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Schön düster: das Haus in Krailling.

© Florian Holzherr

Fassaden-Trendfarbe: Mitten ins Schwarze

Die neue Trendfarbe für Fassaden provoziert, denn mit ihr wird eher Negatives verbunden. Doch Architekten schätzen das Schwarz am Bau.

Damit hatte er nicht gerechnet. Dass der Bau Aufsehen erregt, das schon, das war schließlich Programm. Roger Bundschuh hatte das Wohn- und Geschäftshaus am U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz zusammen mit der Künstlerin Cosima von Bonin als rasante Bauskulptur entworfen, als schwarzen Monolith in exponierter Lage. Als „Provokation bürgerlicher Erwartungshaltung.“ Aber die Flut erregter Gefühlsausbrüche, die hat ihn überrascht. Was als Statement gemeint war, begriffen viele Passanten als Zumutung, ja, Angriff.

Sie haben immer häufiger Grund, sich zu empören. Denn Schwarz ist in. Bei Büro- und Geschäftshäusern schon seit längerer Zeit, kommt es inzwischen auch bei Wohn- und Ferienhäusern immer häufiger zum Einsatz. Vor allem bei solchen mit Anspruch; künstlerischer Einfluss, das Vorbild monochromer Malerei machen sich da bemerkbar. Ist das noch Architektur oder schon Skulptur?

Auch wenn selbst die Spardabank mit einem dunklen Holzhaus Werbung macht: Ein flächendeckender Trend ist die neue Düsternis noch nicht. Die Bauten bleiben Solitäre, die zwischen weißen, grauen, gelben Nachbarn umso stärker hervorstechen. Genau das sollen sie auch, das macht das Schwarz bei Architekten so beliebt: dass es was Besonderes ist. Anders.

„Das schwarze Haus“ wird der Umbau in Krailling genannt, mit dem der Münchener Architekt Peter Haimerl Furore machte. Als gäbe es kein anderes. Haimerl hat das Haus als Stachel in einer 30er-Jahre-„Nazi-Siedlung“, wie er sie nennt, gestaltet. Er wollte der altdeutschen Geraniengemütlichkeit, dem Netten, Adretten etwas entgegensetzen. Wollte auf die düstere Vergangenheit aufmerksam machen statt sie zu übertünchen, indem er eine schwarze Bitumenhaut von der Straße übers Dach bis nach hinten zog; nur die Seitenwände sind weiß. Dass er dafür nicht attackiert, sondern mit dem bayerischen BDA-Publikumspreis 2007 belohnt wurde, belegt die Ambivalenz des Schwarzen.

Eigentlich ist Schwarz was für Ängstliche: Damit, glauben viele, kann man nichts falsch machen, das passt immer. So wie das kleine Schwarze. „Eleganz ohne Risiko,“ nennt Eva Heller das in ihrem Grundlagenwerk über die Wirkung von Farben. Es gab eine Zeit, da musste man Sofa, Tisch und Stuhl, ja selbst Teller und Besteck nur in Schwarz tunken, schon galt es als edles Designerstück.

Wie verdammt viel man damit falsch machen kann, konnten die Bauherren des Geschäftshauses am S-Bahnhof Berlin- Pankow erleben. Seit über einem Jahr tobt dort der Streit um die düstere Fassade.

Denn Schwarz macht Angst, auch davon erzählt Eva Heller. Wer ihr Buch durchblättert, kriegt das Gruseln, alles Schlechte und Böse dieser Welt scheint schwarz zu tragen. (Zumindest der westlichen Welt.) Schwarzhandel, Schwarzsehen, anschwärzen, Schwarzer Tod, Schwarzfahren, Schwarze Liste, Schwarzarbeit, Schwarzhemden ... Schwarz steht in unserer Kultur für Trauer und Tod, die Gefahren der Nacht. Für Kandinsky ist Schwarz „ein Nichts ohne Möglichkeit, wie ein totes Nichts nach dem Erlöschen der Sonne, wie ein ewiges Schweigen ohne Zukunft und Hoffnung“. Nicht zufällig war es die Farbe der Existenzialisten.

