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Berlin: „Zwei deutsche Staaten wären besser“

Der 16-jährige Konstantin ist ein Kind der Einheit – Grenzgänger zwischen Ost und West. Trotzdem wünscht er sich eine neue DDR

Konstantin Quoll hätte nichts dagegen, wenn es den Tag der Deutschen Einheit nie gegeben hätte. Der Mauerfall war schon okay, aber die Wiedervereinigung sagt ihm nicht so zu. „Zwei deutsche Staaten wären besser“, sagt der 16-Jährige, der im Sommer seine Mittlere Reife in Friedrichshain machte und jetzt ein Gymnasium in Charlottenburg besucht.

Der bekennende Punk weiß genau, wie sein Deutschland aussehen müsste: „links, antifaschistisch und antikapitalistisch“. Ohne Neonazis. Mit Arbeit und Ausbildung für alle. Aber nicht so wie die DDR: „Da war zwar die Idee gut, aber es wurde zu viel unterdrückt“. Dass man nicht reisen durfte, sei auch „nicht so prickelnd“ gewesen. Außerdem hätten sich die Mächtigen in SED und Stasi bereichert und besser gelebt als der Rest der Bevölkerung. Ihm gefällt auch nicht, dass Gläubige in der DDR drangsaliert wurden: „Ich bin kein Freund der Kirche, aber dass man sich die Menschen so zurechtbiegen wollte, das war falsch“, sagt er und rückt seine Mütze auf den gelb gefärbten Haaren zurecht.

Was Konstantin Quoll über die DDR weiß, hat er vor allem von Verwandten und Freunden erfahren. In seiner alten Schule in Friedrichshain wurde das alte System nicht so ausführlich behandelt. In der zehnten Klasse ging es noch um die Nationalsozialisten. Die sollten eigentlich schon in der neunten Klasse abgehandelt werden, was allerdings nur wenige Schulen schaffen. Bevor Konstantins Friedrichshainer Schulzeit endete, kam noch der Weltkrieg dran und der Neubeginn nach 1945. „Viel über die DDR erfahren habe ich da nicht“.

Aber das kann sich noch ändern, weil er sich entschlossen hat, das Abitur zu machen. Dass das Sophie-Charlotte-Gymnasium etwas anders mit dem Thema umzugehen scheint als seine alte Emanuel-Lasker-Realschule, zeichnet sich bereits ab. Am Mittwoch war er mit seiner neuen Klasse im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen: „Die Leute wurden ja total überwacht“. Das Ausmaß der Bespitzelung ist ihm erst dort richtig klar geworden.

Wenn er sich seine DDR basteln könnte, dann müsste sie so aussehen, dass Neonazis keine Lust hätten, dort zu leben. Die Nazis sollten in den Westen gehen, und vom Westen sollte generell möglichst wenig in den Osten rüberschwappen. Weil es ihm gefällt, die Ost-Identität zu pflegen, war er auch am 11. September dabei, als sich die Friedrichshainer wieder ihre berühmte Wasser-Obst-Gemüse- Schlacht gegen die Kreuzberger auf der Oberbaumbrücke lieferten. Er blüht auf, wenn er von den Wurfgeschossen aus faulen Marktabfällen erzählt: Ost-West-Konflikt mit Spaßfaktor, so ist das okay.

Aber der gebürtige Friedrichshainer ist auch gern mal in Kreuzberg. Er hat sich gewöhnt daran, auf dem Weg zur Schule täglich die ehemalige Grenze zu passieren und er fühlt sich „nicht als Fremdkörper“ in der Charlottenburger Schule. Aber wenn es ein ähnlich gut erreichbares Aufbau-Gymnasium für Realschüler im Ost-Teil geben würde, dann wäre er da hingegangen.

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