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Therapie. Fidget Spinner wurden als Hilfe für Kinder mit ADHS erfunden.

© imago/Reporters

Fidget Spinner und andere Spielzeug-Trends: Finger, fertig, los!

Der Trend aus den USA ist auch in Berlin ausgebrochen: Fidget Spinner sind so beliebt, dass sie vielerorts ausverkauft sind. Wo kommen diese Propeller plötzlich her? Ein Spiel-Hype und seine Vorgänger.

Von Ronja Ringelstein

Wenn das Telefon in seinem Laden klingelt, meldet sich Martin Elschenbroich inzwischen nur noch so: „Spielvogel, wir haben Fidget Spinner, was kann ich für Sie tun?“ Und besucht man ihn in dem Wilmersdorfer Geschäft an der Uhlandstraße, vergehen keine zehn Minuten, in denen nicht ein erwachsener Mann, eine Gruppe von Schulkindern oder eine Frau in Begleitung ihres Sohnes an den Verkaufstresen treten und fragen: „Haben Sie Spinner?“

Elschenbroich, Einzelhändler, hat sie. Vor etwa vier Wochen ist der Hype aus den USA auch in Berlin ausgebrochen. Die Nachfrage ist so groß, dass die Spielwarenkette Toys ’R’ Us in der Mall of Berlin ein Schild an der Tür anbrachte: „Wir haben keine Fidget Spinner“, stand da drauf, die Ware war kurzzeitig ausverkauft. Nun habe man aber ordentlich nachbestellt, versichert eine Mitarbeiterin.

Elschenbroich sitzt mit einem gelben Exemplar fuchtelnd in seinem Büro im Spielvogel. „Selbst meine Mutter mit 76 Jahren kann Tricks“, sagt er. Von ihr hat er 2002 das Geschäft übernommen. Er hält das Kugellager in der Mitte des Spinners zwischen Daumen und Zeigefinger, dann gibt er einem der drei Propeller einen ordentlichen Stups, und das Ding dreht sich surrend. Das ist der Moment, in dem man – wenn man kann – mit den Kunststücken beginnt. Manche setzen sich das Teil auf die Nase, die Zehen, werfen es sich gegenseitig zu und fangen es, ohne die Drehung zu unterbrechen.

Während der Spielende Spaß hat, ist der Zuschauer schnell genervt – klar, das steckt schon im Namen: „Fidget“ ist der Zappelphilipp. „Wir verkaufen unerwartet hohe Mengen, die die Lieferanten nicht bedienen können“, die Preisspanne reiche von 4,99 bis 29,99 Euro, sagt Elschenbroich. Er fühlt sich an das Jojo erinnert oder an den Hula Hoop. Seine Erfahrung sagt ihm, dass die Begeisterung vielleicht drei Monate anhalten wird. So sei das immer. Aber manche Trends kommen zurück:

FINGERBOARDS

Wer die draufhatte, galt in den späten 90er Jahren und Anfang der 2000er als der Coolste der Schule: Tricks mit den Fingerboards, kleinen Skateboards, auf denen Zeige- und Mittelfinger so tun dürfen, als seien sie Beine. Auf den Tischen in der Klasse wurde geflipt, gegrindet und geslidet, an Federtasche-Stift-Halfpipes entlang. Inzwischen gibt es eine richtige Weltmeisterschaft – auf richtigen Minihalfpipes. Die Boards haften wie magnetisch an den Fingerkuppen, wenn man die Technik beherrscht. „Fingerskateboards haben einen Sieben-Jahres-Zyklus. 2003 waren sie sehr beliebt, dann flaute es ab bis 2010, und dann ging es wieder los. Und jetzt auch wieder“, sagt Spielekenner Martin Elschenbroich.

Fingerboards sind wieder cool.
Fingerboards sind wieder cool.

© imago/imagebroker

FLUMMI

Doing. Doing. Doing. Man muss kein Kind sein, um mit diesem flippigen Ball Spaß zu haben. Bis er hinterm Schrank verschwindet. Das typische Ende eines Flummispiels. Seine Hochzeit hatte dieser Gummiball in den 70er Jahren, sagt Martin Elschenbroich, doch beliebt war er seitdem dauerhaft. Einen Hype gab es aber nie wieder – inzwischen habe sich der Ball in den Kinderzimmern schlicht etabliert. Flummi ist ein Kofferwort. In dem Walt-Disney-Film „Der fliegende Pauker“ von 1961 erfindet ein verrückter Professor eine Gummimischung, die an Energie gewinnt, wenn sie auf Flächen stößt. Er nennt sie „Flubber“, nach dem „Flying Rubber“, im Deutschen wurde aus dem fliegenden Gummi also exakt übersetzt: der Flummi.

