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Dirk Nowitzki kam 1998 in die USA. Der gebürtige Würzburger lebt mit seiner Familie in Dallas.

© imago images/Imaginechina

„Das erste Jahr war heftig“: Dirk Nowitzki blickt auf seine Karriere als NBA-Star zurück

Ex-Basketballprofi Dirk Nowitzki über den Unterschied zwischen Heimat und Zuhause, deutsch-amerikanische Klischees – und seine Zukunftspläne.

Herr Nowitzki, die Hälfte Ihres Lebens haben Sie in den USA gelebt. Sie haben hier in Dallas Ihre größten Erfolge gefeiert, eine Familie gegründet. Ist Dallas Ihre Heimat?
Heimat ist schon da, wo man her ist. Nach Deutschland komme ich immer gerne zurück, meine Familie ist ja auch da. Aber ich bin in der glücklichen Lage, mich an vielen Plätzen der Welt wohlzufühlen.

Gibt es mehr als eine Heimat?

Ich bin schon so lange weg aus Deutschland. Sagen wir so: In Dallas ist jetzt mein neues Heim. Meine Frau Jessica lebt auch seit 15 Jahren in Dallas, die Kids sind alle hier geboren, die Älteste kommt in die erste Klasse. Wir sind hier zu Hause.

Wollen Sie für immer in Dallas bleiben?
Die nahe Zukunft werden wir sicherlich hier verbringen. Jessica hat früher in der Kunstwelt gearbeitet, da will sie wieder anfangen, wenn die Kids älter sind. Und mein Netzwerk ist hier: Freunde, Sponsoren, die mich bei meinen Aktivitäten unterstützen. Wahrscheinlich werde ich auch wieder bei meinem Verein, den Dallas Mavericks, etwas machen.

Heimat hat viel mit Sprache zu tun. In welcher Sprache träumen Sie?
Das ist leider mittlerweile doch mehr Englisch, als mir lieb ist. Mit meiner Frau muss ich viel Englisch sprechen, da sie ursprünglich aus Schweden kommt und nur wenig Deutsch spricht.

Und mit Ihren Kindern?

Meine Frau spricht Englisch mit ihnen, ich Deutsch – aber sie antworten eigentlich immer auf Englisch. Ich muss sie fast zum Deutsch zwingen, das hatte ich mir ehrlich gesagt leichter vorgestellt.

Sie gelten als extrem loyal, als Familienmensch. Ihren Trainer Holger Geschwinder nannten Sie einen zweiten Vater. Braucht man so feste Bindungen, um in die Welt hinausziehen und erfolgreich sein zu können?

Zumindest brauchte ich diesen Rückhalt. Nach jedem Play-Off-Aus bin ich nach Hause geflogen, habe den Holger gesehen, bin auch immer wieder mit meinen Eltern in Urlaub gefahren. Und wenn ich mal richtig gut drauf war, haben sie versucht, mich wieder runterzuholen, damit ich nicht abhebe.

Wie schwer ist es in Ihrer Lage, gute Freundschaften zu haben?

Natürlich gibt es Leute, die nur auf der Welle mitschwimmen wollen, aber ich habe schon Freunde, auf die wirklich Verlass ist. Mein Freundeskreis ist allerdings gar nicht so groß. Klar kennt man hunderte Leute, aber wenn ich mal ne Party schmeiße und überlege, wen ich dabei haben will, wird das sicher keine lange Liste.

Sie waren 19, als Sie aus dem überschaubaren Würzburg in die Millionenstadt Dallas kamen. Wie schlimm war das Heimweh?

Das erste Jahr war heftig. Zunächst wohnte ich weiter in Würzburg, ich hatte noch keinen Vertrag in Amerika unterschrieben. Von einem Tag auf den anderen hieß es: Du musst in den USA antreten. Dann war ich gleich von Januar bis Mai weg, das war schwer. Meine damalige Freundin war in Deutschland, meine Eltern. Da hat mich Holger sehr unterstützt, bei der Wohnungssuche, beim Telefon anmelden, Waschmaschine kaufen – alles Sachen, die ich nie zuvor machen musste.

Wie hat Amerika Sie verändert?

Schwer zu sagen, ich bin halt hier erwachsen geworden. Nach dem ersten Jahr habe ich mich gut eingelebt, klar habe ich auch Fehler gemacht, auf dem Spielfeld und abseits davon. Ich war ja noch jung.

Sie bekamen den Spitznamen German Wunderkind: Welche angeblich typisch deutschen Eigenschaften haben Ihnen denn am meisten in den USA geholfen?

Meine Disziplin hat sicherlich geholfen. Und meine Bodenständigkeit. Die habe ich von meinen Eltern, wir hatten einen eigenen Betrieb, da war Arbeiten angesagt. Auch Pünktlichkeit war für mich kein Problem: Nach dem Abi war ich zehn Monate beim Bund, und gerade die zwei Monate Grundausbildung hatten es echt in sich.

Auch für Sie als Leistungssportler?

Na ja, wenn da einer früh um Fünf vor dir steht und dir ins Gesicht brüllt, das ist schon gewöhnungsbedürftig. Die Zeit hat mir aber auch was fürs Leben gebracht.

Im Laufe Ihrer Karriere hat man Ihnen viele Spitznamen verpasst. Welcher bleibt?

Keiner hat sich richtig durchgesetzt. Meine Mannschaftskollegen nennen mich meist Dirty, das passt gut zu Dirk. Sogar der Coach ruft mich ab und zu so.

