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Endlich wieder zu Hause. Dieses Przewalski-Pferd aus dem Prager Zoo wurde 2016 in der Mongolei, seiner ursprünglichen Heimat ausgewildert.

© imago/CTK Photo

Berliner Schnauzen: Warum Przewalski-Pferde doch keine echten Wildpferde sind

Ihre Entdeckung vor 140 Jahren war eine Sensation. Nun haben Forscher die wahre Herkunft der Przewalski-Pferde nachgewiesen. Pflegern im Tierpark ist der kleine Unterschied egal.

Tarek kam am kältesten Tag des Jahres. Vor zwei Wochen, als Berlin bei zweistelligen Minustemperaturen ein bisschen Sibirien spielte, kleiner Willkommensgruß aus der alten Heimat. Tareks Vorfahren bevölkerten einst die mongolische Steppe, gar nicht so weit weg von Sibirien. Weil das jetzt aber auch schon 5000 Jahre her ist, hat der Tierpfleger René Walther zur Begrüßung seines neuen Schützlings im Tierpark nicht so sehr an die Ahnengalerie der Przewalski-Pferde gedacht. Sondern nur an den nächsten Tag. Tarek war von Haupt bis Huf mit Fruchtwasser benetzt, und Walther graute es vor dem Morgen nach dem nächtlichen Frost: „Hoffentlich ist Tarek bis dahin kein Eisblock.“

Es ist alles gut gegangen. Die Mutterstute Tibeta widmete sich eine ganze Nacht lang mit ihrer riesigen Zunge dem Fohlen, durchaus interessiert beobachtet vom Rest der nunmehr zwölfköpfigen Friedrichsfelder Przewalski-Population, die sich im Halbkreis um den Neuankömmling versammelt hatte. Am nächsten Morgen stakste ein rundum trockener Tarek gegen die Kälte an, selbstverständlich in Begleitung von Mutter, Vater und allerlei Tanten und Onkels. Przewalski-Pferde kommen gern in kleineren Herden zusammen, diesen Brauch pflegen sie seit alten mongolischen Zeiten.

René Walther hat seine Herde dem Publikum immer als einzige noch erhaltene Unterart des Ur-Wildpferdes angepriesen. Vor ein paar Wochen aber wies ein internationales Forscherteam nach, dass die Przewalski-Pferde von den mongolisch domestizierten Botai-Pferden abstammen, also keine Wildpferde sind, sondern lediglich verwildert. Macht nichts, sagt René Walther, und dass ihm dieser kleine Unterschied genauso egal sei wie den vielen Kindern, die im Sommer vor dem Przewalski-Gehege aufmarschieren und den kleinen Tarek feiern werden.

Zoos helfen bei der Zucht und Auswilderung

Seinen Namen verdankt das Equus ferus przewalskii dem russischen Forschungsreisenden Nikolai Michailowitsch Przewalski, der vor 140 Jahren eine Expedition an die östlichen Ränder des Zarenreiches unternahm. Die Entdeckung der gedrungenen Pferde mit dem Fellkleid, dunklem Schweif, der Borstenmähne und dem im Verhältnis zum stämmigen Rumpf riesig wirkenden Kopf war eine zoologische Sensation. Schon Ende des 19. Jahrhunderts waren Przewalski-Pferde galoppierende Mythen, so selten wagten sie sich unter menschliche Augen. Irgendwann waren sie dann weg. Das letzte frei lebende Exemplar wurde 1969 in der Mongolei gesehen.

Dass heute wieder eine nennenswerte Population von geschätzt 200 Tieren in der Großen Gobi grast, ist den so oft so schwer kritisierten Zoologischen Gärten zu verdanken. Zu den Gärten, die sich unter Federführung des Pragers Zoos um Zucht und Auswilderung verdient machen, gehört auch der Berliner Tierpark, dessen Kurator Christian Kern gerade erst seinen Urlaub zu diesem Zweck in die Mongolei verlegt hat. Alle paar Jahre muss der Tierpfleger René Walther einen seiner Zöglinge auf die Reise schicken.

Zuletzt machte sich 2013 eine Berliner Stute names Barca auf den Weg ins Land ihrer Ahnen, vielleicht ist auch der kleine Tarek irgendwann mal dran. Erst mal stakst er bloß auf dem weitläufigen Gehege in Friedrichsfelde seine Runden und bereitet sich auf den kommenden Sommer vor.

Przewalski-Pferd

Lebenserwartung:  20 Jahre

Interessanter Nachbar: Gibbon

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