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Beton am Berg: Die neue Bond-Installation "007 Elements in Tirol.

© AFP

Installation in Österreich: Ein Bunker für Bond

Was keine Frau je geschafft hat, ist einem österreichischen Unternehmer gelungen: 3040 Meter hoch in den Bergen wird James Bond endlich sesshaft. Ein Museum zeigt seine schärfsten Waffen und wildesten Verfolgungsjagden.

Sein Name ist Falkner. Jack Falkner. Er besitzt Seilbahnen, Hotels und Restaurants, gehört zu Tirols einflussreichsten Männern und wird von Zeitungen „König des Ötztals“ genannt.

Wenn er durch einen Raum geht, dreht sich niemand nach ihm um. Seine Geheimwaffe ist Unscheinbarkeit. Brille, schütteres Haar, Jeans, Polohemd, Jackett. Dieser 61-Jährige könnte ein Sparkassenangestellter sein, einer, der zufrieden in dieser abgeschiedenen Region an der Grenze zwischen Österreich und Italien wohnt.

Aber Falkner ist gelungen, was keine Frau geschafft hat. Er hat sich James Bond geschnappt und ihn sesshaft gemacht.

Glamour für den Ballermann

Der Unternehmer hat dafür einen zweistelligen Millionenbetrag investiert, „mehr als zehn, weniger als 20 Millionen Euro“, sagt er. Nicht in London, nicht in Hollywood, sondern im 4000 Einwohner kleinen Sölden eröffnet dank ihm die James-Bond-Installation „007 Elements“. Weltweit die einzige, für die extra ein Gebäude errichtet wurde.

Ausgerechnet in jenen Ort, den die „FAZ“ mal das „hässlichste Dorf Österreichs“ nannte, der für seinen Après-Ski-Tourismus berüchtigt ist, und wo Pro Sieben die schlimme Party-Soap „We love Sölden“ drehte, soll der Glamour einziehen. Geht das?

Japanischer Beton-Zen

Es funktioniert, wenn man Distanz zu diesem Proll-Image aufbaut. Zum einen räumlich, das Museum wurde in einen Berg hineingebohrt und steht auf einem Gipfel von 3040 Metern Höhe, Endstation der Gaislachkogel-Seilbahn.

Und zum anderen stilistisch. Das Gebäude hat nichts mit dem Alpenchalet-Chic im Dorf unten gemeinsam. Betonminimalismus, mehr japanisches Zen, weniger Tiroler Ballermann. Architekt Johann Obermoser hat sich an die Vorgaben des ersten Bond-Setdesigners Ken Adam gehalten, viele schräge Wände und runde Formen. Dazu kommen ein ausgetüfteltes Klangdesign und feine Gadgets, ein Bond-Set für die Ewigkeit.

Das Restaurant wurde zur Klinik

Es gab bereits ein Set auf dem Berg, ein paar Meter weiter, wo der Glaskubus des Restaurants „Ice Q“ thront. Im Januar 2015 drehte Regisseur Sam Mendes mit Daniel Craig als 007 und Léa Seydoux als Madeleine Swann dort die erste Begegnung von Geheimagent und Liebeskandidatin.

Für „Spectre“, den 24. Bond, wurde aus dem Gourmetlokal die Hoffler-Klinik. Die Filmemacher brauchten dafür einen modernen Bau in eisiger Höhe, sie schauten sich Orte in Skandinavien, in der Schweiz und anderswo in Europa an. Als sie das damals neueröffnete Restaurant entdeckten, wussten sie: Dieser verglaste Quader passt zu Bond.

Eine Idee nimmt Gestalt an

Ein Mann will Bond: Jack Falkner, Unternehmen aus Sölden.
Ein Mann will Bond: Jack Falkner, Unternehmen aus Sölden.

© Promo

Jack Falkner, der eigentlich Jakob heißt und von seinem Vater das Unternehmertum erbte, witterte eine Chance. Die Idee, dass Bond zu groß sein könnte für seinen Polohemdkragen, kam ihm nie.

Wo andere Risiken sehen, sieht er Möglichkeiten. Zwei Fünf-Sterne-Häuser stehen im Portfolio der Familie, Falkners Bergbahnen investierten in Österreichs größten Outdoorpark, die „Area 47“ im Ötztal, wo es lauter Extremsportanlagen gibt. Mit Namen wie Flying Fox, Mega Swing, Slip’n’Slide oder die Little Bro’ Wakeboardbahn.

Aber was ist extremer als ein Spion, der nie stirbt? Bei Falkner ratterte das Gehirn, als die 500-köpfige Filmcrew vor dreieinhalb Jahren Sölden beehrte: Daraus müssen wir was machen.