Als es beim Basketball mal nicht so gut lief, hieß es, die Deutschen und im Speziellen Sie seien zu weich. Nerven solche Klischees?

Die Spielweise in Europa war früher tatsächlich etwas langsamer und softer. Daher kam wohl das Klischee, dass diese großen Europäer weiter weg vom Korb spielen, es nicht gewohnt sind, so viel physischen Einsatz zu bringen. Da passte ich rein. Aber in den letzten zwei Jahrzehnten haben wir in Europa viel für den Basketball gemacht, das ist kein Thema mehr.

In dieser Saison haben sieben Deutsche in der NBA gespielt, so viele wie noch nie. Ist es leichter für die heutigen Spieler, weil Sie den Weg bereitet haben?

Vor mir gab es Detlef Schrempf und Toni Kukoc, die mir gezeigt haben, wie es gehen kann. Wenn ich anderen geholfen habe, ihren Weg zu finden, freut mich das.

Sie sind längst zu einem Botschafter Deutschlands geworden. Ist Ihnen diese Vorbild-Rolle leicht gefallen?

Ich habe immer versucht, ich selber zu sein. Wie erwähnt habe ich auch viele Fehler gemacht, im Internet gibt’s davon ein paar Fotos. Aber du musst ja auch Spaß haben in den Zwanzigern.

Als Sie einmal Helmut Schmidt trafen, haben Sie den Altkanzler nach eigenen Angaben angelogen, als Sie sagten, Sie planten, nach der Karriere BWL zu studieren.

Herr Schmidt hat mich damals etwas überrascht, keine Ahnung, ob er wusste, wie viel Geld Basketballer in den USA verdienen können. Er hat sicher gedacht, da muss noch was kommen für den Meister, der ist noch so jung. Ich wollte ihn nicht enttäuschen und habe einfach was rausgehauen. Mein Abitur war nicht das beste, es war eher ein Kampf, wie bei vielen Athleten. Medizin zu studieren, wäre mit meinem Dreier-Schnitt eher nicht möglich gewesen. Aber BWL wäre immer gegangen.

Bereuen Sie, nie studiert zu haben?

Ein Jahr College wäre schon schön gewesen. Ich hatte auch Dutzende Angebote. Meine Eltern mussten sich damals sogar einen Anrufbeantworter kaufen, da selbst nachts um drei das Telefon klingelte – die wussten in Amerika nicht so richtig, wie das mit der Zeitverschiebung ist. Angeschaut habe ich mir Stanford, Berkeley und Kentucky, da hat’s schon gekribbelt. Ich habe meine Kollegen auch immer um die Freundschaften beneidet, die im College entstanden sind. Aber so wie es letztlich gelaufen ist, war es perfekt.

Viele erfolgreiche Menschen schaffen es nicht, zum richtigen Zeitpunkt ihre Karriere zu beenden. Ihnen ist das geglückt. Wie schwer war das Aufhören?

Nicht so schwer, denn das letzte Jahr war hart. Schon im vorletzten hatte ich gemerkt, der Fuß hängt. Das hat mich stark eingeschränkt. Ich wurde operiert, aber das ging nach hinten los: Ich hatte zwar mehr Bewegung im Fuß, aber auch mehr Schmerzen. Arthrose, nach 25 Jahren Rumspringen auf hartem Boden normal.

Das Loslassen war dann ganz einfach?

Es war sehr emotional, ich wusste, das machst du nicht noch mal ein Jahr, all die Spritzen und Tabletten. Der Plan war, die Saison noch zu Ende zu spielen. Aber kurz vor dem letzten Heimspiel dachte ich: Was soll das Ganze? Es geht einfach nicht mehr, und das habe ich bekannt gegeben. Was danach kam, war einfach nur toll. Den Abschied werde ich nie vergessen.

Also alles richtig gemacht?

Ich bin mit mir im Reinen, da ich alles gegeben habe. Aus meinem Körper kommt einfach nicht mehr raus. Und das Gute ist: Ich vermisse überhaupt nichts.

Sie haben erzählt, dass Sie bereits zugenommen hätten, weil Sie jetzt jeden Tag ein Eis äßen. Wie schwer war es, immer so diszipliniert zu sein?

(Lacht) Nach oben geht’s schnell mit dem Gewicht. Es war schon manchmal nervig, vor allem wenn wir als Familie unterwegs waren. Ich habe auch mal ein Eis gegessen oder ein Glas Wein getrunken, aber das war die Ausnahme. Jetzt muss ich nicht mehr fit bleiben, das genieße ich.

Das Deutschlandjahr fällt in eine Zeit, in der viele Deutsche die USA kritisch sehen. Was sagen Sie diesen Amerika-Skeptikern?

Am besten schaut man ein bisschen an der Politik vorbei. Nicht nur Nachrichten sehen, sondern selber die Reise machen, sich eine eigene Meinung bilden. Das Land hat so viel zu bieten! Tolle Landschaften, wunderbare Menschen, die einem was beibringen können. Wir werden jetzt auch viel reisen, bisher war ich zwar oft unterwegs, hatte aber nie Zeit.

Und was kommt dann?

Irgendwann kann ich bestimmt anfangen, darüber nachzudenken, was ich mit der zweiten Hälfte meines Lebens anfangen will. Zum Beispiel Klavier spielen oder eine neue Sprache lernen. Aber jetzt möchte ich erst mal Abstand gewinnen.

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