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Ein Satz aus Horst Seehofers (CSU) Rede auf dem Töginger Volksfest erhitzt die Gemüter.

© Armin Weigel/dpa

Kolumne: Moritz Rinke erinnert sich: Kleine Seehofer-Analyse aus aktuellem Anlass

Warum man sich die Bierzelt-Rede des Bundesinnenministers in Töging noch einmal ansehen soll. Und danach „Dirty Harry“.

Vor kurzem sagte der Bundespräsident, dass dieses Land nicht spreche, sondern brülle. Er war Schirmherr der Aktion „Deutschland spricht“, die im ganzen Land versuchte, Menschen mit unterschiedlichen Meinungen an einen Tisch zu setzen, damit sie einander zuhören. Asyl-Gegner, Flüchtlingshelfer, Trump-Fans, Rentner, Banker, Pfarrer usw. Schade, dass keine Talkshow-Moderatoren dabei waren.

Jüngst fuhr Dunja Hayali Claudia Roth beim Thema Seehofer über den Mund; ein paar Tage davor ging Markus Lanz den Journalisten Günter Wallraff an.

Wallraff hatte die Erklärung „Würde, Verantwortung, Demokratie“ unterzeichnet, mit der rund 9000 Menschen ihr Entsetzen über die Politik des Bundesinnenministers und ihre Sorge über die demokratische Kultur zum Ausdruck brachten. In der Erklärung wird auch ein Satz aus einer Bierzelt-Rede Horst Seehofers in Töging zitiert: „Und ich bin auch froh über jeden, der bei uns in Deutschland straftätig wird, straffällig, und aus dem Ausland stammt.“

Lanz redete sich daraufhin in Rage und forderte, „den Kontext“ anzuschauen. Im Kontext sei nämlich erkennbar, dass Seehofer den Satz gar nicht so gemeint habe. Der Satz, längst von großen Zeitungen zitiert, sei mithin „nicht lauter“. Und mit dem „Moralismus“-Vorwurf fiel er Wallraff ständig ins Wort. Nur eines vergaß er zu sagen: Was der Minister denn nun eigentlich „im Kontext“ gemeint habe ...

Horst Seehofer als der deutsche Dirty Harry

Ich habe mir die Rede Seehofers wieder und wieder angesehen. Seehofer sprach zunächst über die Abschiebung des Gefährders Sami A., den mutmaßlichen Leibwächter von Bin Laden. Er sei froh, so Seehofer, dass Sami A. außer Landes sei, obwohl die Abschiebung vom Oberverwaltungsgericht NRW als offensichtlich rechtswidrig beurteilt wurde. Der Minister aber beklagte die öffentliche „Heuchelei“, mit der Politiker an den Pranger gestellt würden, wenn sie angesichts der Gefährdung handeln.

Diesen Konflikt kenne ich aus dem Film „Dirty Harry“ mit Clint Eastwood. Dirty Harry kann sich auch nicht immer so buchstäblich an das Gesetz halten, wenn er der gefühlten Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen will. Im Gegensatz zu Dirty Harry sprach Seehofer aber über Religion, denn er sei ein Politiker, der sein Handeln nach dem christlichen Sittengesetz ausrichte, Deutschland sei christlich geprägt, nicht vom Islam.

Markus Lanz setzte noch einen drauf

Was geht nun aus diesem Kontext für Markus Lanz hervor? Dass die rechtswidrige Abschiebung von Sami A. in letzter Instanz vom Christentum gedeckt ist? Dass es etwa Heuchelei sei, den Rechtsbruch einzuklagen? Und warum hat uns Lanz an dieser Stelle nicht erklärt, dass der Kontext der Rede ein problematisches Verhältnis des Ministers zu rechtsstaatlichem Vorgehen zeigt?

Das Entsetzen und die Besorgnis, die auch Wallraff die Erklärung unterzeichnen ließ, haben also leider einen guten Grund. Aber Lanz setzte noch einen drauf. Der Bundesinnenminister habe „das exakte Gegenteil“ gemeint, hielt er dem überrumpelten Wallraff entgegen. Leider kam niemand auf die Idee zu fragen, was denn das exakte Gegenteil sei. Und wie es um Himmels Willen geschehen konnte, dass man den Minister – nach seinen Äußerungen zur Migrationsfrage als „Mutter aller politischen Probleme“ sowie zu den Abschiebungen von 69 Afghanen an seinem 69. Geburtstag – nun schon wieder so fundamental missverstehen konnte.

Heute sind ja Wahlen in Bayern. Vielleicht sollte man sich Seehofer im Bierzelt zum besseren Verständnis noch einmal ansehen. Und danach „Dirty Harry“.

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