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Auf Schatzsuche. Der Glaube an den Osterhasen regt die Fantasie der Kinder an.

© imago/Karina Hessland

Die Geschenkkolumne: Hintergedanken beim Eierpiepen

Hardcore-Anthropologen glauben nicht ans Schenken. Für sie ist das ein reines Handelsgeschäft. Eine Theorie, die am Osterhasen scheitert.

Meine kleinen Brüder wussten genau, wo die Süßigkeiten herkamen, die unser Vater im Wald heimlich aus der Tasche fallen ließ, damit aus maulenden Spaziergangsverweigerern hüpfende Enthusiasten wurden: „Die Vögelchen haben die Eier ausgepiept!“ Sie zweifelten keinen Moment daran, dass Amseln und Rotkehlchen in Stanniol gewickelte Schokolade und bunte Dragees legen können.

Die Jungs haben ja auch, wie wir alle, an den Osterhasen geglaubt. Und das ist gut so, sagen Psychologen, das rege die Fantasie an. Eltern haben einen sowieso lieb, meistens auf jeden Fall. Wenn die einen bescheren, das ist so – normal. Fast langweilig. Aber ein Hase oder Weihnachtsmann, dem man noch nie begegnet ist! Wieso macht der das, woher kennt der einen, woher weiß er, wo ich wohne? Das grenzt doch an ein Wunder. Und dann die Schatzsuche! Dass man die Eier nicht auf dem Frühstückstisch serviert kriegt, man sie sich erst erobern muss, erhöht den Reiz der österlichen Gaben noch.

Hardcore-Anthropologen glauben ja nicht ans Schenken. Für sie ist das ein reines Handelsgeschäft – man gibt nur, um was zurückzukriegen. Eine Theorie, die am Osterhasen scheitert. Die Eltern, die sich hinter diesem verstecken, können doch gar nichts retour kriegen.

Nichts Materielles auf jeden Fall. Wenn die Kleinen in die Sträucher kriechen und juchzen vor Begeisterung angesichts des Fundes von ein paar Eiern, darunter vielleicht sogar welche vom letzten Jahr (so war das auf jeden Fall bei uns zu Hause), ist die Freude auf beiden Seiten groß. Und auch unser Vater hatte ja seinen Hintergedanken beim Eierpiepen, siehe oben.

Das Prinzip Osterhase gibt es auch in der Welt der Großen

Irgendwann kommt natürlich der Moment der Ernüchterung, da das Geheimnis gelüftet wird, und das Kind begreift, wer tatsächlich hinter dem Hasen steckt. Aber die Kleinen verkraften die Aufklärung schon, untraumatisiert. Als Ersatz kriegen sie ja das Gefühl beschert, schon groß zu sein.

Erwachsene gucken ein wenig neidisch auf die Kurzen, die aus vollem Herzen an das Wunder des jungfräulichen Geschenks glauben können. Dabei gibt es das Prinzip Osterhase selbst in der Welt der Großen. Berühmt wurde der Fall des Gönners von Görlitz, der den Bewohnern der sächsischen Grenzstadt über Jahre hinweg zehn Millionen Euro stiftete, ohne dass diese seine Identität kannten. Das ist die ultimative Großzügigkeit: die, die sich nicht feiern lässt. Der pure Altruismus, während andere Philanthropen sich ihren Namen für die Ewigkeit in Stein meißeln lassen.

Aber erwachsen, wie man ist, meldet sich gleich das Misstrauen. Hat er – oder sie? – womöglich einen Grund, unerkannt bleiben zu wollen?

Es gibt sogar eine Agentur, die anonym Geschenke übermittelt. So haben sie einen Gutschein für ein Abendessen verschickt, „selbstverständlich ohne dabei den Namen des Kunden zu erwähnen“. Eine Dame hätte ihrer besten Freundin und deren Ehemann einen schönen Abend zu zweit schenken wollen, ohne dass die beiden wussten, woher das Präsent kam. Mmh, ich würde eher stutzig, wenn so ein Gutschein in meinem Briefkasten läge, und es nur für eine Falle halten, so wie die vielen Hauptgewinne, über die ich per Spammail informiert werde, wenn ich nur auf den Anhang klicke.

Vermutlich ist das Misstrauen sogar berechtigt. Die Agentur für anonyme Geschenke ist sonst eher auf das Organisieren von Seitensprüngen und Alibis spezialisiert.

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