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Lama

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (28): Das Lama

Bei den Lamas ist nicht der stärkste Hengst Chef, sondern der besonnenste. Gespuckt wird auch kaum - dafür geniest.

Also los, Arika, bringen wir’s hinter uns. Tu, was von deinesgleichen erwartet wird, wenn ein Fremder ins Gehege eindringt. Spuck. Mich. An. Taschentücher sind griffbereit.

Arika mag heute nicht spucken. Nur aus der Nähe schnuppern. Und dann aufmerksam jeden Schritt des Besuchers über die Wiese verfolgen. Der Kopf auf dem irrwitzig langen Hals dreht sich dabei wie ein U-Boot-Periskop. Die Ohren nach vorn geklappt, das heißt: neugierig.

Arika hat noch nie gespuckt, behauptet Zoo-Kurator Tobias Rahde. Nicht einmal in Extremsituationen, zum Beispiel, wenn die Lamas alle zwei Jahre geschoren werden. Vier Kollegen sind dann nötig, um ein Tier zu Boden zu drücken.

Der Spuckmythos beruht auf einem Missverständnis, sagt Kurator Rahde. „Lamas sind weder zickig noch boshaft noch aggressiv.“ Sie haben bloß Probleme mit der Nahrungsaufnahme. Beim Schlucken bleibt ihnen öfters etwas Kratziges im Rachen stecken. Dann müssen sie niesen, und ein feiner Sprühregen verteilt sich über die Umstehenden. Rahde hat den schon mehrfach abbekommen.

Berliner Zoo-Besucher brauchen sowieso keine Angst zu haben. Sie schaffen es nicht mal in Reichweite. Die vier Lamas sind in einem der sogenannten Schaufenster-Gehege am Nordende des Parks untergebracht, einsehbar nur von den Spaziergängern am Landwehrkanal und dort auch bloß über Hecke und Trockengraben hinweg. Im Zoo selbst lassen sie sich lediglich aus der Ferne betrachten: durch den Zaun hinterm Gehege der Oryxantilopen.

In den Anden wurden Lamas früher millionenfach als Nutztiere gehalten. Bis die Europäer den Kontinent eroberten und eigenes Vieh mitbrachten. Das Lama trägt weniger Last als Esel und Pferd, produziert nicht so viel Wolle wie ein Schaf. Es wurde schlicht überflüssig. Dafür erlebt es heute ein überraschendes Comeback – und zwar weltweit. Das verdankt es seinem Hütetrieb. Lamas passen auf Artgenossen auf, alarmieren sich gegenseitig, wenn sich Pumas nähern. Herdenintern wird nicht der stärkste oder schönste Hengst Chef, sondern der besonnenste – der also nicht bei jedem Gewitter davonrennt. Verhaltensforscher fanden heraus, dass die lamaschen Schutzinstinkte auch artübergreifend wirken. Daher werden nun einzelne Exemplare größeren Ziegen- und Schafherden beigesetzt, sogar für das Wohl von Hühnern fühlen sie sich verantwortlich. Die Verluste der Landwirte gehen um bis zu 70 Prozent zurück. Wer auf „Youtube“ nach „Guard llama“ sucht, kann reihenweise bestaunen, wie Lamas Füchse und Hunde verjagen, um sie von den ihnen anvertrauten Schafen fernzuhalten.

Tobias Rahde, der Zoo-Kurator, hat heute einen Eimer mit zerbrochenem Zwieback dabei. Lama-Delikatesse. Es dauert keine Minute, da muss das erste Tier niesen. Zum Glück in die andere Richtung. Es gibt übrigens eine Ausnahme, sagt Rahde. Wenn rivalisierende Hengste untereinander streiten, könne es schon passieren, dass ein Tier mal absichtlich spuckt. In dem Fall wird es allerdings unappetitlich, denn dann spritzt das Lama der Konkurrenz Magensäure mit halb verdauten Nahrungsresten ins Gesicht. Grün und zäh und stinkend sei die, richtig eklig. Aber nur die Ruhe, sagt der Kurator. Die vier Tiere im Berliner Zoo sind allesamt Stuten.

LAMA IM ZOO

Lebenserwartung:  25 Jahre

Was es frisst: hauptsächlich Gras und Heu

Interessanter Nachbar: Oryxantilope

Vorherige Schnauzen: Asiatische Löwinnen, Flachlandtapir, Sekretär

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