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Meine Frau, ihr GARTEN… und ich: Ein Wunder im August

Es soll ja Leute geben, die halten so einen Garten für ein Stück Natur. Was für ein Unsinn.

Von Andreas Austilat

Wenn das da draußen Natur wäre, dann würde vielleicht die Brennnessel dominieren oder der Löwenzahn oder der Giersch, ja, ganz bestimmt der Giersch. Nein, jenseits unseres Terrassenfensters wächst das Produkt unserer Hände Arbeit. Oder sagen wir der Fairness halber, dreier Hände Arbeit, eine von mir und zwei meiner Frau.

Habe ich schon mal erwähnt, dass meine Frau ein strenges Regiment führt? Wer oder was sich nicht bewährt, fliegt raus aus unserer kleinen Gemeinschaft! Es gibt da vor dem Rausschmiss allerdings Abstufungen. Ich habe das mal die Eins-A-Lage und die Eins-B-Lage genannt. Eins-A ist die Schauansicht durchs Terrassenfenster, Eins-B ist der Vorgarten, da gucken wir nur hin, wenn wir das Haus verlassen. Es gibt Pflanzen, die wurden gewissermaßen nach vorne strafversetzt. Zur Bewährung.

Der Falsche Jasmin hat diesen Weg hinter sich. Selber schuld, dachte ich noch, ist ja auch kein echter. Ein Kuckuckskind gewissermaßen, eingeschlichen unter falschen Voraussetzungen.

Wie unwissend ich war. Falscher Jasmin ist im Grunde gar kein Jasmin, sondern ein Hortensiengewächs, das im Gegensatz zum Echten Jasmin bei uns auch draußen überwintern kann. Egal, irgendetwas an diesem Falschen Jasmin passte meiner Frau nicht und so kam er nach vorn.

Dort machte er sich zunächst ganz gut. Immer im Juni und Juli blühte er schneeweiß und ziemlich dicht, der Strauch war ein guter Lückenfüller für den Halbschatten. Dann fügte es sich, dass die Gaswerke vergangenes Jahr spät im Herbst bei uns im Vorgarten größere Erdarbeiten ausführten. Auf der Strecke blieb der Falsche Jasmin.

Er erlebte seinen Jaxit: Der Falsche Jasmin verlor seinen Platz im Zuge der Umgestaltung. Viel zu spät und reichlich lustlos entschloss sich meine Frau, ihn dann doch wieder einzupflanzen. In einer Rand-Randlage. Der arme Strauch war noch einmal herabgestuft worden.

Der Falsche Jasmin reagierte wie ein Staat am Rande des Offenbarungseids, der jeden Kredit verloren hatte, er verkümmerte. An und für sich immergrün, war er im Frühjahr nackt und kahl. Das änderte sich nicht im Juni, und auch im Juli: keine Blüte nirgends.

Das war‘s dann wohl, dachten wir ein bisschen beschämt. Selbst meine in diesen Dingen so strenge Frau guckte bekümmert. Hatte der Falsche Jasmin das verdient?

Und nun, im August – das Wunder. Plötzlich sprießt zartes Grün. Hat der Falsche Jasmin uns die harte Haltung vergeben? Oder kämpft er einsam und trotzig ums Überleben?

Ich muss mich wieder mal korrigieren. So ein Garten ist schon noch ein bisschen Natur. Trotzdem sollten wir jetzt eingreifen und ihm helfen.

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