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Selbst am Rheinufer kann man wunderbar abschalten. Mit geringem Risiko.

© dpa

Ferien im eigenen Land: Urlaub in Deutschland ist sinnvoll – aber Fernreisen müssen auch wieder sein

So vernünftig das Verreisen im eigenen Land ist – wir brauchen den Kulturaustausch. Denn wir wollen keinen Rückfall in nationale Überheblichkeit. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Gerd Appenzeller

Bei vielen Deutschen, die jetzt in den Urlaub gefahren sind, oder gerade über einen Urlaub nachdenken, reist eine gewisse Angst mit.

Was wir gerade erleben, ist aber nicht eine neue Variante des seit Jahrzehnten bekannten Phänomens der „German Angst“, der deutschen Furcht – vor dem Waldsterben, vor einer atomaren Katastrophe, vor einem Krieg.

Der Historiker Herfried Münkler hat den Ursprung dieser deutschen Ängste auf den Dreißigjährigen Krieg zurückgeführt, als ein Ur-Trauma.

Dieser europäische Krieg hatte das Gebiet des heutigen Deutschland verwüstet. Fast ein Drittel der damaligen Bevölkerung starb durch Hunger oder Gewalt.

Das Auswärtige Amt holt nicht noch einmal die Reisenden zurück

Der heutige Gegner ist unscheinbar klein und dennoch Träger heimtückischer Waffen. Es ist das Coronavirus, und sicher vor ihm, zumindest aber im Falle einer Erkrankung hinreichend umsorgt, fühlen sich viele Deutsche nur in Deutschland.

Die Ereignisse der vergangenen Monate unterstützen diese Einschätzung. Das deutsche Gesundheitssystem, die Entscheidungen der Bundes- und der Landesregierungen haben jeweils auf ihre Art dazu beigetragen, dass die Zahl der Opfer von Covid-19 bei uns vergleichsweise gering ist. Also macht man Urlaub am besten in den deutschen Grenzen?

Ja, und das hat nicht nur mit einer irrationalen Angst zu tun, sondern mit nüchternen Risikoabwägungen.

Wie bin ich in, sagen wir, Italien oder Spanien, geschützt, wenn dort Corona-Infektionen ausbrechen? Wie ist das Krankenhauswesen organisiert? Komme ich wieder nach Deutschland zurück?

Das Auswärtige Amt hat bereits erklärt, dass es nicht noch einmal 250.000 Deutsche aus der ganzen Welt einfach in die Heimat zurück transportieren lassen werde. Man habe schließlich gewarnt.

Mehr Menschen wollen ökologisch nachhaltig reisen

Der Tourismus-Experte Alexis Papathanassis verband am Samstag im Tagesspiegel-Interview mehrere, sich überlagernde Fernreisehemmnisse zu einem Phänomen, das die gewohnte Art des Reisens verändern werde: Zur Angst vor Corona kämen die lange diskutierten Folgen vor allem von Flug- und Kreuzfahrtreisen für die Umwelt hinzu.

Die Furcht vor Krankheit und die Forderung nach ökologischer Nachhaltigkeit führten dazu, das Reisen mit anderen Augen zu betrachten. Wenn die Bevölkerung im eigenen Land verreise, bliebe das Geld auch in Deutschland, käme Hotels und Ferienhausbesitzern direkt zugute.

Mehr Urlaub in Deutschland, das ist auf jeden Fall eine gute Idee. Wer einmal im Schwarzwald oder im Harz, an der Müritz, am Bodensee, im bayerischen Voralpenland oder an Ost- und Nordsee mit Kindern Urlaub gemacht hat, weiß, wie schön das sein kann. Und der Spaßfaktor einer Wanderung oder Radtour ist einfach unschlagbar.

Andere Kulturen kennenzulernen, bleibt aber wichtig

Wozu das allerdings nicht führen darf: Zu einer Zurück-zu-den-Wurzeln-Mentalität. Nichts schützt mehr vor nationaler Überheblichkeit als im Urlaub zu erfahren, wie die Menschen anderer Nationen miteinander umgehen.

Und Fernreisen haben vielen tausend jungen Deutschen die Möglichkeit eröffnet, andere Kulturen kennen zu lernen.

Noch vor wenigen Jahrzehnten war das ein Privileg einer kleinen, wohlhabenden Minderheit. Dahin zurück will uns doch wohl niemand ernsthaft treiben? Nein, wir müssen lernen, uns an der Welt zu erfreuen, ohne sie zu beschädigen. Klingt anspruchsvoll. Geht aber. Und Angst haben muss man davor auch nicht.

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