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Vorsicht Glatteis! Vor einer Woche herrschte auf den Berliner Straßen Ausnahmezustand.

© imago/STPP

Die Sparkolumne: Wie ich gegen den Winter wettete

In diesem Jahr war ich nicht ein einziges Mal zum Schneefegen draußen. Jetzt, im März, sah ich mich bereits als einen Gewinner des Klimawandels. Bis vergangenen Montag.

Von Andreas Austilat

Am Montagmorgen, ich war in der Schlummerphase, da drang ein Wort aus dem Radiowecker durch meinen Thalamus: „Ausnahmezustand.“ Es erreichte mein Bewusstsein, ich schreckte hoch, verdammt, es hatte draußen geregnet, jetzt war es glatt!

In meiner Einbildung sah ich stürzende Briefträger und rutschende Zeitungsboten. Ich habe nämlich gespart in diesem Winter, und zwar den Schneereiniger. Seitdem muss ich raus, wenn es draußen glatt wird.

Im Bad beruhigte ich mich ein wenig. Die Zeitung war schon da, und der Briefträger kommt, wenn überhaupt, erst nachmittags. Ansonsten läuft bei uns um diese Zeit draußen kaum einer vorbei. Im Übrigen war nicht ich es, der gekündigt hatte, sondern der Schneereiniger. Nicht nur mir, sondern unserer ganzen Zeile, vier zusammenhängenden Häusern. Lohnte sich nicht für ihn, hat mir unsere Nachbarin erzählt, weil auf dem Gehweg dauernd Autos parken, kommt er mit seinem Räumvehikel nicht durch. Also müssten die Schneefeger von Hand reinigen, dafür hätten wir nicht bezahlt.

Toll. Ich war auf den Service sowieso nicht gut zu sprechen. Wenn es wirklich einmal schneite, kam er ziemlich spät. Ich glaube, das hängt in Berlin damit zusammen, dass immer der Grundstückseigner bei Glätte haftet. Warum sollte sich der Schneereiniger also beeilen?

Ich war in diesem Winter nicht ein einziges Mal zum Fegen draußen

Früher wäre ich beinahe selber mal Schneereiniger geworden. Ein Ex-Klassenkumpel hatte so eine Firma gegründet und heuerte Studenten aus seinem Bekanntenkreis an. Das Ganze war eine Art Wette. Er bezahlte seinen Fegern eine Pauschale, blieben es weniger Einsätze, verdiente man gut, wurden es mehr, hatte man Pech. In der Praxis funktioniere das nicht immer. Wenn spätnachts in der Kneipe der Anruf kam, es schneit, jetzt geht es los, stellte sich manch einer taub. Oder er war gar nicht mehr einsatzfähig.

An all das musste ich denken, als uns die Reinigungsfirma kündigte. Und beschloss, es selbst zu machen. Tatsächlich war ich in diesem Winter nicht ein einziges Mal zum Fegen draußen. Jetzt, im März, sah ich mich bereits als einen Gewinner des Klimawandels.

Bis vergangenen Montag. Missmutig trat ich also mit meinem noch nagelneuen Besen und einer Tüte Streu vor die Tür. Aber da war kaum was. Ich griff trotzdem in die Tüte, verteilte zwei Hände voll Splitt. Mittwoch fielen wirklich ein paar Flocken. Ich holte wieder den Besen, aber schon waren sie getaut.

Auf der Streutüte steht übrigens kein Haltbarkeitsdatum. Prima, die ist nächstes Jahr noch gut. Wieder mal gespart.

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