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Andreas Austilat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Meine Frau, ihr Garten und ich: Es führt ein Weg nach nirgendwo

Meine Frau ist dazu übergegangen, immer mehr Zimmertüren zu entfernen.

Von Andreas Austilat

Die Küchentür fehlt schon lange, die Wohnzimmertür auch, am liebsten würde sie auch die Wände im Erdgeschoss niederlegen, um der ganzen Etage etwas Loftartiges zu verleihen. „Nein“, habe ich gesagt, „nicht die Wände“. Ich finde es ganz gut, wenn man aus der Sitzgruppe nicht gleich in die Küche gucken kann. Vor allem nicht, wenn ich gerade darin gekocht habe.

Meine Frau ist schon einen Schritt weiter, sie möchte auch eine Kellertür aushängen, ausgerechnet die Tür zum Vorratskeller. Ich guckte mir die Kellertür an, die aus Brettern ziemlich roh zusammengezimmert ist und eine schmiedeiserne Klinke hat. „Warum willst du das tun?“, fragte ich sie, „ist doch gut, wenn man den Vorratskeller schließen kann.“ Dort lagern neben ein paar Weinflaschen auch meine Süßigkeiten.

Sie zeigte mir ein Foto aus einer Gartenzeitschrift, wo so eine alte Tür in eine Hecke integriert wurde. Sie selbst plant, die Tür vor die Ziegelwand zum Nachbarn zu hängen. Dort wäre sie zwar zu nichts nutze, weil es dahinter ja nicht weiterginge, aber es würde so aussehen als ob. „Das verleiht dem Garten mehr Tiefe,“ erklärte sie mir, „und wohnlicher macht so eine Tür den Garten auch.“

Genau damit liegt meine Frau voll im Trend: Der Garten wird immer mehr zum Wohnzimmer – ach was, zum Loft. Früher, da hatte man ein paar harte Gartenstühle und Liegen, die sich im falschen Moment zusammenfalteten, wobei man sich die Finger ganz furchtbar einklemmen konnte. Alles musste mobil sein, damit man es bei schlechtem Wetter rasch nach drinnen schaffen konnte. Heute sind die Materialien so beschaffen, dass da nichts verrottet. Kann alles draußen bleiben, einschließlich Kissen und Bezüge. Und so gibt es schon ganze Sofalandschaften für daußen, sogar Doppelbetten. Und damit man gar nicht wieder reinmuss, steht irgendwo im Grün auch noch die Küchenzeile. Sie müssen bloß mal in den einschlägigen Läden gucken, was aus dem guten alten Grill geworden ist. Längst gibt es mehrflammige Herde für draußen.

Ich guckte meine Frau an, die gerade in einem Katalog von „Maison du Monde“ blätterte, sie hatte die Seite mit dem Ecksofa „Capetown“ aufgeschlagen. Ich schaute in den Garten, wo bisher noch keine Möbel stehen. Will ich mich wirklich vor den Nachbarn auf der Couch lümmeln? Und mir im Schatten des Kirschlorbeers ein Ei braten? Will ich nicht. Ich will da draußen Pflaumen ernten und Löcher graben. Dafür hat man doch einen Garten, weil man drinnen keine Löcher graben kann. Ich will ungezähmte Natur. Oder wenigstens beinahe.

„Schatz“, sagte ich, „wollen wir die Tür nicht lieber im Keller lassen?“ Sie guckte ein wenig überrascht. Ich glaube, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Andreas Austilat

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