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Anke Engelke ist ab dem 15.01. im Film "Frau Müller muss weg" im Kino zu sehen.

© Geisler-Fotopress

Die Komikerin über ihre Heimatstadt: Anke Engelke: Mein Köln

Sie ist Lokalpatriotin (mag nur den Karneval nicht). Was sie so glücklich macht?  Eine Bank am Teich, der Reisspeicher im Museum, Podolskis Auto im Parkhaus... Hier führt uns die Entertainerin zu ihren Lieblingsplätzen. Das kann ja heiter werden.

Stadtgarten

Ich bin ein Dorfkind und habe früher immer zur Stadt geschielt: nach Köln. Geboren bin ich in Kanada, wo mein Vater gearbeitet hat. Als ich fünf war, sind wir nach Deutschland gezogen. Ich glaube, das erste Jahr hier wollte ich nicht Deutsch sprechen. Sonst gab es keinen Kulturschock, meine Eltern sind ja Deutsche.

Der Ort meiner Kindheit und Jugend – das ist Rösrath, von Köln aus einmal über den Rhein gesprungen. Als Mädchen war es für mich immer ein Happening, mit der Mutter in die große Stadt zu fahren, um Schuhe zu kaufen. Den Stadtgarten kenne ich, seit ich begonnen habe, in Köln auszugehen. Das ist ein überschaubarer Park, der sich an den Inneren Grüngürtel anschließt. Ein Treffpunkt für junge Leute mit und ohne Kinder.

„Stadtgarten“ – diesen Namen trägt auch ein Veranstaltungsort dort, mit Konzerthalle, Restaurant-Café und Biergarten. Im Keller gibt es einen Club, früher hieß der „Schmuckkästchen“, jetzt „Studio 672“. Im „Stadtgarten“ habe ich meine Initiation in Sachen Jazz erlebt: Konzerte, die mir viel bedeutet haben. Meine ältere Schwester ging damals schon oft in der Stadt aus und hat mich überallhin mitgenommen. Ich war 16 oder 17, sah aber aus wie 14, weshalb ich Probleme hatte, in Clubs zu kommen. War das mal wieder passiert, erklärte sich Gott sei Dank Elmar, ein reizender Schulkamerad meiner Schwester, bereit, mit mir ein Wasser trinken zu gehen; Alkohol mochte ich nicht, ich war Spätentwicklerin, total das Mädchen.

Heute würde man den Einrichtungsstil des „Stadtgarten“ als „Industrial Chic“ beschreiben und denken, dass sich jemand Mühe gegeben hat, es abgewohnt aussehen zu lassen. Damals war das keine Absicht. Mich hat dieser Ort fasziniert, der wirkte ganz anders als die Schulaula in Rösrath.

Zum Jazz bin ich auch über meine Schwester gekommen. Als Teenagerin habe ich gehört, was sie gehört hat: Earth, Wind and Fire, die frühen Sachen von Michael Jackson, Frank Zappa, George Clinton – irgendwann landet man bei Miles Davis. Zu meinen ersten Konzerten im „Stadtgarten“ gehörte die Band Steve Coleman and Five Elements. Seitdem gehe ich ständig dort hin. Unsere erste Kölner Wohnung befand sich im Belgischen Viertel in der Nähe, da bin ich 1986 mit 21 eingezogen. In diesem Jahr habe ich zum Beispiel die Sängerin Janelle Monáe gesehen, die macht so Pop-Funk-Soul. Auch meine WDR-Sendung „Anke hat Zeit“ zeichnen wir im „Stadtgarten“ auf. Der Ort hat für mich Maßstäbe gesetzt. So muss es irgendwo sein, damit ich mich wohlfühle.

Lindenthaler Tierpark

Fürs Radio habe ich das erste Mal mit zwölf Jahren gearbeitet. Barcley James Harvest, Mike Oldfield, Helga Feddersen – solche Leute habe ich für RTL Luxemburg interviewt. Die Sendung wurde in Studios auf der Düsseldorfer Messe produziert. Das hat sich alles fein so ergeben. Das Fernsehen kam dazu, als ich 13 war. Damals war vielleicht das einzige Mal, dass ich weg wollte aus Köln.

Mit Benny Schnier habe ich im Sommer das ZDF-Ferienprogramm moderiert. Das wurde in Unterföhring aufgezeichnet, und da fand ich München natürlich total geil. Anfangs musste ich im Telehotel neben den Studios übernachten, was toll war, bis ich merkte: Ich bin ja am Arsch der Welt hier, ich will nach Schwabing! Mit 15 wohnte ich im Holiday Inn an der Leopoldstraße. Mich hat Film sehr interessiert, mein erster Studienwunsch war Film- und Fernsehwissenschaft – in München! Aber offenbar mochte ich es damals schon, vor Menschen zu stehen und denen was zu vermitteln. Also lautete mein zweiter Plan: auf Lehramt studieren. Ist dann nichts draus geworden.

