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Waldökologe und Lebensmittelexperte Artur Cisar-Erlach weiß, welche Bäume am besten schmecken.

© Artur Cisar-Erlach

Holz auf dem Teller: So schmeckt der Weihnachtsbaum

Himbeere, Rhabarber, grüne Kartoffeln: Der Waldökologe Artur Cisar-Erlach hat sich durch den Baumbestand gekostet und erstaunliche Aromen entdeckt.

Von Felix Denk

Sein Buch „Der Geschmack von Holz“ gäbe es vielleicht nicht ohne die vierköpfige Biberfamilie, die sich am frühen Morgen durch die Ufervegetation fraß, als Artur Cisar-Erlach gerade mit seinem Kanu vorbeipaddelte. Zu diesem Zeitpunkt forschte der Waldökologe und Lebensmittelexperte schon eine ganze Weile an seinem Thema, kam aber nicht recht weiter.
Wen er auch fragte, die Antwort war entweder: Holz verändert jene Lebensmittel grundlegend, mit denen es in Berührung kam – oder gar nicht. Welche Fraktion hatte nun recht? Und wieso wusste niemand etwas wirklich Substanzielles darüber?

Was macht das Holzfass mit dem Wein?

Im Grunde überkreuzten sich bei Cisar-Erlach zwei Lebensthemen während seiner Forschung. Holz ist das eine. Der 32-Jährige wuchs im Waldviertel in Oberösterreich auf, absolvierte parallel zur Matura in Salzburg eine Schreinerlehre und seine Sommerferien verbrachte er in den endlosen Wäldern von Nova Scotia in Kanada. Das andere Thema ist Essen. Er studierte an der Slow- Food-Universität in Polenza und stieß dort auf das Thema, was Holzfässer genau mit dem Wein anstellen, der in ihnen gelagert wird. Er fragte sich, ob die Holzfässer, jenseits vom bekannten Vanillegeschmack – einem Nebenprodukt der chemischen Transformation der in Alkohol getränkten Holzanteile – auch eigene Aromen entwickelten. Und wenn ja, welche könnten das sein?

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Um es herauszufinden, machte sich Cisar-Erlach auf die Reise. Er forschte nach Produkten, die durch den Geschmack von Holz geprägt sind. Das sind überraschend viele. Ahornsirup und Tee werden direkt aus Bäumen hergestellt. Fleisch und Fisch können durch den Rauch eines Holzfeuers gewürzt und haltbar gemacht werden. Aber auch die neapolitanische Pizza bekommt ihr Aroma vom Buchenholzfeuer, mit dem der Kuppelofen traditionell geheizt wird. Ein Gewürz wie Zimt stammt aus der Rinde eines Zimtbaums, Nelken sind die getrockneten Blüten des Gewürznelkenbaums. Trüffel wiederum wachsen symbiotisch mit den Bäumen und nehmen ihren Geschmack und ihre Farbe an. Ein Aceto Balsamico reift über viele Jahre in verschiedenen Holzfässern.

Lernen von den Bibern

Aber wie schmeckt eigentlich Holz? Hat es ein bestimmtes Geschmacksprofil? Ungefähr an dieser Stelle kamen die Biber zu Hilfe. Die scheuen Tiere essen ja schließlich eine ganze Menge Holz. Genau genommen knabbern sie das Kambium, die vergleichsweise weiche Schicht zwischen der äußeren Rinde und dem inneren Hartholz, in der die Lebensadern des Baumes laufen und die entsprechend reich an Nährstoffen ist. Cisar-Erlach tat es den Bibern nach – und probierte das Holz selbst. Seine ausführliche Wald-Degustation ergab Erstaunliches. Eichenholz besitzt Vanille- und Schokoladenaromen, die Erle zarte Himbeernoten, die Pappel wiederum erinnert an Manuka-Honig und Rhabarber. Aber längst nicht alle Bäume sind ein Genuss. Ahorn schmecke fad, fand Artur Cisar-Erlach, Weidenrinde unangenehm nach grünen Kartoffeln.

Tipp für Baumgourmets: die Kiefer

Bei manchen Bäumen musste er auch ein bisschen nachhelfen. Wenn man Birkenrinde in feine Streifen hobelt und mit einem Schuss Rapsöl in der Pfanne brät, dann schmeckt sie süßlich und nach Stärke, mit einer zarten Bitternote. Als ausgebildeter Schreiner sind ihm die Harthölzer lieber, als Waldgourmet die weicheren Nadelbäume. Lieben gelernt hat Cisar-Erlach den Geschmack der Kiefer. Aus dem Mehl kann man Brot und Kekse backen, aus dem gehobelten Kambium Chips herstellen, wenn man es in Öl brät. Dann bricht die faserige Struktur auf, es behält aber einen feinen Crunch. Die Samen in Lappland und die Ureinwohner Amerikas essen das schon lange.„Einen frischen Kiefernast habe ich eigentlich immer zu Hause“, sagt er. Aus den Nadeln macht er etwa eine waldige Variation der Kräuterbutter: ein Büschel Kiefernnadeln mit dem Küchenmesser fein hacken und mit raumwarmer Butter und einer Prise Salz vermengen. „Isst man sie sofort, schmeckt die Butter ganz fein, über Nacht im Kühlschrank entwickelt sie einen intensiveren Geschmack.“

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Im Frühling sammelt er die Fichtentriebe von den Ästen. Die schichtet er in einem Einmachglas mit Zucker. Nach etwa vier Wochen an einem gleichbleibend warmen Ort ist der Zucker geschmolzen und ein ätherisch schmeckender Sirup entstanden, der nicht nur gut zu Vanilleeis passt, sondern auch gegen Husten und Heiserkeit wirken soll.