Roger Bundschuh macht nicht den Eindruck eines depressiven Menschen, er lacht viel und verschmitzt. Die negativen Reaktionen auf seinen Bau in Mitte, die er wie die positiven alle gelesen hat, haben ihn nicht umgehauen. Er selber empfindet es ganz anders: Den offenporigen, matten Sichtbeton erlebt er als anziehend, nicht abweisend. Das Haus ist für ihn auch eine Antwort auf die klassische Moderne, die ganz auf die Form gesetzt hat. „Farbe galt als bourgeois. Gropius war gnadenlos weiß, Corbusier auch.“

Bisher waren Architekten eher bekannt dafür, schwarz zu tragen, als schwarz zu bauen. „Why do architects wear black?“ heißt ein lustiges kleines Buch, das Architekten antworten lässt. „Weil es zeitlos ist“, glaubt Meinhard von Gerkan. „Um nicht denken zu müssen“, sagt Gerd Erhartt. Um sich minimalistisch und puristisch zu geben, vermutet Herbert Schultes. „Damit die Augen zur Geltung kommen,“ meint Gregor Eichinger.

In der Tat: Die „unbunte Farbe“ gilt als perfekter Hintergrund, vor dem Rot, Grün, Gelb und gerade Weiß umso stärken leuchten. Weswegen Restaurants heutzutage auch so gern Käse, Vorspeisen und Desserts auf Schieferplatten servieren. Bundschuh spielt mit dem Kontrast, dem Weiß im Inneren. „Als radikalen Hintergrund für ein quirliges, buntes Familienleben“ hat Henning Baurmann sein Wohnhaus konzipiert, das er an den süddeutschen Waldrand gestellt hat. „Einem Scherenschnitt gleich soll es sich vom Himmel abheben – radikal einfach, pur, archaisch“, so liest man im Band „Häuser des Jahres“ (Callwey Verlag). Unter den „50 besten Einfamilienhäusern 2013“ findet sich dort eine ganze Reihe (fast) schwarzer Bauten, etwa aus dunkel lasiertem Holz.

Erst wenn aus der Kulisse plötzlich der Hauptdarsteller wird, regt sich offenbar Protest. Die Masse macht’s: Je größer, desto abschreckender. All die schwarzen Autos, die Mäntel und Abendkleider sind nur Tupfer in einer bunten Stadtwelt. Ein Monolith dagegen hat in seiner Massivität etwas Bedrohliches, Abweisendes. Im Dresden des 18. und Düsseldorf des 19. Jahrhunderts waren schwarze Fassaden gleich ganz verboten.

Der neue Trend hat nicht zuletzt etwas mit neuen Möglichkeiten zu tun. Außer Schiefer sieht die Natur keine schwarzen Baustoffe vor; bei den von Menschen gemachten Materialien stößt man ebenfalls an Grenzen. Der Bau am Rosa-Luxemburg Platz zum Beispiel ist gar nicht so dunkel, wie der Architekt ihn gern hätte. Beim Sichtbeton, der mit Pigmenten gefärbt wird, ist irgendwann Schluss, so Roger Bundschuh, „da kann man noch so viele dazutun, dunkler wird er nicht mehr. Und Putz reißt irgendwann.“ Die meisten „schwarzen“ Häuser sind denn auch gar nicht schwarz, sondern dunkelgrau, anthrazit. Wer’s pechschwarz haben will, muss schon zum Beispiel lackierte Paneele nehmen, die mit ihrer Undurchlässigkeit allerdings extrem abweisend wirken.

Die Bauindustrie hat auf den verstärkten Bedarf reagiert und unter anderem dunkleren Putz entwickelt – die Verfügbarkeit dunklerer Materialien wiederum verführt dazu, finster zu bauen. Schwer zu sagen, was nun Henne ist und was das Ei.

Die Emotionalität der Debatte ist nicht neu. Schon immer hat es Krach gegeben, wenn ein Bau sich abhebt, statt sich einzufügen. Gerade bei späteren Ikonen, wie Architekturpsychologe Peter Richter erzählt. „Auch gegen den Eiffelturm gab es einen Sturm der Empörung.“

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