Österreicher stellen sich nicht an

Denn Bond ist eine Marke, größer als das Ötztal, Tirol und Österreich. Eine emotionale dazu, mit der sich viele Menschen identifizieren, inklusive dem zähen Verhandler Falkner.

In der Bar des Hotel Central, wo er in der oberen Etage eine Wohnung hat und ihm jeden Abend die Kellner ein eigens abgefülltes Quellwasser bereitstellen, das „Jack-Wasser“, in seinem verlängerten Wohnzimmer also erzählt er von seinen Sprachferien in London Mitte der 70er Jahre.

An einem Donnerstagabend sah er im Fernsehen die Werbung für den neuen Bond-Film, am Samstag fuhr er in die Stadt, um ihn sich anzusehen – und war verblüfft, dass man eine Stunde lang für eine Eintrittskarte anstehen musste. „Wir Österreicher stellen uns nicht an“, sagt Falkner. An jenem Abend ging er daher nicht ins Kino, einige Tage später holte er das nach und war mit dem Fanvirus für den Agenten Ihrer Majestät angesteckt.

Nackter Berg in eisiger Höhe

Nun ist aus dem Jugendtraum ein Geschäftsmodell erwachsen, Falkner hat seinen Platz im Universum des unkaputtbaren Gerechtigkeitsgehilfen. Auf diesem Gipfel, den man in zwölf Minuten mit der Seilbahn erreicht. Vorbei an Kiefernwäldern, Skipisten, die im Sommer wie offene Arterien durch den Forst verlaufen, und an Granitschotter, dessen Steine größer, spitzer und abweisender werden, je höher man fährt.

Bis nur noch nackter Berg und nackter Beton übrig sind. Was wie die Großmachtfantasie eines Bond- Bösewichts aussieht, ist die Trumpfkarte in Falkners Unterhaltungsimperium.

Vertrauen ist der Schlüssel

Dort, wo die Luft dünner wird und jede Vision den Beigeschmack eines Höhenschwindels hat, erzählt Setdesigner Neal Callow, wie unkompliziert Jack den Filmleuten unter die Arme griff. Eine Woche lang das beliebte Restaurant schließen? Kein Problem. Die Gletscherstraße für die Dreharbeiten sperren? Kriegen wir hin.

Vertrauen, hat Falkner an der Bar gesagt, ist der Schlüssel für den Erfolg. Und das hat er wochenlang geliefert, einen Vorschuss angehäuft, bis er einen Gefallen einforderte, den man ihm nicht ganz abschlagen konnte.

Ein Vertrag regelt alles

Acht Mal ist er nach London geflogen, um mit der mächtigen Produzentin Barbara Broccoli und ihren Anwälten zu verhandeln. Welcher Schriftzug, welche Pistole, welches Merchandising, das hat ein seitenlanger Vertrag geklärt. Unterzeichnet endlich im Herbst 2016. Jack hatte seinen James.

Es hat geholfen, dass Callow von Beginn an das Projekt unterstützte. Der Londoner gehört zum inneren Kreis von Eon Productions, die alle 007-Filme ins Kino bringen, und fungiert für die Installation als künstlerischer Berater.

Eine Tour in den Berg hinein

Am Hang erinnert ein kaputter Jeep an die Dreharbeiten von "Spectre".
Am Hang erinnert ein kaputter Jeep an die Dreharbeiten von "Spectre".

© AFP

Der Setbauer steht auf dem Boden, wie Falkner auftritt: breitbeinig. Seine Haut ist sonnengebräunt, sein Lächeln einnehmend, seine Statur sportlich. Er lobt die Menschen im Ötztal, die spektakuläre Landschaft, nur das mit dem Aprés-Ski hat er nicht verinnerlicht. „Man, that is crazy“, sagt er.

Inzwischen hat er eine Terrasse betreten, die er konsequent Plaza nennt. An der kahlen Wand hängt das ausgedachte Familienwappen Bonds. „Orbis non sufficit“ steht darunter. Die Welt ist nicht genug.

Blick bis hinüber nach Italien

Könnte auch für Falkner gelten. Die Sicht geht hinüber nach Italien, auf dem Wanderweg abwärts mahnt ein kaputter Jeep daran, dass man hier eine Verfolgungsjagd gedreht hat. Nachdem James Bond die Ärztin Madeleine Swann traf, wurde sie sofort entführt. Wie das Leben so spielt.

Wumms. Das Orchester dreht auf, der Sound schwillt an. Im ersten Raum, den die Besucher betreten, fühlen sie sich klein. Sie gehen einen spärlich beleuchteten Steg entlang, auf eine Leinwand zu, in Endlosschleife läuft das Intro von „Spectre“.

