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Schöne, bunte Bügelwelt - für manche ist's fast wie Meditation.

© Mike Wolff

Hausarbeit: Bügeln: Entspannung oder Zeitverschwendung?

Bügeln ist die meistgehasste Aufgabe in deutschen Haushalten – sagt eine aktuelle Umfrage. Doch es gibt Menschen, für die ist Wäscheglätten wie Meditation. Welcher Bügeltyp sind Sie?

PRO BÜGELN Von Susanne Kippenberger

Als der Anruf kam, stand sie am Bügelbrett. Dabei fehlt ihr nach eigenen Angaben die Geduld dazu: Normalerweise überlässt Swetlana Alexijewitsch das Bügeln ihrer Haushaltshilfe. Aber die war gerade krank. Und das war gut so. Denn die Schriftstellerin ahnte, dass ihr der Literaturnobelpreis zuerkannt werden könnte. In den Minuten vor der Verkündung musste sie ihre Aufregung bändigen.

Bügeln beruhigt. Das weiß niemand besser als ich: Andere meditieren, ich glätte meine Blusen. Das Gleichmäßige, fast mechanische Hin und Her hat etwas ungemein Besänftigendes. Ohne einschläfernd zu sein. Ja, im Gegenteil: Während mir auf dem Sofa schon die Augen zuklappen, werde ich beim Bügeln wieder wach, kommt der Kreislauf in Schwung. Praktisch! So muss ich in meinem Berliner Zimmer, dessen Größe in keiner Relation zur Heizung steht, nicht mehr frösteln.

Es gibt nur Liebe oder Hass

Komisch – wenn man sich umhört unter seinen Zeitgenossen, scheint das Bügeln eine hochemotionale Angelegenheit zu sein, die nur zwei Arten von Gefühlen kennt: Liebe oder Hass. Kollegin S. besteht darauf, dass das Ganze sie hochgradig nervös, ja, „rasend“ macht, schon das Herausholen des Bretts empfindet sie als Zumutung. Für Kollegin U. dagegen ist ein Leben ohne Bügeleisen gar nicht denkbar. Mögen andere sie für verrückt erklären, weil sie ihre Bettwäsche bügelt, sie liebt es, aus der Badewanne in ein frisch bezogenes Bett zu steigen. „Das Gefühl, dass es so schön knistert! Das sind die kleinen Wohlfühlmomente, die man sich und anderen schafft.“

Ich hasse Hausarbeit. Und liebe Bügeln. Alles daran, angefangen beim leisen Zischen des Dampfs. Überall macht man sich die Hände schmutzig, beim Wischen, Spülen, Klo-Reinigen. Und kaum ist man fertig damit, ist alles schon wieder verdreckt. Sisyphos lässt grüßen. Was für ein Erfolgserlebnis dagegen die duftenden Stapel glatter, gefalteter Wäsche. Es braucht Tage bis Wochen, bevor die schmelzen.

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Wahrscheinlich liegt es in meinen Genen. Auch meine Mutter hat Hausarbeit gehasst, wenn sie staubsaugen musste, wirbelte sie genauso viel schlechte Laune wie Staub auf. Aber dem Bügeln hatte sie, weibliches Oberhaupt einer siebenköpfigen Familie, ein ganzes Zimmer eingeräumt, in dem sogar eine Mangel stand. Gemeinsam haben wir die Bettwäsche gereckt. Vor allen anderen Haus-Aufgaben haben wir Kinder uns gedrückt, das Recken hat uns Spaß gemacht. Manchmal plätte ich sogar Geschenkband, wie meine Mutter.

Langweilig? Von wegen. Was für andere der „Tatort“, ist für mich das Bügeln: ein Sonntagabend-Medien-Ritual. Am Bügelbrett gucke ich, was ich sonst selten tue, vielleicht bin ich zu protestantisch dazu, mit gutem Gewissen Serien an. Stundenlang, denn da ich keinen Trockner besitze, ist das Bügeleisen mein Weichmacher für alles, ja, auch für Unterhemden. Mein derzeitiger Serien-Liebling heißt „Mr. Selfridge“. „Happy Valley“ hätte ich ohne mein heißes Eisen gar nicht ausgehalten. Immer, wenn es zu brutal wurde, habe ich mich einfach mit Nachdruck auf die Knopfleisten konzentriert. Was ohnehin keine schlechte Idee ist – denn dass ich gerne bügle, heißt nicht, dass ich es gut kann.

Eine Damenbluse kostet 3,69 Euro - wie bitte?

Da ein verkrumpeltes Hemd nun mal verkrumpelt aussieht, verzichten auch die Bügel-Gegner nicht darauf, sie delegieren nur. Doch weil die Welt ungerecht ist, kommt das für mich, selbst wenn ich wollte, nicht infrage. Wenn Männer ihre Hemden in die Reinigung bei mir um die Ecke bringen, kostet sie das 1,29 Euro pro Stück. Eine Damenbluse macht 3,69. Wie bitte? Die müsse man mit der Hand bügeln, lautet die Erklärung.

Wer noch immer glaubt, das Bügeln sei unter seinem geistigen Niveau, dem sei das eben erschienene Bändchen über die verschiedensten Künstler-Musenküsse empfohlen: „Am kreativsten bin ich, wenn ich bügle“ – das Zitat stammt von George Balanchine. Der Choreograf hat sich am liebsten morgens um sieben damit beflügelt.

