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Über allem steht die Suche nach Gott. Im Kloster nimmt Liebe andere Formen an.

© imago/epd

Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: Verliebt in den Glauben

Wenn eine Nonne von ihrer Beziehung zu Gott erzählt, ist von Anziehung und Faszination die Rede. Klingt leidenschaftlich. Ist das Liebe?

Liebe ist oft anstrengend, aber ohne geht es nicht. Oder doch? Vor kurzem war ich an einem Ort, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Die Bewohnerinnen haben sogar Gelübde abgelegt, keine Paarbeziehungen einzugehen. Bis zum Lebensende.

Um gleich ein Klischee zu entkräften: „Ich wüsste nicht, dass eine von uns aus enttäuschter Liebe ins Kloster gegangen ist“, sagt Schwester Beata, eine von 25 Benediktinerinnen im Kloster Alexanderdorf, südlich von Berlin. Mitte der 90er Jahre, als andere sich in der mauerlosen Stadt austobten, wurde die Ost-Berlinerin Novizin, da war sie 23. Heute besteht ihr Alltag aus Gebeten, der Pflege älterer Schwestern, Vorbereitungen für den Gottesdienst und Buchhaltung. Über allem steht die Suche nach Gott. Als sie ihr altes Leben hinter sich ließ, legte sie auch das Keuschheitsgelübde ab. Ob ihr dadurch etwas fehle? „Meistens nicht“, sagt die 51-Jährige, deren Haube nur das Gesicht freilässt. „Manchmal gibt es diese Sehnsucht, einen Menschen nur für sich zu haben, aber das wird ausgeglichen durch Gott und das Leben mit den Schwestern.“

Ohne Liebe geht es auch im Kloster nicht

Wenn sie erzählt, wie sie Nonne wurde, entsteht der Eindruck, es sei die Geschichte einer beginnenden Liebe: Im Kirchenchor, durch die Lieder, die sie als Jugendliche sang. „Das wurde mit der Zeit immer stärker.“ Bis sie sich sagte: Ich will mein Leben danach ausrichten. Sie trat aus der evangelischen Kirche aus und in die katholische ein. „Der Weihrauch, die Farben, der Gottesdienst, die alten Traditionen, alles viel sinnlicher.“ Als sie erfuhr, dass es drei Jahre dauern würde, bis sie ins Kloster eintreten könne, brach sie in Tränen aus. So groß war ihre Sehnsucht.

Schwester Beata erzählt davon, wie andere über ihre erste Verliebtheit erzählen, belustigt, zärtlich, und ich ahne: Ohne Liebe geht es auch im Kloster nicht, sie nimmt nur andere Formen an. Bis in die 60er Jahre trugen die angehenden Novizinnen am Tag ihres Aufnahmerituals ein weißes Kleid samt Schleier. Schwester Beata ist es nüchtern lieber, als „Braut Christi“ sieht sie sich nicht.

Doch wenn sie über ihre Beziehung zu Gott spricht, ist trotzdem von Anziehung die Rede, von Faszination. Klingt leidenschaftlich. Ist das Liebe? Schwester Beata zögert und kommt auf Augustinus, einen Bischof, der im 5. Jahrhundert in Nordafrika wirkte und über dessen Liebesbegriff Hannah Arendt promovierte. Die Frage, was er liebt, wenn er Gott liebt, beantwortete er so, dass es etwas zutiefst Innerliches sei. „Es ist nicht fassbar, anders als zu einer Person oder einem Ding“, erklärt Schwester Beata.

„Ein Partner, wäre für mich eine Einschränkung“

Einmal ist es passiert, da verliebte sie sich doch. „Da habe ich schon hier im Kloster gelebt.“ Mit der Äbtissin und einem Priester sprach sie über die Gefühle, die nicht ausgelebt werden durften. „Ein Partner, der an erster Stelle steht, wäre für mich eine Einschränkung. Ich will ganz frei sein für den Glauben und die Menschen.“ Immer wieder gab es Fälle, in denen sich Nonnen anders entschieden. Bekannt wurde vor ein paar Jahren etwa die Geschichte zweier Franziskanerinnen, die ihren Orden verließen, um einander zu heiraten.

Schwester Beatas Verliebtheit ging vorbei. Ihr Glaube blieb, veränderte sich so wie die Gefühle von Paaren im Laufe der Zeit. „Man muss ständig daran arbeiten, sonst droht Routine.“ Also wechselnde Exerzitien, christliche Texte studieren, sich bewusst machen, wofür sie Gott dankbar ist. Das erinnert an Mantras aus der Paartherapie: Sich Zeit füreinander nehmen, zuhören, sagen, was man aneinander mag. Im Kloster wie in der Welt.

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