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Der Kiwi.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (18): Der Kiwi

Sie sind klein, rund und unscheinbar.

Dass diese Bodenbewohner aus Neuseeland zu den Laufvögeln gehören, also mit den kräftigen Straußen verwandt sind, darauf kommt man bei ihrem Anblick nicht. Kiwis können sich weder so majestätisch bewegen noch sind sie so wehrhaft wie ihre großen Verwandten. Die Flügel sind zu Stummeln zurückgebildet und machen das Fliegen unmöglich. Alles in allem kein eleganter Eindruck. Schnepfenstrauße nennen die Biologen sie. Ja, der Kiwi ist ein Plumpsack.

Im wörtlichen Sinn: Ohne seinen Schnabel würde er umfallen. Deshalb sieht man die Vögel kaum aufrecht stehen, ständig bewegen sie sich geduckt vorwärts – wie Kreaturen, die unter Rückenbeschwerden leiden. Der krumme Schnabel dient den Kiwis dabei als Stütze und Balance. Da der Vogel keinen Schwanz hat, tariert er damit das Gewicht seines Hinterteils aus. Wenn er döst, stützt er sich auf den Schnabel „wie auf eine Krücke“, sagt Biologe Ragnar Kühne aus dem Zoo Berlin.

Für Kiwis ist das Körperteil jedoch noch aus einem anderen Grund sehr wichtig. Es ist ein „hochleistungsfähiges Organ“, wie Kühne sagt. Apteryx mantelli – der Streifenkiwi, eine der fünf Unterarten, und die einzige, die im hiesigen Zoo gehalten wird – riecht nämlich damit so gut wie sonst nur die Geier im Vogelreich. Eine Studie der neuseeländischen Universität Massey hat sogar herausgefunden, dass das olfaktorische Zentrum des Kiwis im Vergleich zu seinem Großhirn nur noch vom Kondor übertroffen wird – dem König der Anden.

Am Ende des gebogenen Schnabels liegen zwei Nasenlöcher. Damit nimmt der Kiwi Gerüche wahr. Wenn er nachts auf Nahrungssuche geht, saugt er so Luft ein und aus, schnüffelt wie ein kleiner Igel und stochert dann im Boden nach Insekten. „Der Schnabel ist auch ein elektrisches Sinnesorgan“, sagt Ragnar Kühne. Der Kiwi kann damit elektrische Felder wahrnehmen, wenn sich ein Tier bewegt. Dadurch bemerkt er Würmer, selbst wenn sie verborgen im Erdreich kriechen.

Noch eine Spezialisierung: An der Schnabelbasis haben Kiwis Fühlfedern entwickelt. Auch sie nehmen Bewegungen und Luftströme wahr und sind zusätzliche Tastorgane. Wie vogeltypische Federn sehen sie allerdings nicht aus. Da die Kiwis das Fliegen vollkommen verlernt haben, erinnert die Behaarung eher an ein kleines Säugetier, wenn man mit der Hand darüberstreift.

Warum der Kiwi so gut wahrnehmen kann? Weil seine Sicht katastrophal ist. Das ist sehr untypisch für Vögel. Ein Eisvogel kann einen Fisch noch im Flug erkennen, ein Kiwi würde sterben, wenn er sich auf sein Sehvermögen verlassen müsste. Deshalb sind die unbeholfenen Tiere nachtaktiv. „Die kommen erst raus, wenn es draußen richtig dunkel ist“, sagt Kühne. Den Tag verbringen sie versteckt in Mulden oder selbst gegrabenen Höhlen – sowohl im Buschland wie in den dichten Wäldern Neuseelands.

Geholfen hat dem Kiwi seine Anpassung leider nicht, seit der Mensch Neuseeland besiedelt. Von vermutlich 23 Millionen Exemplaren am Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Population heute auf etwa 75 000 gesunken. Ulf Lippitz

KIWI IM ZOO

Lebenserwartung:  20 Jahre

Besonderheit: In der Fasanerie können Besucher per Kamera in die Schlafkiste der zwei Jungtiere aus diesem Jahr sehen.

Interessanter Nachbar: Kagu, Dolchstichtaube, Nasenbär

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