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Rote Formel. In nur fünf Sekunden beschleunigt die „Red Force“ auf 180 Stundenkilometer, 4G Fliehkraft drücken die Mutigen tief in den Sitz.

© Ferrari Land, J.Prosinger

Europas wildeste Achterbahn: In der Glückskurve

Bei Barcelona hat Ferrari die schnellste und höchste Achterbahn Europas errichtet. Doch die eigentliche Sensation sind nicht die km/h. Sondern die Besucher.

Von Julia Prosinger

Glück ist ein Gefühl, das man hören kann.

Ein Rummel ertönt, noch bevor man ihn sieht, bevor man das Popcorn riecht und die Zuckerwatte schmeckt. Zuerst dröhnen die Achterbahnen, dann antworten, wie in einer perfekt einstudierten Sinfonie, die Achterbahninsassen mit Gebrüll, kreischend stimmen die Bremsen ein, es ist ein Crescendo der Erleichterung.

In Tarragona, eine Stunde südlich von Barcelona, an der Costa Dorada, ist dieses Jahrmarktskonzert ebenso zu hören. Nur klingt es eine Oktave tiefer als gewöhnlich. Hier kreischen Männer. Hauptsächlich. Zumindest im „Ferrari Land“, das als Anbau zur „Portaventura World“, einem der weltgrößten Freizeitparks , im vergangenen April eröffnet hat und den Mythos Ferrari auch in Spanien verbreiten soll.

Die Umrisse eines Penis - das muss reichen

Dort steht die schnellste und höchste Achterbahn Europas. „Red Force“ heißt sie und verfügt über keinen einzigen Looping – der „Smiler“ im englischen Staffordshire hat 14. Sie täuscht keinen Zusammenprall mit einem Casino vor wie der „Desperado Coaster“ in Las Vegas, und ihre Passagiere werden auch nicht, wie im Europa Park Rust, mithilfe von Virtual-Reality-Brillen auf den Rücken eines rosafarbenen Drachens katapultiert.

Die Red Force hat das gelbe Ferrari-Emblem auf der Flanke und die Umrisse eines gigantischen Penis. Das muss reichen.

Am Eingang begegnen einem vor allem erwachsene Männer. Einer trägt gerade einen Plüschdalmatiner über einen künstlichen Bachlauf. In ihren kurzen Hosen sehen sie nicht so aus, als könnten sie sich jemals einen Sportwagen leisten. Dankbar kaufen sie stattdessen Unmengen kleiner rot lackierter Autos im Shop.

Man könnte ewig zusehen - aber jetzt ist die Achterbahn dran

Auch Speed kann man hier kaufen: In einem stickigen Raum quetschen sich dicke Männer in Rennwagen und fahren auf einer Leinwand um die Wette. Andere wechseln Plastikreifen an einem Plastikauto, eine Uhr stoppt die Zeit. Im Museum erzählt ein Hologramm-Enzo-Ferrari von seinem Lebenswerk und schickt seine Jünger in einen 4-D-Flugsimulator durch Pinienwälder – echter Pinienduft wird versprüht –, über die chinesische Mauer, Sankt Petersburgs Kuppeln, über Klippen – echtes Wasser spritzt.

Manche träumen sich jetzt noch eisschleckend durch die nachgebauten italienischen Gassen in die Ferrari-Heimat Maranello. Ganz kleine Männer langweilen sich in einem Ferrari-Karussell, größere lassen sich an einem Turm, der einem Kolben nachempfunden ist, in die Luft schießen. Man könnte ewig zusehen. Aber schließlich muss man tun, wozu man gekommen ist. Die rote Kraft spüren.

Kein Schultergurt?

Aus der Schlange strömen einem gebrochene Männer entgegen. Sie trauen sich nicht. Als man sitzt, ahnt man warum. Kein Schultergurt? Kein Schultergurt. Sogar Formel-1-Piloten fahren mit Schultergurt! Kein Schultergurt. Nur ein Bügel um die Hüfte. Für mehr Freedom. Mehr simulierte Angst bedeutet mehr Adrenalin, bedeutet mehr Glück.

Fünf Sekunden braucht der rote Zug, bis er, durch Magnetfelder unterstützt, 180 Stundenkilometer erreicht hat. Pah, der „Accelerator Coaster Formula Rossa“ in Abu Dhabi beschleunigt schneller – auf 240! Wurde das Gefährt hier überhaupt ordentlich getestet? Das Ingenieurbüro Intamin hat alle bedeutenden Horrorbahnen dieser Erde erbaut. Beruhigend.

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Es wirkt die Kraft von 4G

Kickstart. Zwölf Hinterköpfe schlagen gegen gepolsterte Sitzlehnen, rasen auf den roten Penis zu, zwölf Mäuler japsen nach Luft, schlucken Himmel, nun wirkt die Kraft von 4 G, das vierfache Körpergewicht drückt einen in den Sitz, was Sebastian Vettel kann, kann doch jeder, jedenfalls kurz, der Ritt dauert keine 30 Sekunden, lächerlich, wer da den Schultergurt vermisst, die Augen kapitulieren vor dem Gemisch aus katalonischer Sonne und heißem Fahrtwind, öffnen sich nur kurz, als der Waggon eine gute Sekunde lang hält, erblicken das glitzernde Mittelmeer, war da ein Dampfer?, Wie hoch ist das hier? – 111, der Kölner Dom gewinnt um 46 Meter, dann schmeißt die Bahn einen seitwärts und schließlich senkrecht hinab, „Airtime“, gefühlte Schwerelosigkeit, zwölf Hinterköpfe drücken in die Lehnen, Mäuler schlucken Boden.

Die Bassstimmen schreien noch im Kanon, da hat die Red Force längst erstaunlich sanft abgebremst. Hey, hier hatte doch gar keiner Zeit, echte Angst zu entwickeln! Zu kurz fürs große Glück.

Tipps für Portaventura

Hinkommen

Am günstigsten fliegt man von Berlin nach Barcelona mit Ryanair oder Easy Jet (Schönefeld) in unter drei Stunden, ab 30 Euro. Von Tegel starten auch Germanwings, Vueling und Iberia. Mit einem Leihwagen fährt man nun 110 Kilometer südwestlich, es gibt auch einen Shuttleservice, der Parkbesucher kostenlos transportiert.

Reinkommen

Ein Tag Ferrariland kostet 20 Euro (ermäßigt 16), kombinierte Tickets mit der PortaventuraWorld gibt es ab 55 Euro (47). Mehr Infos unter: portaventuraworld.com

Unterkommen

Zur Parkanlage gehören diverse Hotels – etwa im Stil des Wilden Westens oder eines Fischerdorfes. Pro Person kostet die Nacht hier ab 79 Euro, es gibt auch Stellplätze für Wohnmobile.

111 Meter ragt die "Red Force" in den katalonischen Himmel - der Kölner Dom gewinnt um 46 Meter. Oben angekommen schmeißt die Bahn einen seitwärts und schließlich senkrecht hinab.
111 Meter ragt die "Red Force" in den katalonischen Himmel - der Kölner Dom gewinnt um 46 Meter. Oben angekommen schmeißt die Bahn einen seitwärts und schließlich senkrecht hinab.

© Julia Prosinger

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