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Berlin: ZWISCHEN KRAWALL UND KUNDGEBUNG – WALPURGISNACHT UND 1.MAI IN BERLIN Gut zureden, hart zuschlagen

Aggressionen dämpfen, Krawall vermeiden: Polizei setzt in Kreuzberg und Mauerpark auf Anti-Konflikt-Teams

Sich gemeinsam mit einem Punk von dessen Freunden fotografieren zu lassen, das ist für einen Polizisten keine alltägliche Erfahrung. Erst recht nicht am 1. Mai in der abendlichen Oranienstraße. Doch die Beamten der „Anti-Konflikt-Teams“, die überall auf dem „Myfest“ zu finden waren, wussten von vielen solcher Begegnungen zu berichten – selbst wenn sie nicht friedfertig begannen. „Heute Abend haue ich einem Bullen in die Fresse“, habe ihm ein Mann angebrüllt, erzählt ein Beamter. „Glühwürmchen“ werden sie genannt wegen ihrer hellgelb leuchtenden Westen. Doch im Gespräch habe sich der aggressive Mann beruhigt und am Ende noch einen guten Abend gewünscht.

Ähnliche Erfahrungen machte in der Walpurgisnacht auch Polizeikommissar Markus Hempel-Morgenstern. In einem der vielen Dreier-Teams war der 31-Jährige im Mauerpark unterwegs. Die gelbe Weste soll signalisieren: „Wir sind da für die Menschen: Wer etwas wissen will, soll sich nicht scheuen, uns anzusprechen“, sagt Hempel-Morgenstern. Und die schwarze Baseball-Kappe, die die AKT-Leute auf dem Kopf tragen, hat auch ihren Sinn: Weniger martialisch wirke diese auf die meist jungen Menschen. Hempel-Morgenstern sagt, „ein lockeres Erscheinungsbild macht den Kontakt leichter“. Die Beamten gehen auch von sich aus auf die Leute zu, wenn etwas nicht so läuft, wie es sein sollte. Konflikte sofort vermeiden, ist das Motto, und zwar möglichst unaufgeregt. Hempel-Morgensterns Einsatzmittel ist die Sprache.

Überzeugen müssen die Teams schon am Nachmittag. Der Bereich vor der Graffiti-Mauer im Park soll mit rot-weißem Band abgesperrt werden. Die Polizisten sollen die Leute hinter die Markierung bitten. Eine Frau, die auf der Schaukel schwingt, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich schaukel’ noch zu Ende“, sagt sie lächelnd. Hempel-Morgenstern findet das okay. „Lassen wir sie noch eine Minute ausschaukeln.“ Auch das Frauen-Grüppchen ein paar Meter weiter hat zunächst kein Einsehen. „Ich sprech’ jetzt noch zwei, drei Sätze mit meiner Freundin zu Ende“, sagt eine leicht zickig. „Nein, bitte gehen Sie jetzt hinter das Flatterband. Keine Angst, die Mauer wird nicht wieder aufgebaut“, erwidert der Kommissar. „Find’ ich nicht witzig!“, giftet die Frau zurück. Hempel-Morgenstern nimmt’s gelassen. „Mir tut jeder Leid, der keinen Humor hat.“

Hempel-Morgenstern, verheiratet mit einer Kriminalpolizistin, ist seit fünf Jahren auf dem Polizeiabschnitt 15, direkt am Mauerpark. Alle AKT-Beamten haben einen einwöchigen Lehrgang an der Polizeischule besucht. Hier sollen die Polizisten lernen, wie man auf die Leute zugeht. Wie man sich in verschiedenen Situationen verhält, ohne dass sie eskalieren. Die Ausbilder und Kollegen spielen dann die Menschen, die sich nichts sagen lassen wollen, oder aggressiv sind.

Die „Glühwürmchen“ beeindrucken auch andere Jugendlichen in der Walpurgisnacht. Die häufigste Frage, die Hempel-Morgenstern zu hören bekommt: „Coole Weste. Kann ich die kaufen?“ Doch so entspannt bleibt es nicht den ganzen Abend. Der Chef der Anti-Konflikt-Teams trommelt seine Leute über Funk zusammen. Randale deutet sich an. Damit ist der Auftrag beendet. Die Regel lautet: „Gibt es Randale, ziehen wir uns zurück.“ Schließlich sind sie ungeschützt in ihren gelben Westen. Fliegen erst einmal Steine, hilft reden nicht mehr.

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