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Donald Burke, Kenner der Craft-Bier-Szene, war früher Tätowierer in Kanada. Sein Lieblingsbier schmeckt nach Kuchen.

© Mike Wolff

Craft-Bier-Experte Donald Burke: "Was, bitte, ist ein normales Bier?"

Er ist der Mann, der den Berlinern Durst auf Craft-Bier machte. Eine Missionsarbeit mit Hindernissen, wie Donald Burke zum internationalen Tag des Bieres erzählt.

Von Kai Röger

Donald Burke ist ein Pionier. In Berlin stellte er die wohl erste Craft-Bier-Karte zusammen, im Burger-Laden „The Bird“ in Prenzlauer Berg war das damals, als der Gast noch „ein Bier, bitte!“ bestellte, wenn er durstig war, etwas Ungewöhnliches. Der ehemalige Tätowierer aus Kanada gilt mittlerweise als einer der besten Kenner der Szene. Warum er keinem Biertrinker über 35 traut, sein Lieblingsbier nach Pekan-Nusskuchen schmeckt, und warum er ein Dosenbier einer Flasche immer vorzieht, verrät er im Interview.

Warum sehen die Etiketten von US-Craft-Bieren eigentlich so oft aus wie Heavy-Metal-Plattencover?

Ja, manche tun das. Andere lieben diesen Comic-Style: Die Brauerei Beavertown etwa hat viele Totenköpfe in Pop Art auf den Dosen. Brew­dog aus Schottland macht auf Hardcore; ihr Hauptbier heißt ja nicht ohne Grund Punk IPA. Mit dem radikalen Ansatz sind sie mittlerweile eine ziemlich große Brauerei geworden, ihr Image aber ist immer noch der Mittelfinger für die Etablierten.

Stone Brewing hat es mit dem gruselig aussehenden Gargoyle, einem mittelalterlichen Wasserspeier als Logo, zu einer der größten Brauereien im Craft-Segment geschafft.

Stimmt. Aber eine der größten zu sein, heißt nicht automatisch, dass man groß ist. Amerika ist das Land mit dem höchsten Craft-Bier-Anteil der Welt. Der liegt bei etwa 20 Prozent. Das heißt aber, dass sich 80 Prozent noch Coors, Budweiser und so weiter aufteilen.

Wie hoch ist denn der Marktanteil in Deutschland?
Vielleicht ein Prozent. Die letzten Jahre haben wir immer darüber Witze gemacht, ob wir hier jemals die Zwei-Prozent-Marke knacken können. Ich bin da zuversichtlich. Ich glaube, ich erlebe das noch. Die Szene wächst rapide. Das erste Mal, dass ich über ein deutsches Craft-Bier gestolpert bin, muss vor acht Jahren gewesen sein. Das kam von der Crew Alewerkstatt, jetzt Crew Republic, aus München. Heute stammen von zehn Bieren, die ich zapfe, sieben aus Berlin.

Auf den Etiketten deutscher Craft Biere muss man immer viel lesen. Die wirken viel sachlicher, als müsse etwas begründet werden. Warum?

Die deutsche Bierkultur ist verwurzelt in der Tradition, das zeigt sich auch am Artwork. Anders in Amerika. Die Biere, die vorher auf dem Markt waren, waren nicht besonders gut. Entsprechend wollten die Craft-Brauer die Bierkultur ganz neu definieren. Man sollte sofort sehen, dass sie eine neue Richtung einschlagen wollen.

Als Craft-Bier in den USA loslegte, war der typische Biertrinker eine Art Homer Simpson, heute prägen Leute mit Bart, Tätowierungen und Piercings die Szene – ähm, Leute wie Sie.

Alles begann schon als Hipster-Ding, aber heute ist es viel mehr. Viele, die gern Wein trinken, interessieren sich jetzt auch für Bier, weil sich das Geschmacksprofil ähnelt. Es ist definitiv einfacher, einen Weintrinker zum Craft-Bier zu bekommen als einen klassischen Biertrinker.

Weil Weintrinker mehr nach Geschmack gehen?

Bierfreunde trinken am liebsten, was sie gewohnt sind. Auch in Amerika. Der typische Bud-Trinker will keine Experimente, keinen Flavor-Punch, sondern etwas, von dem man auch mal zehn Flaschen trinken kann.

Die Deutschen gelten als bierkonservativ. Wollen die überhaupt eine Auswahl von 20 Bieren vom Fass?