Für den Eigenbedarf Sammeln ist erlaubt

Bleibt die Frage: Soll man Bäume überhaupt essen? Immerhin ist der Wald durch den Klimawandel und Fieslinge wie den Borkenkäfer ja gefährdet. Ökologisch gesehen spricht einiges dafür. Slowfood sagt über gefährdete Tierrassen: Was bedroht ist, soll man essen. Denn so entsteht Nachfrage. Die schütze den Fortbestand. Dieses Prinzip könne man durchaus auf Bäume übertragen, findet Cisar-Erlach. Ein paar Dinge muss man aber beachten, wenn man Holz isst. Im Grunde sei es wie beim Pilzesammeln, sagt Cisar-Erlach: Für den Eigengebrauch ist Sammeln erlaubt. Allerdings müsse man sich erkundigen, wem der Wald gehört, in dem man Nadeln, Sprossen und Zweige pflückt. Und wenn man das tut, dann bitte so, dass der Baum nicht zu Schaden kommt, also nicht zu viel nehmen und besser an der Seite als an der Spitze. Außerdem muss man sich natürlich sicher sein, dass der Baum nicht giftig ist. Das sind zwar die wenigsten, aber eine Eibe zum Beispiel sollte man besser nicht auftischen. Das würden die Biber ja auch nicht. Die knabbern lieber Laubbäume.

REZEPTE

Tee aus Nadeln

Einen frischen, feinaromatischen Tee kann man aus Kiefern-, Tannen- und /oder Lärchennadeln brühen. Dazu ein Büschel Nadeln pflücken, gut waschen, mit kochendem Wasser aufgießen und 5 bis 10 Minuten ziehen lassen. Das ergibt einen ganz besonderen Tee. Aber auch aus dem ganzen Ast kann man einen Tee brühen, der eine rötliche Farbe und einen etwas intensiveren Geschmack hat. Das klappt am besten mit einem frischen Kiefernast inklusive Rinde und Kambium, also der weichen Schicht zwischen der Rinde und dem Splintholz in der Mitte. Einen frischen Kiefernast von etwa zwei Zentimetern Durchmesser in einen halben Zentimeter dicke Scheiben schneiden (etwa mit der Gartenschere), gut säubern, mit kochendem Wasser aufgießen und 10 Minuten ziehen lassen.

Aus den Nadeln und den Astscheiben kann man einen Tee brühen.
Aus den Nadeln und den Astscheiben kann man einen Tee brühen.

© Artur Cisar-Erlach

Kiefernnadelpesto

Zutaten (für 2 Personen)

100 g Walnüsse 10 g frische Kiefernnadeln 35 g Parmesan 55 g Olivenöl 75 ml Wasser Salz

Zubereitung
Kiefernnadeln haben ein frisches, etwas zitroniges Aroma, aber auch harzige Noten. Und keine Angst, sie sind auch nicht härter als etwa die von Rosmarin. Alle Zutaten in einen Mixer geben, gut verquirlen und sorgfältig pürieren. Wer die Paste noch etwas cremiger haben möchte, kann einen Schuss Wasser zugeben. Das Pesto passt gut zu Pasta, geröstetem Wurzelgemüse, gegrilltem Fleisch oder zu Brot, einfach als herzhafter Aufstrich.

Es muss nicht immer Basilikum sein: Auch mit Kiefernnadeln gelingt ein cremiges Pesto.
Es muss nicht immer Basilikum sein: Auch mit Kiefernnadeln gelingt ein cremiges Pesto.

© Artur Cisar-Erlach

Planked Salmon

Das haben die nordamerikanischen Ureinwohner schon so gemacht: Man platziert ein daumendickes Brett zwischen Hitzequelle und dem Grillgut, etwa einem Lachs. Als Brett bieten sich Harthölzer an, etwa von Obstbäumen wie Apfel, Kirsche, Pflaume oder Erle, Buche oder aber Hickory, weil diese Sorten nicht so leicht brennen. Wenn man vorsichtig ist, funktionieren auch Nadelhölzer wie die Zeder, die ein wunderbares Aroma hat. Das Holz wird eine Stunde vor dem Grillen im Wasser eingelegt und beschwert, dann kurz über direktem Feuer „aufgewärmt“. Der Fisch wird danach draufgelegt und etwas abseits der Flammen indirekt gegrillt. Währenddessen den Fisch immer mal mit Zitronensaft und Ahornsirup bestreichen. Nach etwa 20 Minuten ist der Lachs fertig gegart.

Grillen, mal anders: Der Planked Salmon ist ein Klassiker in Nordamerika.
Grillen, mal anders: Der Planked Salmon ist ein Klassiker in Nordamerika.

© Artur Cisar-Erlach

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