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Tristes Grau. Schottergärten machen schlechte Laune.

© imago/Manfred Ruckszio

Die Sparkolumne: Ich hätte gern mehr Kies

Warum unser Kolumnist den toten Hibiskus im Garten plötzlich nicht mehr ersetzen wollte.

Von Andreas Austilat

Alle müssen sparen, nicht nur ich, auch die Berliner Bezirke. Und im Unterschied zu mir wissen die ganz genau wie viel, nämlich drei Millionen Euro bei der Parkpflege in den nächsten zwei Jahren. Die hat ihnen der Finanzsenator gestrichen, so konnte man es vergangene Woche in der Zeitung lesen. Natürlich habe ich sofort überlegt, wie viel bei mir drin wäre, wenn ich ein Ausgabemoratorium für unseren Garten verkünden würde. Der ist ja im Grunde auch so etwas wie eine schmale Grünanlage. Nur eben privat.

Berlin hat 65 Millionen Quadratmeter öffentlichen Grüns. Wenn ich die jetzt durch drei Millionen Euro teile, komme ich auf knapp 22 Euro pro Quadratmeter, die der Finanzsenator als Einsparpotenzial erkannt hat. Flugs multiplizierte ich also unsere paar Quadratmeter Grün mit 22 und kam auf einen Betrag deutlich jenseits der 3000 Euro. Ich war elektrisiert.

Beim Frühstück habe ich es dann verkündet: „Der tote Hibiskus wird nicht mehr ersetzt.“ Gleiches gelte für das Tränende Herz, schadhafte Stellen im Rasen werden auch nicht mehr nachgesät, überhaupt wird weder gemäht noch gewässert, bis wir 3000 Euro eingespart haben. Ich meine, wir haben noch die Terrasse, das reicht doch zum Draußensitzen! Alles andere ist verzichtbar.

Meine Frau war so überrascht, dass sie erst einmal gar nichts sagte. Schließlich gab sie zu bedenken, dass es uns viel teurer käme, wenn wir die Dinge zwei Jahre lang schleifen ließen. Mit Reparaturen sei es dann nämlich nicht mehr getan. Stattdessen würden wir neu pflanzen müssen.

„Wer spricht von neu pflanzen“, entgegnete ich. Und schlug stattdessen vor, dass wir einfach mehr Kies verstreuen. Das ist neuerdings Trend. Machen andere sparsame Hausbesitzer auch und brauchen sich um gar nichts mehr zu kümmern. Wir müssten uns allerdings beeilen, es gibt bereits Bundesländer, in denen sich die Stimmen mehren, die die Schotterei im Vorgarten verbieten wollen. Weil dann die Bienen nirgends mehr landen können.

Eine Scheidung käme sehr viel teurer als 3000 Euro

Das war der Moment, in dem meiner Frau der Kragen platzte. Der Spargarten, den ich entworfen hatte, würde ihr schlechte Laune machen. Und das sei der entscheidende Punkt. Unsere kleine Grünanlage sei doch nicht nur Deko. „Die dient dem Wohlbefinden!“, sagte sie lauter als nötig. Ich würde schon sehen, was ich davon hätte.

Ich dachte daran, sie zu fragen, wie sie das denn meine. Aber sie war auf dem Weg nach draußen und hatte die Rosenschere in der Hand. Kein guter Zeitpunkt, die Diskussion fortzusetzen.

Überhaupt scheint mir das ganze Unterfangen riskanter zu sein, als ich zunächst angenommen hatte. Eine Scheidung käme zum Beispiel sehr viel teurer als 3000 Euro. Ich fragte mich, ob der Finanzsenator bedacht hatte, dass er womöglich eine Stadt voller schlecht gelaunter Bürger bekommt.

Dann las ich, dass er schon versucht hat zu beschwichtigen. Die BSR solle künftig häufiger in den Parks kehren und so zur Entlastung der Bezirke beitragen. Nachdenklich ging ich nach draußen und bemerkte eine Plastikfolie, die der Wind gegen mein Knie wehte. Ich erreichte den riesigen Haufen gelber Säcke vor der Tür. Krähen hatten bereits begonnen, die dünnen Hüllen aufzupicken. Seltsam, die Säcke hätten eigentlich längst abgeholt werden sollen.

Ich rief bei der BSR an. Die nette Frau am anderen Ende erklärte mir, sie wisse auch nicht, warum wir vergessen worden seien, versprach Abhilfe. Naja, dachte ich, vielleicht pflegen ihre Leute gerade irgendwo einen Park.

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