Das Einzige, was ich wirklich gelernt habe, ist Synchronarbeit. Als 2007 klar war, dass ich die Marge Simpson sprechen werde, war ich stolz. Dann gab es sogenannte Fans, die sich beschwerten. Die sagten: Das soll gefälligst jemand machen, der es gelernt hat! Da habe ich einfach geschwiegen. Obwohl es sogar eine Petition gab „Anke Engelke – nein danke“. Ich dachte mir: Wenn solche Menschen mich nicht mögen, ist das doch super.

Das Synchronstudio, wo ich die „Simpsons“ mache, liegt um die Ecke vom Lindenthaler Tierpark. Immer, wenn ich schnell fertig bin mit der Arbeit, belohne ich mich und gehe Tiere gucken. Ohne Zeitung, ohne Buch. Einfach nur blöd glotzen. Mindestens eine halbe, maximal eine Stunde. Ich habe zwei Lieblingsbänke. Eine Bank steht am Wasser, die andere im Wäldchen. Im Herbst, wenn es früh dunkel wird, denke ich oft: Huh… Da bekomme ich ein bisschen Angst. Mir wurden in der Kindheit Märchen vorgelesen, besonders mein Vater ist ein toller Geschichtenerzähler. Später habe ich selber Grimm und Andersen gelesen. Die können beide Traumata auslösen.

In dem Tierpark gibt es eher einheimische Tiere: Schweine, Schafe, Gänse. Und Reiher stehen da rum, das ist wahnsinnig beruhigend. Toll finde ich, wenn es Rehkitze gibt, aber mich macht man schon mit Schwänen und Enten glücklich.

Kolumba und Rautenstrauch-Joest-Museum

Ich gehe nie in Bars, nie in Kneipen. Krass, oder? Das hat nichts mit meiner Prominenz zu tun, ich unterhalte mich einfach gern in normaler Lautstärke. Ich habe ein Monatsticket der Kölner Verkehrsbetriebe und fahre jeden Tag mit der Bahn. Die Leute hier sind super, die zwinkern einem höchstens mal zu. Es sind die Touristen, die alle paar Jahre blöde Sachen rufen, viele Berliner übrigens: „Hey Anke, mach doch mal die Ricky...!“

Ich mag es ruhig. Sehr gerne gehe ich in Museen, aber nie am Sonntagnachmittag, sondern nur unter der Woche. Zum Beispiel ins Kolumba, dem „Museum der Nachdenklichkeit“, einer Einrichtung der hiesigen Diözese. Da steht Heiligennippes rum, mit dem ich als Nicht-Katholikin wenig anfangen kann. Aber es gibt auch tolle Skulpturen, zum Beispiel eine verstörende von Joseph Beuys: ein Kreuz mit Nägeln und Holz und so. Jedes Mal denke ich: Was ist eigentlich mit diesem Beuys los, was will der Mann von mir, und warum berührt mich seine Kunst? Ich bin auch ein großer Freund von Museumscafés, das im Innenhof des Rautenstrauch-Joest, einem Völkerkundemuseum, ist sehr schön. Das Rautenstrauch-Joest-Museum habe ich in meinen ersten Kölner Jahren entdeckt. Damals befand es sich in einem Gebäude am Rhein, über allem lag eine leichte Sand- und Staubkruste. Ich ging da mit viel Respekt rein, und beim Rauskommen dachte ich: Über den Sudan weißt du also auch zu wenig. Diese Altertümlichkeit – damals meinte ich, so müssen Museen in London oder New York aussehen. Bis ich dann Museen in London und New York besucht habe.

2010 ist das Rautenstrauch-Joest an den Neumarkt umgezogen, in einen modernen Kasten, architektonisch ein Knaller, und jetzt liebe ich es. Man kommt rein, rechts ist gleich ein Reisspeicher, so groß wie ein Haus, da freut man sich schon mal. Ich gehe da gezielt hin, um mir ein Tipi anzuschauen oder Massai-Schmuck. Die haben eine sensationelle Abteilung mit Masken aus aller Welt. Man wird nicht erschlagen von Informationen, stattdessen vermittelt sich einem der Zauber. Da erfährt man zum Beispiel, warum reiche chinesische Frauen früher Hüte auf ihren Fingern getragen haben. Weil sie so lange Nägel hatten, die sollten nicht abbrechen.

Alles ist sehr geschmackvoll gestaltet. Okay, die Fassade bröckelt ein bisschen, und irgendwann hing mal das Schild schief. Der Kölner kann eben nicht bauen. Ich finde das nicht lustig, da kommen auch mal Leute zu Tode. Aber Sie in Berlin haben ja noch ganz andere Probleme, also halten Sie sich mal schön zurück!

