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Tödlicher Unfall. In dem Kleinwagen starb eine 21-Jährige.

© imago/Olaf Selchow

Zwei Jahre nach Unfall in Grunerstraße: Fabien Martinis Tod tut dem Berliner Polizisten Peter G. „unendlich leid“

Fabien Martini starb vor zwei Jahren nach einem Unfall mit einem Polizeiwagen. Nun gab es ein stilles Gedenken. Und der Beamte hat eine Botschaft.

Vor zwei Jahren, am 29. Januar 2018, kam Fabien Martini bei einem Unfall in Berlin-Mitte ums Leben. Die damals 21-Jährige starb, weil ein Streifenwagen in ihr Auto gerast war.

Am Unfallort in der Grunerstraße hielten die Vereine Fuss, Changing Cities, der Verkehrsclub (VCD) sowie Angehörige am Mittwochabend ein stilles Gedenken mit knapp hundert Teilnehmern ab.

Sie forderten eine zügige gerichtliche Aufarbeitung. Für die Familie sei es eine Qual, „über einen so langen Zeitraum allein gelassen zu werden“. Die Mutter von Fabien forderte, dass der Tod ihrer Tochter nicht folgenlos bleiben dürfe.

Ein Jahr danach. Die Eltern von Fabien Martini wenden sich in ihrer Trauer und Wut jetzt an die Öffentlichkeit.
Ein Jahr danach. Die Eltern von Fabien Martini wenden sich in ihrer Trauer und Wut jetzt an die Öffentlichkeit.

© Stefan Jacobs

Gegen den Fahrer des Polizeiwagens wurde kürzlich Anklage erhoben. Peter G., 52 Jahre alt, Hauptkommissar, soll sich vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Straßenverkehrs durch Alkoholeinfluss verantworten.

„Der Unfall geht ihm nahe und ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen“

Nun äußerte sich der Anwalt des Beamten: „Der Unfall geht ihm nahe und ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen“, sagte der Verteidiger dem Tagesspiegel. Der Tod von Fabien Martini „tut ihm unendlich leid“.

Das für Verkehrsrecht zuständige Schöffengericht muss über die Zulassung der Anklage entscheiden. G. fuhr damals gegen 13 Uhr mit 134 Stundenkilometern nach Raub-Alarm durch den leeren Grunertunnel zu einem Einsatz. Fabien Martini fuhr von einer der rechten Spuren nach links auf die Parkplätze auf dem Mittelstreifen.

Der Unfallort. Der Renault Clio wurde völlig zerstört. Schon vorher kam es an der Stelle zu schweren Unfällen.
Der Unfallort. Der Renault Clio wurde völlig zerstört. Schon vorher kam es an der Stelle zu schweren Unfällen.

© Maurizio Gambarini/dpa

Beim Aufprall war der Polizeiwagen 91 Stundenkilometer schnell. Unklar ist, ob die Frau geblinkt hat. G. habe aber Vorfahrt gehabt und zudem – für alle anderen Zeugen wahrnehmbar – Martinshorn und Blaulicht eingeschaltet, sagte der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft wirft G. vor, er sei durch Alkohol enthemmt gewesen und deshalb gerast.

War Peter G. unter Alkoholeinfluss im Einsatz?

Der Verteidiger des Beamten bezweifelt, dass der Alkoholvorwurf zu halten ist. Der Anwalt der Eltern dagegen hofft, dass Zeugen vor Gericht – Pflegekräfte, Ärzte, Polizisten – den Alkoholverdacht bestätigen. Erst Monate nach Beginn der Ermittlungen wurde bekannt, dass eine in der Charité genommene Blutprobe Alkohol enthielt.

Der verdächtige Polizist kam nach dem Crash an die Charité.
Der verdächtige Polizist kam nach dem Crash an die Charité.

© Kalaene/dpa

Polizei und Staatsanwaltschaft standen unter Vertuschungsverdacht. Der Anwalt der Familie kritisierte, dass direkt nach dem Unfall kein Alkoholtest gemacht wurde, was aber nur bei konkretem Verdacht möglich ist. „Keiner der Zeugen, auch solche die dem Angeschuldigten sehr nahe kamen, Ersthelfer, Kollegen, Seelsorger, hat bei dem Fahrer des Einsatzwagens Alkoholgeruch in der Atemluft wahrgenommen“, sagte G.s Anwalt. Kein Zeuge habe alkoholbedingte Ausfallerscheinungen geschildert.

