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Es muss ja nicht unbedingt ein eigenes Auto sein.

© dpa

Austilat spart: Warum Carsharing die Stadt nicht autoärmer macht

Wie ich mobil blieb und dabei ins Schwitzen kam.

Von Andreas Austilat

Wir fahren einen Diesel. Der gilt neuerdings in der öffentlichen Diskussion als alt. Ich versichere, er ist erheblich jünger als unser zehn Jahre alter Hund – letzterem geht es übrigens gut, einige Leser hatten nach der vergangenen Kolumne offenbar Zweifel daran. Zurück zum Diesel: Wahrscheinlich wird man uns mit diesem Wagen schon bald nicht mehr vom Berliner Südwesten aus in die Innenstadt lassen. Abgesehen davon, dass ich mir das Parken dort dann sowieso nicht mehr leisten könnte.

Deshalb habe ich mir eine Zugangskarte von „Drive Now“ besorgt: Ich mache jetzt Carsharing. Das mit dem eigenen Auto hat doch in Berlin keine Zukunft mehr. Bevor jetzt jemand fragt, warum überhaupt ein Auto – natürlich habe ich auch eine Jahreskarte der BVG und ein Fahrrad. Das Auto ist für die längeren Strecken.

Ich hätte auch zu „Car 2 Go“ gehen können, doch die haben mich verärgert, weil sie unsere Gegend schon vor einer Weile einfach von ihrem Stadtplan gestrichen haben. „Drive Now“ hat die Straße noch nie berücksichtigt, auch bei denen endet das Geschäftsgebiet gut einen Kilometer von unserer Haustür entfernt. Aber sie haben mich mit einer Menge Freiminuten und einer beinahe geschenkten Einstandsgebühr geködert.

Der Wagen war für zehn Minuten reserviert

Es kam der Tag, für den eine Familienfeier geplant war. Kühn schlug ich vor, wir würden mit „Drive Now“ zum Ort des Geschehens fahren – bevor die Freiminuten verfallen. Gute Idee, fand meine Frau, zumal sie erst im Büro ihr Lieblingskleid und dazu die hochhackigen Schuhe anziehen wollte. „Hol’ mich doch bitte dort ab“, sagte sie.

Ich startete von zu Hause, also außerhalb der „Drive Now“-Zone. In meinem guten Anzug. Auf meinem Handydisplay sah ich, da wartet ein Wagen auf mich, in etwa zwei Kilometern Entfernung. Für zehn Minuten würde er reserviert sein. Ganz schön knapp. Ich fing an zu rennen, erreichte vollkommen verschwitzt ein mir fremdes Auto, brauchte eine Weile, bis ich zurechtkam. „Wo warst du denn solange?“, fragte meine Frau, „und wie siehst du überhaupt aus?“

Wir erreichten wohlbehalten unseren Bestimmungsort. Beinahe wenigstens, auch der lag ein kleines Stück außerhalb der „Drive Now“-Zone. Meine Frau knickte auf ihren hohen Absätzen um, zweimal.

Am nächsten Tag zog ich Bilanz: Alle Orte, die ich mit „Drive Now“ erreichen kann, liegen dort, wo das Bahn- und Busnetz am dichtesten ist. Wo ich aber einen Wagen bräuchte, werde ich den am Ende nicht mehr los. Ich fürchte, die Innenstadt zu entlasten, ist mit diesem Konzept gar nicht vorgesehen.

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