INTELLIGENTE KNETE

Dieses Zeug erinnert Kinder der 80er an den auch durch „Ghostbusters II“ bekannten „Slime“. Spielwarenverkäufer Martin Elschenbroich ist von der neuartigen Knete begeistert: „Hüpft wie ein Flummi. Mal reißt sie, mal ist sie zäh, zerspringt wie Glas, zerfließt wie Wasser, ist antibakteriell. Die eine Sorte verfärbt sich, die andere leuchtet bei Nacht, eine ist magnetisch.“ Der Trend kam aus den USA nach Deutschland. Erfunden wurde die Masse schon 1943 bei dem Versuch, Gummi ohne Kautschuk herzustellen.

Zum Haareraufen. Zähneausbeißen. Verrücktwerden

Klein, rund, bunt. Flummi steht für "fliegender Gummi".
Klein, rund, bunt. Flummi steht für "fliegender Gummi".

© imago/Karlheinz Pawlik

JOJO

Am 21. Februar 1984 berichtete der Tagesspiegel über eine Epidemie: „Es ist wie die Grippe, plötzlich grassiert sie, und keiner weiß, woher das Fieber gekommen ist.“ Die Rede war vom „Jojo-Virus“ und einer „neuen Popularität des alten Spielzeugs“. Bereits um 1790 hatte das „Joujou de Normandie“ die erste Trendwelle ausgelöst – selbst feine Pariser Damen hielten damals in der einen Hand den Fächer, aus der anderen ließen sie galant ein Jojo abrollen. „2003 gab es den letzten großen Jojo-Hype“, sagt Martin Elschenbroich. Woher die Wellen kommen, weiß auch er nicht sicher. Manchmal reiche es aber schon, dass ein Spielzeug zum Beispiel in einem Musikvideo auftauche – und hier von den Fans wiederentdeckt werde. Und wieder. Und wieder.

MURMELN

Im Trend liegen die Spielkugeln lange nicht mehr, sagt Elschenbroich. Aber natürlich taten sie es mal – das erzählt die Elterngeneration, die in den 50er Jahren Kind war. Da wurden die eigentlich uralten Murmeln, die ältesten Funde datiert man auf 3000 vor Christi, massentauglich. Japan brachte damals „Cat’s eyes“ (Katzenaugen) auf den Markt. Die typisch farblich marmorierten Glaskugeln, auch Bucker, Klickern oder Datzer genannt, waren preiswert und bald ein Muss für die Schulpausen. Auch heute hat wohl fast jedes Kind noch ein paar Murmeln in irgendeiner vergessenen Kiste.

SPIRALE

„Das ist auch ein Ding, das plötzlich jeder hatte“, sagt Elschenbroich. In den 80ern und 90ern waren die „Slinkys“, wie sie auf Englisch heißen, im Trend. Aber wieso hatte die eigentlich jeder und jede im Kinderzimmer? Kann man damit mehr machen, als sie die Treppe herunterlaufen zu lassen oder sie mit beiden Händen hin- und herzuwippen? Ja. Diese Antwort geben verschiedene Videos auf Youtube. Herumschleudern, sich dabei drehen, hochwerfen, sie wieder auffangen, eine Seite festhalten, die andere schnellt zum Boden und zurück – und dabei diese hübschen Farbwellen erzeugen. Die bunte Spirale hat großes Revival-Potenzial. Deshalb heißt es ab jetzt: Üben.

ZAUBERWÜRFEL

Zum Haareraufen. Zähneausbeißen. Verrücktwerden. Wer hat den verdammten Würfel so verdreht? In 43 Trillionen (!) Positionen lässt er sich stellen. Profis bringen ihn in Sekunden zurück in seine Ausgangslage. Er ist die Enttäuschung eines jeden ungeduldigen Kindes auf der Suche nach schnellem Spaß. Einen Hype löste der Rubikwürfel vor fast 40 Jahren aus. Der Ungar Erno Rubik erfand ihn 1974, sechs Jahre später war der Geduldsklotz in der BRD zu bekommen. 1981 konnte die US-amerikanische Firma, die die weltweiten Verkaufsrechte hatte, die Nachfrage nicht befriedigen – und nachgeahmte Billigprodukte überfluteten den Markt. Seitdem steht wahrscheinlich in jedem Haushalt mindestens ein verstaubtes Exemplar im Regal.

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