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In der Clique. Wenn aus Freundschaften Liebesbeziehungen werden, kann das Probleme mit sich bringen.

© imago/Westend61

Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: Eine kurze intime Phase veredelt Freundschaften

Zwischen der platonischen und der romantischen Liebe verläuft bisweilen ein sehr schmaler Grat.

Es gibt sicher kaum jemanden, der nicht mindestens einmal im Leben erwägt: Mit Freundin X oder Freund Y, da könnte auch etwas mehr passieren als nette Abende und gute Gespräche. Muss ja nicht gleich die große Liebe werden – der stets sehr stolz formulierte Satz „Ich habe meinen besten Freund geheiratet“ klingt sowieso, als gäbe es außerhalb der Beziehung nicht mehr viel sozialen Input. Aber es stimmt schon, zwischen der platonischen und der romantischen Liebe verläuft bisweilen ein sehr schmaler Grat.

In meinem Freundeskreis, so um die 20 Leute, hat fast jeder schon mit jemandem aus der Gruppe angebandelt, eher mit zweien. Thea und Bianca liegen vorn mit je fünf Fällen, in Theas Fall waren es dreimal richtige Beziehungen. Menschen „von außerhalb“ sind bei ihr praktisch chancenlos. All das zeige doch nur, wie sehr sie uns möge, hat sie mal gesagt, als wir uns ein wenig darüber lustig machten.

Trotzdem sind die Probleme, die dieser erweiterte Freundschaftsbegriff mit sich bringen kann, höchst komplex: Da war die eine sehr lange mit dem anderen zusammen und verliebte sich dann, zack, in den nächsten aus der Runde. Nicht besonders elegant, aber das sind Gefühle ja selten. Die waren wiederum bei zwei anderen extrem ungleich verteilt, was ihr ziemlichen Liebeskummer bereitete und ihm Gewissensbisse. Ich mag beide, das Opfer und den Herzensbrecher, was mich in die Bredouille brachte, weil ich mich nicht schamlos auf eine Seite schlagen konnte.

Bonobos-Affen lösen Konflikte mit Sex

Sehr oft musste ich das aber auch gar nicht, weil sich die Kurzzeit-Lover schnell geeinigt haben, dass Freundschaft doch das bessere Modell sei. Der Ausflug in die Romantikzone bleibt Anekdote, Fußnote, bestimmt aber nicht das Verhältnis zueinander. So kommt es, dass Jan kein Problem damit hat, dass Henni in letzter Zeit lieber mit Sebastian den Heimweg antritt. Mein Eindruck ist: Wenn es nie richtig ernst wurde, hat eine kurze intime Phase den Freundschaften manchmal gutgetan, sie irgendwie veredelt.

Das erinnert mich an das, was man über Bonobos liest oder in Dokumentationen sieht. Die schimpansenähnlichen Menschenaffen sind dafür bekannt, dass sie das Sozialgefüge in ihren Gruppen nicht nur mit gegenseitiger Fellpflege und dem Teilen von Nahrung aufrechterhalten, sondern ebenso mit wechselnden und häufigen Sexualkontakten und – wirklich wahr! – heftigem Geknutsche. Dabei geht es eben längst nicht immer um Fortpflanzung, geschweige denn Paarbildung. Die Tiere schaffen auf diese Weise Konflikte aus der Welt und festigen ihre Beziehungen zueinander. Es gibt auch gleichgeschlechtliche Annäherungen, und gerade die Weibchen sind sich oft eng verbunden, sagen Forscher. Insofern ist es nicht überraschend, dass da mal diese Sache zwischen Thea und Bianca passiert ist.

Ich halte mich aus dem Ganzen übrigens raus, als eine der wenigen. Es würde sich falsch anfühlen, nach so langer Zeit und all den Dingen, die man zusammen durch hat. Ich habe auch keine Lust auf Ärger. „Ihr seid für mich wie Geschwister“, erkläre ich, wenn das Thema zur Sprache kommt. Als die neue Freundin von Hauke mutmaßte, er und ich könnten mehr als alte Freunde sein, hat mich das wirklich erschüttert.

Nun muss ich gestehen: Völlig resistent bin ich nicht. Es gab ein, zwei Fälle, da habe ich gedanklich zumindest kurzzeitig mit meinen Prinzipien gebrochen. Doch manche Dinge behält man besser für sich. Im Sinne der Freundschaft.

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