Skaterpark Kap 686

Dem Druck, Kölsch zu trinken und Karneval feiern zu müssen, konnte ich immer gut standhalten. Aber der Fußball ist nicht an mir vorbeigegangen. Wahrscheinlich, weil der FC ganzjährig über der Stadt schwebt. Dieser Verein hat etwas Schicksalhaftes. Ich bin sehr emotional, mir gefällt das, ich mag es auch mal, zu leiden. Und Lukas Podolski? Finde ich astrein. Wie alle in der Stadt. Ich glaube bis heute, dass der gar nicht in Italien spielt, sondern nur mal kurz weg ist. Der Kölner geht selbst in das Parkhaus, wo Podolskis Wagen steht, das schönste Auto der Welt: ein schwarzer Mustang mit einem weißen Streifen. Kennzeichen: K-LP 99. Habe ich mir auch schon angesehen.

Das Parkhaus befindet sich direkt am Rhein, unter dem neuangelegten Rheinauhafen. Das ist eine ehemalige Hafenanlage, jetzt stehen da zum Beispiel diese drei modernen Wohngebäude, die Kranhäuser. Zu der Anlage gehört auch der Skaterpark Kap 686 – der Name leitet sich ab vom Kilometerstand des Rheins an dieser Stelle. Dort sitze ich manchmal und gucke aufs Wasser. Wenn man in der Stadt ist und kurz an den Fluss will, ist das ideal. Nicht alle Kölner mögen es dort. In meinen Augen ist die Anlage gelungen, auch wenn es zu viel Beton gibt, mir fehlen die Bäume. Im Sommer ist die Hölle los, die Schiffe fahren hin und her, und die Radfahrer rasen vorbei.

Auf der anderen Rheinseite in Deutz wird jetzt eine große Treppe angelegt, von der man bald auf den Dom schauen kann. In zwei Jahren wird die wahrscheinlich mein neuer Lieblingsort sein.

Dachterrasse von "Unser Büro"

In der Gertrudenstraße im Kölner Zentrum befindet sich „Unser Büro", eine Bürogemeinschaft, in der ich meine Jobtermine wahrnehme. Hier treffe ich mich zum Beispiel mit Studenten; seit ein paar Jahren habe ich eine Professur an der Kunsthochschule für Medien. Vom Büroflur im fünften Stock gelangt man auf die Dachterrasse. Dort kann man Luft holen und hat einen schönen Ausblick.

Köln ist vielleicht nicht so schön. Aber das ist doch auch eine Einsicht, hinzuschauen und zu sagen: Puh, ganz schön viel kaputt gegangen, nie wieder Krieg – euer Udo Lindenberg! Was auffällt beim Blick über die Stadt sind die vielen Kirchtürme. Jedes Jahr gibt es den „Romanischen Sommer“, da finden in den Kirchen Konzerte mit klassischer Musik statt. Da kommen nicht bloß Amerikaner oder Asiaten, die Kölner selbst wollen ihre Kirchen kennenlernen. Die besuchen auch in Scharen die „litcologne“, das Literaturfestival, dem man ohne Weiteres vorwerfen kann, dass es zu protzig ist. Aber wir Kölner mögen das. So ist unsere Mentalität, wenn ich das als „Immi“, wie es in Köln heißt, also als jemand, der nicht in der Stadt geboren wurde, sagen darf. Wir schauen auf das, was hier passiert. Es gibt ein Zusammengehörigkeitsgefühl, Solidarität. Die Kölner machen diese Stadt so dreckig, und sie schimpfen so gerne über sie, aber wenn man sie fragt, liebt ihr eure Stadt?, dann sagen sie alle: ja.

Mir gefällt vor allem, dass es hier so natürlich ist. Wir haben keinen Bock auf Trendsklaverei, bei uns würde es auch keine Plakate geben, auf denen „Schwaben raus“ steht – wir finden erst mal alle toll. Wirklich hippe Viertel, beziehungsweise „Veedel“, die existieren nicht in Köln. Zugegeben: In Mühlheim, wo früher Harald Schmidt aufgezeichnet hat, und seit der Bronzezeit Stefan Raab seine Sendung macht, gibt es seit drei, vier Jahren einen ziemlich besonderen Ort. Vorübergehend ist dort das Schauspiel Köln untergebracht, weil das Schauspielhaus saniert wird. Da wurde um eine ehemalige Kabelfabrik der „Carlsgarten“ geschaffen, mithilfe von Bürgern und Mitgliedern des Ensembles. Inmitten von Containern und Industriearchitektur ist jetzt alles begrünt. Dort zu sitzen, macht Spaß. Ich war noch nie in Prenzlauer Berg, aber so stelle ich es mir vor: Man trinkt Sprudelgetränke mit Rückwärtsnamen, alle tragen einen Bart und karierte Hemden, und wenn das Kind während der Vorstellung schreit, ist das doch cool: Halt die Fresse, Spießer!

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