zum Hauptinhalt
Gaukler stehen, wie alle Greifvögel, unter Artenschutz.

© imago/imagebroker/Ch. Heinrich

Berliner Schnauzen: Warum wir unbedingt mehr Gaukler brauchen

Madame und Monsieur im Tierpark versuchen es immer wieder aufs Neue. Trotzdem haben sie es mal gerade auf ein befruchtetes Ei geschafft, ohne Schlupf.

Dass es nun endlich Sommer wird, könnten wir den Gauklern zu verdanken haben. Vielleicht haben sie unsere Bitten erhört und sind ein wenig höher geflogen als ihre üblichen 100 Meter, um da oben Bescheid zu geben, dass nun wirklich Schluss sein muss mit dem Winter.

Zwar hatten Madame und Monsieur es kuschelig warm, bei 15 Grad im Winterquartier des Tierparks. Aber das, was ein Gaukler tut, wenn er tut, was er tun muss, ging hier schlecht: nämlich durch die Lüfte wirbeln, Loopings und Pirouetten drehen, Purzelbäume schlagen, Kapriolen vorführen. Nun sind unsere Gaukler weder Schwindler noch Spaßmacher, es sind einfach nur Greifvögel aus den Savannen Afrikas, genauer gesagt aus dem südlichen Saharabereich, mit einem nicht so ganz zutreffenden Namen.

Bateleur wird er im Französischen gerufen, was eben auch den Seiltänzer meint, respektive die Seiltänzerin. Und das trifft es schon eher. Was den Seiltänzern die Stange, ist den Gauklern ihre Spannweite bis zu 190 Zentimeter. Im Vergleich zu ihrer Rumpfgröße ist das extrem weit, und damit können sie, auch in der Sommerresidenz, der großen Voliere, ihre akrobatische Flugshow abziehen. Nicht nur, aber besonders zu Zeiten der Balz.

Es will einfach nicht klappen

Die hat der zögerliche Lenz bislang verhindert. Madame und Monsieur sind sich innig zugetan, passen auch genetisch gut zusammen, versuchen es immer wieder aufs Neue, aber seit 1999, seit sie aus Wien kommend Berliner sind, haben sie es mal gerade auf ein befruchtetes Ei geschafft, ohne Schlupf. In diesem Fall kann man die fröhlichen Gauklerspiele in den Lüften wohl l’art pour l’art nennen. Immerhin sind die beiden bei einer Lebenserwartung von etwa 40 Jahren mit ihren 28 noch nicht ganz über dem Zenit.

Möglicherweise lebt es sich auch recht gut in der Komfortzone ohne Elternschaft. Ruhen, Gefiederpflege, das sind die Dinge, die den Gaukler derzeit beschäftigen. Absturzgefahr wie bei zweibeinigen Seiltänzern besteht nicht. Auch die lästige Nahrungssuche mit Sturzflügen aus großer Höhe hinab auf Reptilien, Kleinsäuger, Insekten, Käfer, Gänse entfällt, wenn das Mahl von den Tierpflegern gereicht wird. Die müssen allerdings vorsichtig sein, die scharfen Krallen kann der muntere Gaukler im Notfall durchaus wehrhaft als Waffe einsetzen. Es hat schon heftige Kopfverletzungen bei leichtfertigen Pflegern gegeben, die ohne Kopfschutz ins Revier eindrangen. Natürliche Feinde kennen die Gaukler eh keine, zu wendig sind sie, zu hoch fliegen sie, wer wollte ihnen an die Federn?

Manche verenden an einer DDT-Vergiftung

Gaukler stehen jedoch, wie alle Greifvögel, unter Artenschutz. Das liegt am Menschen, dem schon wieder. Der vernichtet Gauklers Lebensraum der Akaziensteppe. Der versprüht Pestizide, erschwert dem Gaukler durch Entzug der Grundlage die Nahrungssuche und -aufnahme, es wurden schon Gaukler aufgefunden, die an einer DDT-Vergiftung verendet sind.

Aber unsere Flugkünstler sind davor gefeit. Also Madame et Monsieur Bateleur, allez. Geschlechtsreif sind beide seit ihrem fünften Geburtstag. Zwei Monate Brutzeit sind überschaubar, und die sechs Monate, die der Nachwuchs im Nest auf einem Baum in zehn Meter Höhe verbringt, gehen auch vorbei.

Wir brauchen Gaukler. Wer zeigt uns sonst so wunderschön in den Lüften, was Freiheit ist.

Gaukler im Tierpark

Lebenserwartung:  bis zu 40 Jahren

Natürliche Feinde: keine

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false