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Berlin: Zyklus des Terrors

Das MoMA-Lieblingswerk: Intendant Matthias Lilienthal mag „18. Oktober 1977“

Matthias Lilienthal leitet das Theater „Hebbel am Ufer“. In der MoMAAusstellung zog es ihn sofort zu dem Richter-Zyklus „18. Oktober 1977“.

Der Richter-Zyklus über die RAF erzählt eine Geschichte, die eigentlich nicht darstellbar ist. Doch Richter hat als Einziger eine Form gesucht und gefunden, diese Ereignisse in angemessener Weise zu zeigen und sie so festzuhalten. Diese fast religiöse Überhöhung der Baader-Meinhof-Gruppe, die damals in linken Kreisen üblich war, kommt in den Bildern deutlich zum Ausdruck. Das Jugendbild von Ulrike Meinhof wirkt zum Beispiel wie eine Mariendarstellung. Eigentlich finde ich, dass es das beeindruckendste Bild aus dem Zyklus ist.

Durch die Hungerstreiks und die ganze Ikonographie der damaligen Zeit waren die Terroristen eine Art Politpopstars. Gleichzeitig bewahrt Richter durch die Schwarz-Weiß-Ästhetik und diese leichte Unschärfe eine gewisse Distanz und zwingt den Beobachter, über das Dargestellte nachzudenken.

Der 18. Oktober 1977 (siehe Kasten rechts – d. Red.), das war ein einschneidendes Erlebnis für mich. Der ganze politische Prozess des Widerstands hatte damit endgültig seine Unschuld verloren, man war gezwungen, darüber nachzudenken, wusste nicht mehr, ob man im Recht oder im Unrecht war. Zu der Zeit fand ja auch gerade die Flugzeugentführung in Mogadischu statt. Ich weiß noch, damals geriet ich in eine hitzige Diskussion mit meinem Vater. Ich war ein Linker mit langen Haaren, mein Vater war ein typischer Berliner Sozialdemokrat, mit einer merkwürdigen Mischung aus linker Gesinnung und Befremden gegenüber den Idealen der 68er. In gewisser Weise war unser Streit typisch für die Fronten, die damals in Deutschland aufeinander prallten, für den gesellschaftlichen Konflikt. Den haben die RAF und der Staatsapparat stellvertretend für die bundesrepublikanische Gesellschaft ausgetragen.

Aufgezeichnet von Anne Seith

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