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Berlin: Zwei Wochen altes Baby wurde schwer misshandelt

Haftbefehl für 25-jährige Mutter. Zahl solcher Fälle steigt. Die Polizei und ein Unternehmer schaffen mit Kampagne mehr Aufmerksamkeit für das Thema

Hämatome im Gesicht, Hirnblutungen und ein Blutgerinsel im Kopf – diese und weitere Verletzungen haben Notärzte am Dienstag bei einem zwei Wochen alten Baby diagnostiziert. Das Kind wurde misshandelt: Den Ärzten war anhand der Verletzungen klar, dass diese nur durch „äußere Einwirkungen“ entstanden sein können, hieß es bei der Polizei. Der kleine Leon befindet sich in Lebensgefahr und wird auf einer Intensivstation versorgt. Da die 25jährige Mutter des Jungen aus dem Märkischen Viertel in Reinickendorf „unglaubwürdige Angaben“ machte, nahmen Beamte die Frau fest. Ein Richter erließ gestern am späten Abend Haftbefehl, allerdings mit Verschonung, da keine Fluchtgefahr bestehe. Ob ein Fall von „Misshandlung Schutzbefohlener in besonders schwerem Fall“ vorliegt, müssen weitere Ermittlungen zeigen. Dieses Verbrechen wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr geahndet. Die Frau hatte das Kind am Dienstagmorgen selbst zum Arzt gebracht, weil der Säugling „nicht mehr ansprechbar war“, wie es bei der Polizei hieß. Der Mediziner alarmierte den Notarzt. Die alleinerziehende Frau habe keine weiteren Kinder. „Sie lebte in geordneten Verhältnissen und stand keinesfalls alleine da“, sagte Gina Graichen vom Kommissariat zur „Aufklärung von Delikten an Schutzbefohlenen“.

Nachbarn, die in dem Hochhaus im Senftenberger Ring auf derselben Etage wie die Frau wohnen, berichten, dass sie diese seit Wochen nicht gesehen hätten. „Wir vermuten, dass sie bei ihrer Mutter war, die wir hier öfter gesehen haben.“ Eine Mieterin, die seit 35 Jahren im Haus lebt, habe sich gewundert, „weil ich wusste, dass das Kind Anfang Mai geboren werden sollte, ich aber nie Babyweinen gehört habe“. Die Nachbarn sind sich einig, dass sie sonst verdächtige Geräusche gehört hätten, die Wände seien sehr dünn. Die Bewohner waren geschockt, als sie von dem Vorfall hörten. „Die Frau machte so einen freundlichen Eindruck.“

Der Eindruck täuscht oftmals. Diese Erfahrung muss Gina Graichen häufig machen: Mit 16 Kollegen arbeitet sie in der bundesweit einzigen Dienststelle, die sich ausschließlich mit diesen Taten befasst. Im letzten Jahr wurden dort 398 Misshandlungen und 255 Vernachlässigungen von Kindern registriert. „Die Tendenz in diesem Jahr ist steigend“, sagt Graichen. „Dass die Zahl der Fälle zunimmt, heißt jedoch nicht, dass in Berlin mehr Kinder als woanders misshandelt werden.“ Eher sei es so zu erklären, dass durch Aufklärungskampagnen „die Leute aufmerksamer und eher bereit sind, die Polizei zu alarmieren“.

Dabei habe vor allem die große Plakataktion geholfen, welche die Polizei im August 2004 gestartet hat. „Geboren, gequält, gestorben“ steht auf einem der drei Plakate, das ein Holzkreuz und eine Nuckelflasche zeigt. Seit Anfang Mai erscheinen die Motive auch als Annonce in den drei Berliner Abonnementzeitungen. Initiiert hat das der Umzugsunternehmer Klaus Zapf. Er unterstützt als Mäzen die Aktion der Berliner Polizei und hat das Geld dafür bereitgestellt. „Wir wollen auf die Schwächsten in unserer Gesellschaft in der Öffentlichkeit aufmerksam machen“, sagte Zapf-Sprecher Michael Neuner. Zudem erhoffe sich Zapf, dass auch andere Mäzene die Aktion unterstützen. Wie hoch die Summe ist, die Zapf bereitgestellt hat, wollte der Sprecher nicht sagen. „Wir haben ein Drittel investiert, die Zeitungen haben von sich aus zwei Drittel dazugegeben.“

Notfälle können auch anonym unter Tel. 4664 912 555 gemeldet werden.

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