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Ist es nicht herrlich? Radfahren macht vor allem auch Spaß.

© dpa

Internationaler Tag des Fahrrads: Wider die Verzweckung des Radelns!

Umwelt, Gesundheit, Innenstädte - wer profitiert nicht alles von Radfahrern? Das beste Motiv für den Tritt ins Pedal gerät dabei unter die Räder. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

Wäre das Fahrrad noch nicht erfunden, man müsste dies schleunigst nachholen. Wo immer es im öffentlichen Rahmen Erwähnung findet, werden ihm regelrechte Wunderkräfte zugeschrieben: Die Gesundheit kann es fördern, die Umwelt retten, und längst schon kommt die Suche nach städtischen Mobilitätskonzepten nirgendwo mehr an ihm vorbei.

Der Dreiklang „Umwelt, Mobilität, Gesundheit“ findet sich auch auf der Homepage des Bundesumweltministeriums, wo es zum Tag des Fahrrads, der an diesem Mittwoch gefeiert wird, heißt: „Der Tag soll zum einen auf die zunehmenden Verkehrsprobleme durch motorisierte Fortbewegungsmittel aufmerksam machen, vor allem aber das Fahrrad als umweltfreundliches und gesundes Fortbewegungsmittel präsentieren.“ Ja, solch löbliches Ding ist das Rad.

Jedoch hat diese Sichtweise einen Haken. Sie ist nämlich völlig verzweckt. Fahrradfahren ist nämlich mehr als nur Förderprogramm für Gesundheit, Umwelt und Mobilität. Doch das zentrale Radel-Motiv droht hinter den empfehlenswerten Nebenwirkungen zu verblassen: Es geht um Spaß. Fahrradfahren macht Spaß. Einfach so. Auch ohne einen Zweck zu erfüllen.

Die Räder rollen, der Beine arbeiten (möglichst aus der Oberschenkelrückseite heraus, um die Knie zu schonen), die Lunge wird durchgepustet. Jeder Tritt ins Pedal ein geschafftes Stück Weg. Selbstgemacht. Keine Maschine gestartet, auf keinen Bus, keine Bahn gewartet. Diesbezüglich keine Kompromisse nötig. Wann kann man das sonst schon behaupten?
„Jede Fahrt ein kleiner Urlaub“, heißt einer der Sprüche, die Bedruckportale anbieten (und manchmal wirken die wütende Blicke von Autofahrern, die allzu nah am Rad vorbeifetzen, als würden sie genau das neiden – aber das ist natürlich reine Spekulation).

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Hat vielleicht diese Urlaubsassoziation die Radfahrzahlen in der urlaubslosen Coronazeit in die Höhe schnellen lassen? Fahrradläden berichten jedenfalls von stark gestiegener Nachfrage, sogar aus dem verkehrschaosverliebten Italien wird berichtet, dass das Radeln boome. Damit der Spaß am Radeln nicht durch Generve verdrängt wird, ist allerdings ein gewisses Niveau an Infrastruktur. Daher auch der laute Ruf, die aktuellen Pop-Up-Radwege mögen bleiben.

Sonst denkt man beim Stichwort „Rad in der Stadt“ nämlich weiterhin vor allem mit Einkaufstüten, Satteltaschen oder Kindersitz beschwerte Gefährte, die durch fahrradwegfreie Straßen schlingern, vom PS-Verkehr in die Enge gezwungen, angehupt und verwünscht, und immer nur eine Handbreit vom Unfall entfernt. Was so ungefähr das Gegenteil von Spaß ist. Allerdings auch von Gesundheit und zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten. Nur die Umwelt hat auch davon noch etwas.

Aber das ist schon wieder zu viel des Zweckgedankens, der sich längst zu viel Platz erobert hat. Möglichst alles soll zu etwas nützlich oder dienlich sein. Falscher Ansatz! Soll doch möglichst alles sich selbst genug sein. Dann bliebe allerdings aus Radlersicht noch eins zu beklagen: Gegenwind. Der allein glänzt bisher unangefochten durch seine vollkommene Zweckfreiheit.

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