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Andreas Austilat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Meine Frau, ihr Garten und ich: Eine Nation von Grünen

Neulich fiel mir ein Buch in die Hand, „How England Made the English“ – „Wie England die Engländer machte“.

Von Andreas Austilat

Der Titel lag bei Waterstone’s, einer großen britischen Buchhandelskette, als spezielle Empfehlung auf einem der Auslagentische und richtete sich in erster Linie an die Briten selbst. Ein Kapitel trägt die Überschrift „Eine Nation von Gärtnern“.

Das interessierte mich, weil, Cousin und Onkel meiner Frau sind Engländer. Ich dachte, vielleicht stoße ich darin auf irgendetwas, das ich wissen sollte. Stattdessen fand ich eine ungeheure Zahl: Alle britischen Hausgärten zusammengenommen umfassen beinahe 21 000 Quadratkilometer britischen Boden.

Man kann also schon von Großbritannien als einem großen Garten sprechen, vor allem, wenn man das mit Deutschland vergleicht. Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz gibt es in Deutschland 17 Millionen Gärten. Ziemlich viele im europäischen Vergleich, aber alle deutschen Gärten zusammen bedecken nur 6800 Quadratkilometer, deutlich weniger als in Großbritannien.

Na und, mag man nun einwenden, so ein Garten, das ist doch im Grunde nur domestizierter Naturersatz. Falsch. Nicht nur in England ist zum Beispiel die Wildblumenwiese eine bedrohte Art, ihr Anteil am Grün des Landes geht beständig zurück. Ackerland ist heute eine maschinengerechte Fläche, auf der es weder Schmetterling noch Hamster aushalten. Stadtgärten werden dagegen weit weniger mit Pestiziden malträtiert, hätten das Potenzial zum Rückzugsraum für ansonsten bedrohte Arten. Weshalb Gärten in Großbritannien heute eines der vielfältigsten Habitate des Landes seien – auch wenn Harry Mount, der Autor des „How England ...“-Buches einräumen muss, dass nicht jeder britische Garten das Gütesiegel Habitat verdient hätte. Immer mehr Boden werde versiegelt, allein ein Viertel mehr Terrassenfläche sei seit 1999 angelegt worden.

Auch in Deutschland kann der Hausgarten für das Ökosystem eine große Rolle spielen. 2500 Tierarten wurden hier nach Angaben des Naturschutzbundes schon nachgewiesen, 10 000 könnten es sein, dazu kommen 1000 heimische Wildpflanzen, die gedeihen können, wenn man sie ließe. Wenn der Garten nicht nur aus kurzgeschorenem Rasen und pflegeleichtem Ziergrün bestehen würde. Weshalb der Naturschutzbund dafür plädiert, Unkräutern Raum und heimischen Gehölzen den Vorzug gegenüber Exoten zu geben. So würde etwa ein gemeiner Wacholder 43 Vogelarten Nahrung geben, der chinesische nur einer.

Übrigens haben die Engländer den unordentlichen Garten erfunden, als sie im 18. Jahrhundert die Symmetrie barocker Parks satt hatten und es fortan lieber ein bisschen wildromantisch mochten. Man kann sich von denen auf der Insel was abgucken.Andreas Austilat

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