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Für das Skitouring braucht es nicht viel. Ohne Skiurlaub kann es zur echten Alternative werden.

© Imago

Corona lässt Skiurlaube platzen: Wie man das Gipfelgefühl noch retten kann

Für viele Deutsche ist das Fernweh über Weihnachten groß – denn Skiurlaub fällt flach. Drei Experten verraten, wie die Sehnsucht nach Winter zu stillen ist.

Dieses Jahr ist alles anders. Der Winterurlaub muss allerorten abgesagt werden, die Gondeln fahren nicht, die Pisten sind vereinsamt. Trotzdem können Wintersportler mit ein paar Tricks das Gefühl für den Winter konservieren - oder einfach allein den Sport genießen. Wir haben drei Experten drei wichtige Fragen gestellt.

Wie diesen Winter aushalten ohne Gipfelpanorama?
Das perfekte Panoramabild – blauer Himmel, weiße Bergspitzen, Gipfelkreuz? „Schon falsch“, sagt Enno Kapitza. Der 51-Jährige ist Fotograf, einer der renommiertesten, wenn es um Fotos aus den Bergen geht. Die großen Magazine drucken regelmäßig seine Reportagen, er fotografiert auf der ganzen Welt, mehrere Bücher hat er herausgebracht.

Und wenn er etwas Zeit hat? Fährt er aus seiner Heimat München in die nahegelegenen Alpen oder auf einen der Münchner Hausberge. Ganz für sich. Die Kamera nimmt er mit.

Also, das perfekte Bild? Kann alles Mögliche sein. Nur bitte nicht gewöhnlich, nicht schon tausend Mal gesehen. Was Kapitza an den Bergen interessiert, ist nicht die bloße Natur, das Gewaltige.

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Das Zusammenspiel von Mensch und Berg findet er viel spannender. Wenn im Gipfelbild mal ein störender Rucksack im Ausschnitt liegt. Wenn der Blick nicht rübergeht zu den Spitzen im Abendlicht, wo alle automatisch hin schwenken, sondern auf die genaue Gegenseite, runter, ins Tal. Oder auf die anderen Berggänger.

Die Leidenschaft für Berge hat Kapitza verhältnismäßig spät entdeckt. Er ist in Japan und Deutschland aufgewachsen, die Fachakademie für Fotodesign in München hat er 1995 mit einer Arbeit über Tokio abgeschlossen. Großstadt statt Bergwelt. Es war ein Freund von ihm, der ihn mit Mitte 30 mitnahm auf die erste Skitour mit anschließendem Bad im noch halb gefrorenen Soiernsee. Kapitza war angefixt. Zur Leidenschaft für Fotografie kam die für die Berge.

Fotograf Enno Kapitza hat sich auf Bergbilder spezialisiert.
Fotograf Enno Kapitza hat sich auf Bergbilder spezialisiert.

© Enno Kapitza

Kapitza ist nicht der erste, der die Faszination der Alpen fotografisch einfangen möchte, er steht in einer langen Tradition von Bergfotografen. „Ohne uns Menschen wären die Berge nur Steinhaufen“, so hat es der Kletterer David Lama einmal ausgedrückt. Die Gipfel lösen Sehnsucht aus, jedes gutgemachte Foto transportiert dieses Gefühl. Neben seiner Kamera hat Kapitza immer sein Smartphone griffbereit, wenn er in den Alpen unterwegs ist. „Ich knipse dann wie alle anderen.“ Festhalten, was vergänglich ist.

Fotografiert er professionell, geht er anders vor, bedächtiger. In seinem Bildband „Die Menschen vom Klausberg“ porträtiert Kapitza ein ganzes Skigebiet in Südtirol. Es sind kaum klassische Bergfotos darin, stattdessen zum Beispiel ein Porträt des Chefs der Bergbahnen, dem man jedes Betriebsjahr im Gesicht ansehen kann. Oder Skifahrer vor einer Nebelwand, die alle denselben grünen Leihskihelm tragen. Der Skitourismus als Massengeschäft, Kapitza zeigt es in einem Bild.

Das echte Panorama

Ganz anders blickt er in „Tsum Glück“ auf die Berge (erschienen im Sieveking-Verlag). Kapitza besuchte dafür das Tsum-Tal in Nepal. Die Menschen ernähren sich dort seit Jahrhunderten vegetarisch, sie leben nicht nur von, sondern auch mit der Natur.

Ein Foto aus dem Buch, es ist sein liebstes, ist in einem Moment fotografiert, da ist Kapitza bei einer Bergbesteigung nicht mehr unten, aber auch noch nicht ganz oben. Das Licht fällt silbern um eine Ecke herum, ohne direkt in die Kamera zu strahlen. Es ist ein Dazwischenbild, melancholisch und erheiternd zugleich.

