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Mitarbeiter der Hochbahn überprüfen in Hamburg die Fahrscheine von Reisenden.

© Daniel Reinhardt/dpa

Im öffentlichen Nahverkehr: Bitte mehr Mitgefühl, liebe Kontrolleure!

Bei der Fahrkartenkontrolle sollte es nicht nur ums Abkassieren gehen, sondern auch um Mitgefühl und Verhältnismäßigkeit, findet unsere Autorin. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Hatice Akyün

Vor einigen Jahren bin ich mal schwarzgefahren. Also nicht ich persönlich, sondern mein Fahrrad. Es war spät, und weil es auf meiner S-Bahn-Strecke Schienenersatzverkehr gab, musste ich mein Fahrrad mitnehmen. Der liebe Gott bestraft bekanntlich kleine Sünden sofort, und so wurde ich natürlich kontrolliert und bekam das sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelt“ aufgebrummt. Ich, als Eigentümerin des Fahrrades, musste also 60 Euro zahlen. Vergeblich versuchte ich noch mit Wimpernklimpern, die Kontrolleure davon abzubringen. Aber keine Gnade. Am Ende mussten wir alle sehr über diese Situation lachen, und wünschten uns einen schönen Abend.

Warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle? Vor einigen Tagen habe ich eine ähnliche Situation in der S-Bahn erlebt, für die ich mich als Berlinerin, wenn auch nur eine zugezogene, in Grund und Boden geschämt habe. Zwei Kontrolleure behandelten einen ausländischen Studenten, der wohl aus Versehen einen ermäßigten Fahrschein gelöst hatte, wie einen Schwerverbrecher. Verzweifelt und den Tränen nahe, erklärte er, dass er es nicht gewusst habe und entschuldigte sich für seinen Fehler. Es hat mir körperliche Schmerzen verursacht, das zu beobachten, und ich hielt es nicht mehr aus.

Zu den Kontrolleuren gerichtet, sagte ich: „Ich finde es menschlich unmöglich, wie sie den jungen Mann behandeln. Ist Ihnen klar, dass er nun mit diesem Bild von Deutschland nach Hause fahren wird? Haben Sie schon mal etwas von Einfühlungsvermögen und Respekt gehört“, fragte ich sie. Und zum Schluss sagte ich noch: „Ich wünschte Ihnen, dass Sie auch mal einen Fehler machen und dann genauso behandelt werden, wie Sie diesen Mann gerade behandeln.“ Einer der Kontrolleure antwortete: „Na und, dann ist das halt so.“ Und der andere, dass die Ticketautomaten mehrsprachig seien. Nun fingen auch andere Fahrgäste an, den jungen Mann zu verteidigen. Aber es half nichts.

Verhältnismäßigkeit und Kulanz

Um eines klarzustellen: Ich verteidige nicht das Schwarzfahren. Jeder, der mit dem Gedanken "Wird schon keine Kontrolle kommen" in eine Bahn steigt und erwischt wird, muss Strafe zahlen. Worum es mir geht, ist, Verhältnismäßigkeit und Kulanz bei der Kontrolle.

Ein ausländischer Student löst fälschlicherweise eine Fahrkarte, die für ihn nicht gültig ist, eine alte Frau vergisst, ihre Karte abzustempeln, eine Touristin weiß nicht, dass ein Ticket nicht für Hin- und Rückfahrt gilt. Weil unser Tarifsystem so chaotisch ist, darf es nicht sein, dass Fahrgäste dafür bestraft werden. Vor allem geht es mir darum, dass S-Bahn und BVG ihren Kontrolleuren nicht nur das fehlerfreie Bedienen des EC-Kartengerätes zum Abkassieren beibringen sollen, sondern auch Fingerspitzengefühl und Verhältnismäßigkeit.

Ich wohne in einer Stadt, in der Gutmütigkeit an Bedeutung verliert. Man muss sich nicht gleich überschlagen vor lauter Mitgefühl. Aber zwischen Rüpelhaftigkeit und Selbstaufgabe ist der Korridor der Alternativen sehr breit.

Mitfühlend kann man nur sein, wenn man selbst mitfühlend behandelt wird. Und je freundlicher, liebevoller und bedachter mit mir umgegangen wird, desto leichter fällt es mir, das meinen Mitmenschen entgegenzubringen. Der Gewinn ist, dass wir beidseitig Anteil nehmen, Vorurteile abbauen und Vertrauen stiften. Wenn man jemandem mitfühlend begegnet, wird er sich ganz sicher nicht von uns abwenden. Nett sein ist viel leichter als ständig griesgrämig herumzulaufen und seine Mitmenschen zu schikanieren. Versuchen Sie es mal, Sie werden staunen, wie großartig sich das anfühlt.

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