Im Herbst 2018 war ein anonymes Schreiben aufgetaucht, angeblich vom Ehemann einer Auszubildenden, die in der Charité tätig war. Demnach soll die Frau berichtet haben, dass „die Polizisten alkoholisiert auf die Rettungsstelle kamen“. Die Staatsanwaltschaft durfte wegen der ärztlichen Schweigepflicht die Patientenakte aber nicht beschlagnahmen.

Der Tod von Fabien Martini und der Fall des Polizisten Peter G. 

Am 30. Januar 2019, ein Jahr nach dem Unfall, leitete der Staatsanwalt ein Verfahren gegen das Klinikpersonal ein, um doch an die Akte zu kommen. In einem Laborbericht war ein Blutalkoholwert von 1,0 Promille vermerkt. Erst danach soll notiert worden sein, dass im Schockraum Alkoholgeruch bemerkt worden sei.

Die etwa zwei Stunden nach dem Unfall entnommene Blutprobe sei danach vernichtet worden, sagte der Anwalt. Bislang habe nicht ausgeschlossen werden können, dass die Blutprobe verwechselt oder nach dem Unfall Alkohol getrunken wurde.

Ein Unfallgutachter kam zum Ergebnis, dass G. optimal reagiert habe, keine Anzeichen für eine Verzögerung durch Alkohol vorlägen. Alles geschah sehr schnell: Um 13.04 Uhr und 30 Sekunden kam es zum Aufprall. 1,9 Sekunden zuvor leitete Fabien Martini das Abbiegemanöver nach links über die Fahrbahn ein.

Alles lief in Sekundenbruchteilen ab

1,71 Sekunden vor dem Unfall kam es zur Vollbremsung des Polizeiwagens. Um den Unfall zu vermeiden, hätte der Polizeiwagen nur 100 bis 103 Stundenkilometer schnell sein dürfen, sagte der Anwalt.

Dem Hauptkommissar ist die Ausübung der Dienstgeschäfte seit Frühjahr 2019 untersagt. Er war im Juli 2019 wegen illegalen Besitzes von zwei Schlagringen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 85 Euro verurteilt worden.

Der Polizist Peter G. stand wegen unerlaubten Waffenbesitzes am Dienstag vor Gericht.
Der Polizist Peter G. stand wegen unerlaubten Waffenbesitzes am Dienstag vor Gericht.

© Olaf Wagner

Auslöser des Verfahren waren Fotos von G., die vor etwa einem Jahr von Medien veröffentlicht worden waren. Auf einem Foto hält G. sich einen Revolver an die Schläfe. Der Foto-Blog des Beamten war den Vorgesetzten bekannt. G. war von 2012 bis 2017 mit einer Agentur für Fotodesign und Event-Management einer genehmigten Nebentätigkeit nachgegangen. 

Der Polizeivizepräsident persönlich veranlasste ein Verfahren

Die Revolver von den intern bekannten Fotos interessierten die Polizei lange nicht – dann aber doch, als die Unfall-Ermittlungen vor einem Jahr auf einen Alkoholverdacht ausgeweitet wurden und die Fotos in Medien veröffentlicht wurden. Polizeivizepräsident Marco Langner schaltete sich nach Tagesspiegel-Informationen im Februar 2019 persönlich ein und veranlasste Ermittlungen.

Für eine Durchsuchung der Wohnung im April 2019 rückte sogar ein Spezialeinsatzkommando an, die Ermittler fanden dann in einer Truhe mit Utensilien aus der Zeit seiner Foto-Agentur zwei goldene Schlagringe - es waren Requisiten.

Nach dem Urteil vom Juli legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein, sie fordert ein höheres Strafmaß. Jetzt muss der Fall vor dem Landgericht neu verhandelt werden. Der Anwalt des Beamten hatte beim ersten Prozess vor dem Amtsgericht mit Blick auf den Unfall für seinen Mandanten angekündigt, dieser wolle sich seiner Verantwortung stellen.

Der Vater der getöteten Fabien Martini hatte am Rande des Schlagring-Prozesses gesagt, ihm sei das Liebste genommen worden. „Hass, nur Hass“ empfinde er, sagte der Gerüstbauer. Es könne nichts wiedergutgemacht werden.

Aus dem Umfeld von Peter G. wurde damals am Rande der Verhandlung versucht, den anwesenden Vater von Fabien Martini um ein Gespräch zu bitten. Dies wurde jedoch verworfen, weil der Vater sehr aufgebracht gewesen sei.

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