Contra: Es gibt Dinge, die sehen ungebügelt um Längen besser aus

Dampf ablassen: Manche finden Bügeln nervig.
Dampf ablassen: Manche finden Bügeln nervig.

© dpa

CONTRA BÜGELN Von Moritz Honert

Wer die Wahrheit hören will, sollte auf die Clowns hören. Auf Jerry Seinfeld zum Beispiel. Der US-Komiker brachte die Unverhältnismäßigkeit von Aufwand und Ertrag der manuellen Glättung von Textilien in seiner Sitcom auf den Punkt: Warum, fragte er, soll man ein Hemd bügeln, wenn am Ende eh nur der Kragen oben aus dem Pullover lugt? Eben. Das ist ungefähr so sinnvoll, wie die Innenseite von Radkappen bunt zu lackieren.

Zeit ist ein knappes Gut. Viel zu knapp, um es mit Blödsinn wie Bügeln zu verschwenden. Ich verstehe, dass ein gepflegtes Erscheinungsbild ebenso eine Frage der Ästhetik wie der Höflichkeit ist. Was und wie man sich anzieht, ist ein Ausdruck der Haltung, mit der man seiner Umwelt begegnet. Nun mag ich die meisten Menschen. Deshalb putze ich meine Zähne und Schuhe, gehe regelmäßig zum Frisör und unter die Dusche. Bügeln allerdings trägt nur in den wenigsten Fällen zur Verbesserung bei. Denn tatsächlich dürfte es nicht nur mir, sondern auch meiner Umwelt herzlich egal sein, ob mein T-Shirt, das unter meinem Pullover steckt, oder meine Unterwäsche, die unter der Hose unsichtbar bleibt, gebügelt oder ungebügelt ist. Damit scheidet schon mal die Hälfte aller Textilien als Plättkandidaten aus.

Selbst meine Oma gibt mir recht

Nur vermeintlich komplizierter gestaltet es sich bei der Oberbekleidung. Wolle muss man überhaupt nicht bügeln, und den Menschen, der einen gebügelten von einem ungebügelten Baumwollpullover unterscheiden kann, würde ich gerne mal kennenlernen. Wenn man die Dinger regelmäßig wechselt und ordentlich zusammenlegt, sehen sie beim nächsten Tragen absolut knitterfrei aus.

Kommen wir zum Oberhemd, der „Visitenkarte des gepflegten Mannes“, wie es in alten Werbebroschüren hieß. Selbst meine Oma, die viel auf Etikette hält, erklärte mir kürzlich, dass Bügeln bei den heutigen Stoffen längst nicht mehr so zwingend sei wie noch in ihrer Jugend, als Hemden nach dem Waschen ohne Behandlung mit heißen Eisen ausgesehen haben müssen wie drei Nächte drin geschlafen. Heute kann man sie nach dem Waschen ausschlagen und auf dem Bügel trocknen lassen. Bis man die Kinder in der Kita abgeliefert hat und mit dem Fahrrad im Büro angekommen ist, erkennt kein Mensch mehr den Unterschied.

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Außerdem wollen wir ja nicht vergessen: Es gibt Dinge, die sehen ungebügelt um Längen besser aus als geplättet. Jeans zum Beispiel. Oder T-Shirts. Gibt es schlimmere Stilverbrechen als Bügelfalten in deren kurzen Ärmeln?

Warum also Zeit damit verschwenden? Zur Entspannung? Tut mir leid, Entspannung finde ich woanders, nicht bei der Hausarbeit. Und ich weiß auch nicht, was an diesem hakeligen Tun so beruhigend sein soll, wenn ständig die Hemdsärmel vom Bügelbrett rutschen, Kleider von der viel zu wackeligen Auflage auf den Boden fallen und am Ende dann noch Bügelfalten da sind, wo man keine haben will. Vielleicht würde das mit mehr Übung besser. Ich habe aber gar keine Lust, das zu üben. Bügeln nervt!

Die Hemden zu bügeln kostet mich mindestens 20 Minuten

Es fühlt sich doch so schön an, frisch gebügelte Kleider zu tragen, höre ich manchen verzückt schwärmen. Nur – wie lange denn? 30 Sekunden? Eine Minute? Zwei? Jedenfalls deutlich kürzer, als man dafür am Brett stehen müsste. Drei Hemden zu bügeln kostet mich inklusive Aufbauen und Wegräumen des Brettes, dem Vorheizen des Eisens und dem Aufhängen der Textilien mindestens 20, gefühlt 50 Minuten. Während derer ich ein Buch lesen könnte oder mit den Kindern spielen. Die Alternative, die Hemden in die Reinigung zu fahren und dann fertig abzuholen, spart auch keine Zeit. Geld schon gar nicht.

Also, was soll’s? Fast alles im Leben ist eine Entscheidung zwischen Optionen. Bügeln ist fast immer die unattraktivere. Da bleibt nur, den zweideutigen, aber absolut treffenden Werbeslogan einer Reinigungsfirma zu zitieren: „Bügeln – oder bügeln lassen“.

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