Glaubt er, der Bergfotograf, dass so ein Foto das echte Panorama ersetzen kann in diesem Corona-Winter? Kann es die Gefühle eines Wintertages transferieren in die Wärme des eigenen Wohnzimmers? „Ja“, sagt Kapitza, „diese Magie steckt in einem guten Foto.“ Neulich zum Beispiel habe ihm sein Schwiegervater den Bildband „Zu Fuß über die Alpen“ von Ludwig Grassler in die Hand gedrückt.

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Der Band ist von 1978, aber Kapitza entdeckte darin Fotos, die er so zeitlos schön fand, dass sie auf ihn nicht aus der Zeit gefallen wirkten, im Gegenteil. Oder die literarische Besteigung aller Viertausender der Schweiz von Samuel Hügli. Da seien Fotos drin, die einen träumen ließen, sagt Kapitza.

Er selbst ist dennoch einer von denen, die schlecht stillhalten können. Er wird hier und da losziehen in diesem Winter, unter der Woche, ganz für sich allein. Die Kamera wird er natürlich einpacken.

Kommt auch ohne Gondel den Berg hoch: Lena Stoffel.
Kommt auch ohne Gondel den Berg hoch: Lena Stoffel.

© Domi Tauber

Wie diesen Winter aushalten ohne Gondeln?
Ja, auch Lena Stoffel weiß die Vorzüge einer Gondel zu schätzen. „Hochschweben, ohne jede Anstrengung oben ankommen, die Abfahrt vor sich haben“, sagt sie. „Schon schön.“ Lena Stoffel ist Allgäuerin, 36 Jahre alt, es gibt nicht viele Deutsche, die besser auf den Skiern stehen als sie. Als Jugendliche war sie auf dem Weg zur Profi-Rennfahrerin, wechselte schließlich in den Freestyle-Bereich und arbeitete sich in die Weltspitze vor.

Wagemutige Sprünge, 30 Meter weit, fünf Meter hoch, mehrere Schrauben? Für sie kein Problem, sie gewann Wettkampf um Wettkampf. Bis sie den Sport im planierten Snowpark nach zwei Verletzungen und einer dadurch verpassten Olympiateilnahme hinter sich ließ. Oder besser: Sie tauschte ihn ein.

Heute ist es das Skifahren abseits markierter Pisten, im tiefen Pulverschnee, das Stoffel fasziniert. Egal ob in Japan, Norwegen oder in ihrer Wahlheimat Innsbruck, Stoffel dreht Filme über ihre Abenteuer, „Circle of the Sun“ heißt der letzte, er zeigt sie skifahrend und surfend auf den norwegischen Lofoten. Schneebars, Schnellrestaurants und Sesselbahnen sucht man in dieser Szenerie vergeblich. Insofern ist Stoffel vorbereitet auf diesen Winter.

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Die Gondel ist zum Risiko geworden, zur Schwachstelle im Corona-Konzept der Skigebiete. In der Schlange am Lift fällt das Abstandhalten schwer, in der Kabine ist es unmöglich. Darum fahren in Deutschland erstmal überhaupt keine. Will man auf den Spaß, den das Gleiten im Schnee bringt, nicht ganz verzichten, muss man die Gondel also ersetzen. Stoffel weiß wie.

Hat sie sich einen Berg ausgeguckt, den sie runterfahren möchte, klebt sie Felle unten an ihre breiten Tiefschnee-Skier. Mohair, Synthetik, keine Seehundfelle, wie sie einst benutzt wurden. Damit stapft sie dann nach oben, immer im Zickzack, immer aus eigener Kraft. Wie früher, als es noch nicht mal Schlepplifte gab. „Es ist anstrengend, aber das Gefühl, den Berg bezwungen zu haben, ist unbeschreiblich“, sagt Stoffel. Wer sich seine Schwünge selbst erarbeitet habe, könne sie später mehr genießen. „Earn your turn“, so heißt es in der Szene. Verdien dir deine Sporen!

Auch vor Corona boomte bereits das Skitouring. Immer breiter wurden die Ski, die in den Sportgeschäften in den vergangenen Jahren zum Verkauf standen. Breiter, das bedeutet: mehr Auftrieb im tiefen Schnee. „Als würde man darüber hinweg schweben“, sagt Stoffel, „schwerelos“. Auftrieb, segeln, schwerelos – es sind nicht umsonst Worte aus dem Luftverkehr, die sie verwendet, wenn sie vom Skifahren im Tiefschnee spricht. Aber da ist auch die andere Seite. Die Gefahr.

Lieber klein anfangen

Wer Pisten verlässt, geht ein Risiko ein. Lawinen können Skifahrer mitreißen, Nebel kann die Orientierung unmöglich machen, die Bergwacht braucht mitunter Stunden oder kann gar nicht erst zum Unfallort vordringen. Nicht nur darum warnt der Deutsche Alpenverein vor allzu vielen Skitourengehern in diesem Jahr.