Ich bin da auch nicht so sicher. Eine Formulierung, die mich wahnsinnig macht, ist: "Ein normales Bier, bitte." Es gibt 196 anerkannte Bierstile und etliche Untergruppen. Was, bitte, ist ein normales Bier?

Der Berliner Craft-Bier-Hype startete im „The Bird“. Sie haben damals die Biere ausgewählt. Was waren denn so die Reaktionen?

Die negativste kam lustigerweise vom Wirt. Ich hatte ein paar Sachen von der Crew Alewerkstatt geordert, und wir verlangten vier Euro für eine kleine Flasche. Er meinte: "Das zahlt kein Mensch, du bist wahnsinnig." Ich sagte, abwarten. Die Gäste hatten kein Problem – was auch daran liegt, dass viele Expats zu uns kommen.

Die meisten denken bei Craft-Bier automatisch an IPA. Bildet das die Szene eigentlich noch akkurat ab?

Mittlerweile gibt es auch Lager, Pils oder viele Sauerbiere. Weizen, Berliner Weiße, Geuze. Viele deutsche Bierstile sind in den USA gerade sehr beliebt. Auch Altbier oder Kölsch werden oft gebraut – Kölsch Style heißt das dann.

In Ihrer Nachbarschaft ist die "Monterey Bar", betrieben von einem Australier, und "Birra" ist auch gleich um die Ecke. Die Bar machen Italiener. Hinkt Deutschland hinterher?

Jedes deutsche Nachbarland ist, was Craft-Bier angeht, weiter als Deutschland selbst. Die traditionelle Bierkultur ist hier eine Identitätsfrage. Länder wie Frankreich haben keine derart ausgeprägte Bierkultur, deshalb war es für Craft- Bier leichter, sich als etwas Neues zu etablieren. Deutschland hält sich für das beste Bierland der Welt, warum also etwas ändern? Allerdings gerät man mit dieser Mentalität ins Hintertreffen. Es ist ja das einzige Land der Welt mit einem Biergesetz, dem Reinheitsgebot, das war auch gutes Marketing. Gäbe es ein Reinheitsgebot für Autos, wo wäre Mercedes heute?

Craft-Bier-Dosen machen ganz schön auf Rock'n'Roll, will man doch vor allem eines sein: anders als die anderen.
Craft-Bier-Dosen machen ganz schön auf Rock'n'Roll, will man doch vor allem eines sein: anders als die anderen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wie ist denn das Standing von deutschem Bier in der Welt?
Es hat noch ein starkes Standing. Ich mache manchmal den Witz, dass man ein Sternburg in den USA für fünf Dollar verkaufen könnte. Einfach, weil es deutsches Bier ist.

Ist der Craft-Bier-Hype eigentlich über den Zenit?

Nein. In jedem Land, in dem Craft-Bier ankam, ist der Markt gewachsen und wächst noch. Ich denke, solange der amerikanische Markt wächst, wird das auch noch so weitergehen. Deutschland ist ein junger Markt – mit jungen Trinkern. Craft-Bier-Trinker über 35 sind hierzulande selten.

Vom Fass, aus der Dose oder aus der Flasche – was bevorzugen Sie?

Fass und Dose – wobei ein Fass ja wie eine große Dose ist. Eine Flasche hat viele Schwächen. Das Licht kann ein Problem sein, es kann den Geschmack verändern. Der Verschluss kann nicht 100 Prozent dicht sein, das kann zu Oxidation führen. Es gibt viele Brauereien in den USA, die nur noch Dosen verkaufen.

In Deutschland gelten die als etwas Billiges.
Ja, sie sind schlecht beleumundet. Dose ist gleich schlechtes Bier. Tatsächlich ist es aber die bessere Verpackung, um den Geschmack zu erhalten. Das Pfandsystem macht es zusätzlich schwer. Auf eine Dose werden 25 Cent aufgeschlagen, auf eine Flasche nur 8 Cent. Die Ersten schwenken aber um: Motel, eine neue Brauerei in Berlin, macht nur Dosen.

Was sind denn Ihre Lieblingsbiere?

Ein Pecan Pie Bier von Terapin und Cigar – das wirklich nach Kuchen schmeckt. Mikkeler hat mal eine Serie mit spontan vergorener Gerste gemacht. Das spontan vergorene Cassis-Bier ist auch so ein Superbier. Aber ich probiere so viele, da ist es nicht einfach, eines auszuwählen. Das Bier, das ich am meisten trinke, ist Rothaus Pils. Einfach, weil man das an jeder Ecke bekommt Trinkt sich gut weg.

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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