozialstadträtin in Hellersdorf-Marzahn, jüngst äußerte: Die jüngeren Einwohner ziehe es in die Stadt, sagte sie, vor allem die gut ausgebildeten.

Das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) hat kürzlich eine Studie veröffentlicht: Nach Jahren der Flucht ins Umland entdeckten die Menschen die Vorzüge der Stadt neu. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt nun auch das BAT-Freizeitforschungsinstitut in einer am Montag vorgestellten Studie. Difu-Autor Hasso Brühl erklärt das Umdenken mit dem beschleunigten Wandel Berlins: „Wohnen im Zentrum, das hieß früher: Es ist laut und eng, die Luft ist schlecht, und es gibt wenig Grün.“ Inzwischen gebe es immer weniger Industrie in der Stadt. Die Folge: Lärm- und Geruchsbelästigungen entfielen. „Die Vorzüge der Stadt aber bleiben: kurze Wege, Restaurants und Kneipen und Theater um die Ecke.“ Zudem, glaubt Brühl, verändern sich die Lebensziele stark. „Immer seltener gilt das Einfamilienhaus im Grünen noch als Wohnideal.“ Brühl sagt voraus, dass der Bungalow in einer Siedlung vor der Stadt als Geldanlage an Wert verliert. „Schon heute ist es nicht leicht, solche Immobilien loszuwerden“, sagt Peter Rohland, Geschäftsführer des Bundesverbands für Wohneigentum und Stadtentwicklung.

Auch Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) glaubt an die neue Anziehungskraft der Innenstadt. „Der Erfolg der Townhouses spricht dafür“, sagt ihre Sprecherin Manuela Damianakis. Im Handumdrehen waren die Grundstücke für 40 handtuchschmale Stadthäuser auf dem Friedrichswerder verkauft. Aber: Die Townhouses sind teuer. Laut difu-Studie sind es jedoch nicht nur gut Verdienende und Kinderlose, die das Leben in der Stadt wieder zunehmend interessant finden. Auch Familien ziehe es ins Zentrum. „Wenn die Bedingungen stimmen.“ Und da sieht Brühl in Berlin Nachholbedarf: Berlin habe wegen der vielen Singles in der Stadt vor allem den Bau von kleinen Wohnungen gefördert. Entsprechend knapp und daher teuer sei nun das Angebot für Familien.

Andererseits: Das Wohnen im Umland sei nicht mehr billiger: Manche Familie brauche zwei Autos. Die Bezinpreise steigen, die Pendlerpauschale wird wohl gestrichen. Zudem, so Brühl, „erschweren lange Anfahrtswege zur Arbeit und tägliche Staus das Familienleben“. mne

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