Er sieht auch eine Gefahr für die Natur, wenn zu viele Menschen sich ihre eigenen Pisten suchen. Wer dennoch geht, muss sich zwingend an die Wildschutzzonen halten. Und sich detailliert informieren über Schneebeschaffenheit, Wetter, Ausrüstung, Lawinenlagebericht.

„Lieber klein anfangen“, rät Stoffel deshalb, es müsse ja nicht gleich die steilste Route sein. Und nicht nur in den gefährlichen Alpen könne man Skitouren unternehmen, auch im Sauerland, Schwarzwald, Erzgebirge, Harz oder im Alpenvorland ließen sich Touren finden. Fehlt nur noch etwas Schnee.

Johanna Maeier gehört zu den besten Köchen Österreichs.
Johanna Maeier gehört zu den besten Köchen Österreichs.

© Das Maier/Helge Kirchberger

Wie diesen Winter aushalten ohne Kaiserschmarrn?
Der Kaiserschmarrn, das weiß natürlich auch die Vier-Hauben-Köchin Johanna Maier, schmeckt am besten auf der Skihütte. Wenn draußen die Luft so klar und kalt ist, dass sich die Konturen der Bergspitzen messerscharf vom Himmel absetzen. Wenn der Atem der Skifahrer kleine Wölkchen bildet, die noch eine Sekunde in der Luft verharren. Wenn drinnen der Kamin knistert. „Da kann der feinste Gourmettempel nicht mithalten“, sagt Maier.

Die Köchin galt und gilt als beste Österreichs. Sie betreibt keine Skihütte, sondern das Sternerestaurant „Das Maier“ in Filzmoos, unten im Tal des Salzburger Lands. Insofern ist sie die optimale Gesprächspartnerin, will man ein paar Tipps abstauben, wie der Kaiserschmarrn auch in einer Nicht-Bergspitzen-Atemwölkchen-Kaminfeuer-Welt gelingt. Handwerk für sie.

Die besten Rezepte der Kindheit

„Zuerst mal braucht es die besten Zutaten“, sagt Maier. „Frische Eier, am besten Heumilch, a g’scheite Butter vom Weiderind.“ Im Notfall tut es eine frische Milch aus dem Biomarkt. Einst erkochte sie sich vier Hauben im österreichischen Gault- Millau-Führer, sie gründete eine Kochschule, eine Gewürzmanufaktur, einen Feinkostladen. Heute, mit bald 70, denkt sie über den Rückzug aus der Gastronomie nach.

Zuvor hat sie noch ein Buch veröffentlicht: „Mein Weihnachten“. Darin spürt sie Gerüchen und Bräuchen nach, natürlich mithilfe von Rezepten: Mettensuppe, Filzmooser Bauernbratl, Nussschnapsl. Fehlt noch der Kaiserschmarrn.

Wie aber gelingt der? Erster Tipp der Expertin: Zitronenzeste reinreiben, das mache den Schmarrn spritzig. Zweiter Tipp: „Je cremiger man das Eiweiß schlägt, desto besser wird der Teig.“ Wenn es vom Schneebesen tropfe und dabei langgezogene Spitzen bilde, „wie Vogelschnäbel“, sei es perfekt. Und schließlich, dritter Tipp, könne man noch Walnüsse rösten und dazu tun. „Schließt man dann die Augen beim Essen“, sagt Maier, „ist es zu Hause fast wie auf der Berghütte.“

Im Idealfall soll der Kaiserschmarrn so aussehen.
Im Idealfall soll der Kaiserschmarrn so aussehen.

© Mike Wolff

Zutaten:

4 Bio-Eier

2 gehäufte EL Zucker

50 g Mehl

50 g Butter

1 TL Vanillezucker

150 ml Heumilch

1 unbehandelte Zitrone

1 Prise Salz

2 EL Rosinen

Anleitung:
1. Eier trennen.

2. Eidotter, Milch und Vanillezucker gut verrühren, den Zitronenabrieb dazumengen und das Mehl langsam einsieben.

3. Eiweiß mit Zucker und einer Prise Salz cremig aufschlagen.

4. Eischnee in die Dotter-Milch-Masse unterheben.

5. Butter in der Backpfanne schmelzen – Masse dazugeben und drei Minuten anbraten, bis sich ein „Kranzl“ bildet. Dann im 160 Grad heißen Backofen 12 bis 15 Minuten backen, rausnehmen und mit Butter beträufeln. Den Teig umdrehen (braune Seite oben) und mit zwei Gabeln zerreißen, mit Stauzucker bestreuen.

6. Wenn man Rosinen hineintun will, diese vorher in Apfelsaft einweichen und bei Punkt 4 einrühren. Eine weitere Zutat wären geröstete, zerkleinerte Walnüsse. Auch Preiselbeeren schmecken hervorragend dazu.

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