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Berliner Schnauzen (31): Afrikanischer Klaffschnabel

Für Alfred Brehm waren sie Sumpfgeflügel, für Martin Kaiser vom Tierpark sind sie ganz besondere Vögel - diese schwarzen Störche aus Afrika.

Als Martin Kaiser den Verschlag in der Vogelaufzuchtstation öffnet, beginnt der junge Storch sein Bettelprogramm. Der schwarze Vogel rollt den Kopf erst nach links, dann nach rechts, er schlägt mit den Flügeln, krächzt, krächzt und krächzt. Der Klaffschnabel will Futter, obwohl vor ihm in einer Schale noch klein gehacktes Fleisch liegt – Eintagsküken. Aber das ist der Pawlow’sche Reflex bei Handaufzuchten: Tür auf, Mensch rein, Schlund auf.

„Er hat nicht so eine tolle Stimme“, gibt Martin Kaiser, der Vogel-Kurator des Tierparks zu. Er ist trotzdem ganz stolz auf diese afrikanischen Störche, die etwas kleiner als unsere hiesigen Weißstörche sind. In Zoos sind sie nämlich selten anzutreffen. Obwohl die Stelzvögel in ihrer Heimat, den Feuchtgebieten südlich der Sahara, in riesigen Kolonien leben und ihr Bestand nicht bedroht ist.

Der Zoologe Alfred Brehm beschrieb ihn 1882 so: „Ich beobachtete ihn am Blauen Flusse, nicht nördlich des fünfzehnten Grades der Breite, hier aber manchmal in sehr zahlreichen Scharen, welche dicht gedrängt längs des Flußufers und theilweise im Wasser saßen, sich stets zusammenhielten und mit anderen Thieren wenig abgaben, obwohl auch sie sich zeitweilig auf dem allgemeinen Sammelplatze des Sumpfgeflügels einfanden.“

Klingt etwas hochschnäblig, ist jedoch nicht der Grund für ihre Seltenheit in zoologischen Einrichtungen. Klaffschnäbel ziehen in Gefangenschaft kaum Nachwuchs groß. Der Tierpark ist eine der großen Ausnahmen. Dieses Jahr gab es sogar zwei Jungvögel, und beide sind Handaufzuchten. In den vergangenen Jahren haben die Pfleger schlechte Erfahrungen gemacht, die Elternvögel konnten ihre Brut nicht ernähren. Deshalb leben beide nun in einem von Besuchern abgetrennten Teil hinter dem Reptilienhaus. Die erwachsenen Tiere fliegen derweil mit anderen Stelzvogelarten durch die Voliere nahe dem Alfred-Brehm-Haus.

Wie der junge Afrikanische Klaffschnabel so flattert und bettelt, ist er keine Schönheit. Martin Kaiser ist trotzdem begeistert. „Das ist ein ganz besonderer Vogel“, sagt er – denn dieser Storch ist ein Techniker. Ein einzigartiger Schnabelkünstler. Der Vogel ernährt sich von Mollusken – Weichtieren wie Schnecken und Muscheln. Das würde normalerweise für Vögel bedeuten: Schnecken erbeuten und sie mit aller Kraft aufhebeln, sei es mit Krallen oder Schnäbeln, oder auf der harten Schale so lange herumzuhacken, bis diese zerbricht.

Der Afrikanische Klaffschnabel macht es anders. Im seichten Wasser watet er auf seinen drei Zehen, schnappt sich die Tiere, presst sie mit dem Oberschnabel auf den Boden, während er mit dem scharfen Unterschnabel das Muskelfleisch durchtrennt, mit dem die Tiere ihre Gehäuse verschließen. Für diese besondere Jagd hat sich der Klaffschnabel besonders angepasst. Zwischen dem Ober- und Unterschnabel klafft ein sechs Millimeter breiter Spalt – daher kommt sein Name. So kann er seine Beute besser fassen. „Dieses Verhalten gibt es nur bei diesen Tieren“, sagt Martin Kaiser. Im Tierpark können sie das allerdings nicht vorführen. Mollusken gibt es hier nicht, dafür tote Küken. Ulf Lippitz

AFRIKANISCHER KLAFFSCHNABEL IM TIERPARK

Lebenserwartung:  30 Jahre

Besonderheit: Zwei Jungvogelaufzuchten in diesem Jahr

Interessanter Nachbar: Hammerkopf, Hagedaschibis

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