Daniel Craig steht cool zwischen gefährlichen Flammen und züngelnden Mädchen, vielleicht auch umgekehrt. Gänsehaut. Was an den Temperaturen liegt. Das Museum wird nicht beheizt, konstant herrschen null Grad. Der Permafrost des Berges darf nicht beeinträchtigt werden, sonst könnten die darunter liegenden Eisschichten auftauen.

50 Jahre Bond-Irrsinn

Damit die Besucher keine Platzangst unter Tage bekommen, regelt ein System von Zeitfenstern die Öffnungszeiten. Alle acht Minuten wird eine Gruppe von maximal 25 Personen in die Installation hineingelassen.

Neil Callow weist die Besucher an, sich in die Mitte des nächsten Raums zu stellen. Es wird dunkel, plötzlich flimmern Filmausschnitte über zwei Bildschirme, dutzendfach gespiegelt. Man fühlt sich wie in einem Irrgarten, eingekeilt von Bikinimädchen und Metallgebissmännern. Mehr als 50 Jahre 007-Irrsinn, eingedampft in minutenlange Clips.

Es macht Spaß, zu überlegen, aus welchem Film nun gerade diese Szene war, und sich zu fragen, welcher Darsteller am besten den Geheimagenten spielte. Bang, Bang, Bang, Bond, Bond, Bond.

Nur drei Affären?

In sieben Räumen lernen Fans auf etwa 1000 Quadratmetern viel über die Waffen von Bond, die Drehorte der Filme und wie man eine Verfolgungsjagd am Gletscher inszeniert.

Besucher können sich einem Blutscan unterziehen, den auch Bond ertragen musste, indem sie ihren Arm unter eine Leuchte legen und danach erfahren, wie viele Schusswunden, Flugmeilen oder Liebschaften sie bereits angesammelt haben. Hm, nur drei Affären und 484 Milliarden Pfund an verursachtem Schaden? Lieber noch mal testen.

Ein Flugzeug stürzt ab

Am Ende treten die Besucher aus der Bunkeratmosphäre hinaus in einen Panoramaraum. Vor deckenhohen abgeschrägten Fenstern entfaltet sich die majestätische Ruhe der Alpen.

Ein lädiertes Flugzeug scheint direkt von den Bergen in den Raum hinein geflogen zu sein, drumherum erzeugen akkurat platzierte Holzscheite die Illusion eines Absturzes. Auch das gehört zu einer Szene aus „Spectre“. Neil Callow erzählt, dass man fast eine Woche lang an dieser Verfolgungsjagd gedreht habe.

Fast zwei Milliarden Dollar für zwei Bond-Filme

Eine gute Stunde dauert die Bond-Erfahrung. Sie ist genauso spektakulär wie lückenhaft. Ist der gesamte Kosmos der Figur abgedeckt? Kaum. Will man danach überhaupt noch einen Bond sehen? Unbedingt. Und die Zahl der Zuschauer wächst. Die letzten beiden Filme haben Rekorde geschrieben und zusammen fast zwei Milliarden Dollar eingespielt.

Wie hat Falkner an der Bar gesagt: Er will eine neue Klientel nach Sölden holen. In China, Korea und Indien haben sie noch nie von Hits wie „Scheiß drauf, Sölden ist nur einmal im Jahr“ gehört. Aber sie kennen James Bond. Die Welt, so scheint es, ist für Jack Falkner gerade ein Stück größer geworden.

Reisetipps für Sölden

Reisetipps für Sölden

HINKOMMEN

Entweder mit dem Zug über München oder mit dem Flugzeug über Wien nach Innsbruck. Von dort fährt ein Zug ins Ötztal, ab dem Bahnhof geht der Bus 4194 nach Sölden.

UNTERKOMMEN
Die Filmcrew hat zu großen Teilen im Hotel Das Central genächtigt, wo auch Jakob Falkner seine Wohnung hat. Ein Doppelzimmer kostet ab 280 Euro, das Frühstück inbegriffen (central-soelden.com).

Daniel Craig hat nebenan im Hotel Bergland übernachtet, Zimmer sind ab 330 Euro zu haben (bergland-soelden.at).

RUMKOMMEN

Die Installation „007 Elements“ ist täglich von 9 bis 15.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 22 Euro (ermäßigt 17 und 12 Euro), Die Eintrittskarte gilt für ein vorgegebenes Zeitfenster. Für den Besuch etwa eine Stunde einplanen (007elements.soelden.com).

Das Tourismusbüro listet mehr Infos auf soelden.com.

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