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Die Ruhe und den Blick genießen. Mit einer „memorial bench“ macht man posthum Menschen glücklich.

© imago/Loop Images

Die Geschenkkolumne: Von Holz gewordener Gastfreundschaft

Warum sich unsere Kolumnistin keine schönere Form der Erinnerung vorstellen kann als eine „memorial bench“.

Wenn ich einmal tot bin, wünsch ich mir ’ne Bank. Um ehrlich zu sein, sogar zwei. Da ich nicht weiß, wie die Kommunikation aus dem Jenseits läuft, lasse ich meine Familie das jetzt schon in regelmäßigen Abständen wissen. Nicht sehr subtil, aber hoffentlich effektiv. Ich möchte so eine haben, wie sie in England zuhauf in jedem Park stehen, ganz altmodisch, aus Holz und ohne Unterteilungen, auch Obdachlose sollen sich darauf ausstrecken können. In die Rückenlehne sind kleine Schildchen eingelassen, die an einen Menschen erinnern, der immer, wenn er an diesen Ort kam, glücklich war. Die Sprüche rühren mich jedes Mal.

Natürlich geniere ich mich ein wenig ob meiner unverblümt geäußerten Erwartungen. Aber ich kann mir keine schönere Form der Erinnerung vorstellen als diese: Holz gewordene Gastfreundschaft. Es ist ja nicht nur ein Geschenk an mich, sondern eins für andere. Man macht posthum Menschen glücklich, die sich auf der „memorial bench“ niederlassen, das Grün, die Ruhe und den Blick genießen. Und wenn die Engländer was können, dann Bänke aufstellen: So, dass man wunderbare Aussichten hat. Da dürfen gerade die Berliner noch viel lernen. Hier stehen die Sitzgelegenheiten, wenn es überhaupt welche gibt, meist dumm in der Gegend rum, man guckt auf finstere Büsche, überquellende Mülleimer oder hässliches Nichts. Deswegen verrate ich auch schon mal, wo meine Bänke landen sollen: die eine im Tiergarten, die andere im Hampstead Heath.

Der Schenkende ist der Bestimmer

Mir ist klar, dass Wünschen eine gefährliche Sache ist. Steht ja in jedem Märchen, wie es nach hinten losgehen kann, man häufig das Falsche begehrt. Wünschen ist mehr als ein höfliches Wort für Wollen. Es beinhaltet eine Sehnsucht, die manchmal besser unerfüllt bleibt. „Protect me from what I want“, kann man auf Postkarten lesen.

Wer sein Begehren allzu deutlich macht, wirkt leicht gierig. Je konkreter, desto unverschämter, denn was unterscheidet den Wunsch dann noch von einer Bestellung? Doch das Schenken ist eine freiwillige Angelegenheit und kein Onlineshop. Eine Reithose von Felix Bühler, Größe 36, blau? Kannst du dir selber kaufen. So sind die Machtverhältnisse eben – der Schenkende ist der Bestimmer.

Andererseits: Soll man, nur um seinen Entdeckerstolz zu bewahren, einer Elfjährigen stattdessen einen hübschen Rock besorgen, den sie gar nicht haben will und nie tragen wird? Es gibt Phasen im Leben, da Wunschzettel nicht nur die Arbeit erleichtern, sondern Familiendramen unterm Weihnachtsbaum vermeiden. Der Grat zwischen Freude und abgrundtiefer Enttäuschung ist schmal. Knapp vorbei ist auch daneben.

Ich lasse meiner Familie Raum

Die Einzigen, die ganz präzise Wunschzettel schreiben dürfen, sind Kinder. Erst recht kranke und hilfsbedürftige Kinder. Man muss nur die Geschichten auf Internetseiten wie „Wunschpate“ lesen, etwa die der zwölfjährigen leukämiekranken Saskia, die sich eine Echthaarperücke wünscht, um mal nicht wegen ihrer Glatze ausgelacht zu werden. Ihre Mutter hat die 1500 Euro dafür nicht. Da greift man sofort zum Portemonnaie.

Für alle anderen gilt: Spielraum lassen. Schon weil es sonst für beide Seiten langweilig wird. Wo bleibt denn da die Überraschung? Versteht sich, dass ich meiner Familie den Raum lasse. Wenn es – eines sehr, sehr fernen Tages – so weit ist, dürfen sie sich selber den Spruch fürs Schildchen an der Bank ausdenken. Neulich haben wir im Hampstead Heath einen gesehen, den mein Neffe sehr witzig fand: „Schlaf gut, Mutti.“ Wie ihr wollt. Ihr seid die Bestimmer.

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