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Freddy Leck in seinem Salon an der Moabiter Gotzkowskystraße 5

© Kitty Kleist-Heinrich

Besondere Waschsalons: Unter Salonlöwen

Bisher galt: Wer seine Schmutzwäsche in den Waschsalon trägt, lebt im Fusselsieb der Gesellschaft. In Moabit und Mitte geht es ganz anders – mit Kaffee und Kuchen.

Wenn die Waschmaschinen leise rotieren und der Geruch von Weichspüler in die Nase steigt, existiert kein Dirk Martens mehr. Dann gibt es nur noch „Freddy Leck“. „Schön, dass du wieder da bist, Freddy“, ruft eine rundliche Frau, als der Chef im Rippshirt durch seinen Laden eilt.

„Freddy Leck sein Waschsalon“ in der Moabiter Gotzkowskystraße ist längst eine Institution. Goldene Tapete und Kronleuchter, dazu eine fromm dreinblickende Marienstatue in der Ecke: Das Interieur hat wenig gemein mit dem Bild vom Waschcenter in Chrom und Weiß, in dessen grellem Neonlicht man keine Minute länger als nötig verbringen möchte. Vor Lecks Salon sitzt ein Paar in den Sechzigern, beim Cappuccino genießt es die Vormittagssonne. Drinnen plätschert klassische Musik, auf dem Tisch stehen Tulpen.

Wie kann es da sein, dass eine aus der Zeit gefallene Institution wie der Waschsalon wieder Kundschaft anzieht?

Robert und Roland studieren Jura in Berlin, erst vor drei Wochen sind sie hergezogen. Eine Waschmaschine haben sie nicht. „Wir haben ein bisschen mehr dabei“, rufen sie Freddy Lecks Mitarbeiterin zu und stellen ihre Ikea-Tasche vor der größten Trommel ab. 16 Kilo passen in die Maschine, in alle anderen bloß sechs. Das kostet aber auch 8,50 Euro. Für die kleine Menge gäbe es den „Service light“: Waschen und trocknen, inklusive Waschmittel und Weichspüler für scharf kalkulierte 6,45 Euro.

Etwa 500 Waschsalons gibt es in Deutschland, schätzt Josef Schärringer vom Verband der Wasch-Center-Betreiber. Tendenz leicht steigend. Darunter vor allem SB-Center ohne Service. Aber eben auch Läden namens „Trommelwirbel“ oder ,,Schongang“, die warmes Essen, Lesungen und Kinderspielnachmittage anbieten.

Freddy Leck alias Dirk Martens hat 1985 zum ersten Mal einen Waschsalon betreten, am Münchner Gärtnerplatz. Just in jenem Jahr, in dem Stephen Frears’ Hommage „Mein wunderbarer Waschsalon“ in die Kinos kam. Ein schwules Paar päppelt darin ein SB-Center in London auf. „Warum können Leute Schnellwäschereien nicht leiden?“, fragt der junge Omar seinen Partner. Und gibt gleich selbst die Antwort: „Weil sie wie Toiletten aussehen.“ Ein wenig Farbe und neue Maschinen reichen im Film aus. In der Realität darf es gerne ein Kaffee zur Überbrückung der Wartezeit sein.

Ein Grund fürs Revival des Waschsalons ist aber auch Klaus-Jürgen Deuser, genannt „Knacki“. Als TV-Produzent und Moderator suchte er 2001 einen Schauplatz für sein neues Comedy-Format. Ungewöhnlich sollte der sein, Aufmerksamkeit erregen. Eine Metzgerei war im Gespräch, eine Bushaltestelle und die Drehtür eines Hotels. Es wurde der Waschsalon. „Nightwash“ hieß die Sendung.

„Der Waschsalon steht für eine urbane Gesellschaft“, glaubt Deuser, heute 51. „Es war dieser Mythos, der mich auf die Location gebracht hat.“ Lange haftete dem Waschsalon zugleich das Image des sozialen Abstiegs an. Die meisten Läden, die Deuser sah, waren schäbig. Doch so ein SB-Laden kann auch ein Salon im besten Sinne sein: Zwei Stammkunden im Rentenalter, erzählt Freddy Leck, kommen jede Woche am selben Tag in sein Geschäft. Sie nutzen den Waschtag, um zu plaudern. Vom Liebespaar, das sich zwischen Schmutzwäsche und Heißmangel näherkommt, weiß er auch zu berichten.

Versammelt hat Freddy Leck seine Beobachtungen im Buch „Nicht jeder Fleck muss weg“. Jürgen etwa taucht darin auf, der ein bisschen länger braucht, weil nicht er eine Maschine aussucht, sondern die Maschine ihn erwählt. Manch anderer zieht sich bis auf die Unterhose aus, bevor er die Maschine füllt. Dann reicht Freddy Leck einen Bademantel heran.

Ein paar Kilometer weiter östlich, im Waschsalon am Rosenthaler Platz, blättert eine Studentin mit blondem Bob in Kants „Metaphysik der Sitten“. Der Textmarker zieht neongelbe Linien, während hinter ihr lautstark Knöpfe in der Waschtrommel klackern. Aus dem Nebenraum dringt Bossa Nova herüber.

Der „Waschsalon 115“ in der Torstraße besteht aus zwei Bereichen: einem mit zwei Dutzend Maschinen und Trocknern, einem mit Kuchenvitrine und Barhockern. An der Schwelle dazwischen treffen sich Seifenduft und Kaffeearoma. An der Wand: gemusterte Tapeten. „Über die haben wir unsere Kunden abstimmen lassen“, erzählt Guttmann. Wie sein Kollege in Moabit verströmt er Exzentrik, seine gewollt löchrige Lederjacke geht als „unkonventionell“ durch. „Dolce und Gabbana“, erklärt er einem Kunden.

Guttmann gefällt sich in seiner Rolle als Ladenbesitzer. Wenn an den Maschinen Ruhe herrscht und die Kunden kaffeeschlürfend in Zeitschriften blättern, tritt er vor sein Geschäft und lässt den Blick über die schmale Brille schweifen. Zu sehen gibt es viel in der quirligen Torstraße. Schräg gegenüber das Café Sankt Oberholz, Basislager der Digitalen Bohème, an der nächsten Ecke ein Hostel.

Als er zurück in den Laden tritt, steht ein junges Pärchen mit Reiserucksäcken vor dem Automaten. „Wash?“, fragt Guttmann. „And dry“, antwortet man ihm mit französischem Akzent.

Eine Woche Berlin gönnt sich das Paar aus Paris. Den Salon hätten sie durch Zufall gefunden, erzählt Benoît begeistert. Keine Ahnung, warum nicht mehr auf die Idee mit dem angeschlossenen Café kämen, sagt er und bestellt sich und seiner Freundin zwei Stück Käsekuchen.

Natürlich kommen auch die „Laptopmenschen“, wie Guttmann sie nennt. Hinterm Schaufenster hacken sie in die Tasten, während draußen Hipster im Vorbeigehen ihr Spiegelbild prüfen. Spätestens wenn sie die Türschwelle überschreiten sollten und ihre Cardigans in die Trommeln werfen, wird der Waschsalon im Olymp der Coolness angekommen sein. Lange kann es nicht mehr dauern.

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