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WissensHUNGER: Füllhorn aus Fleisch

Am Montag soll in London das teuerste Hackfleisch aller Zeiten zubereitet werden.

Rund eine Viertelmillion Euro (gespendet von einem anonymen Milliardär) hat der niederländische Forscher Mark Post ausgegeben, um in seinem Labor an der Universität Maastricht Muskelzellen von Rindern zu züchten. Nun soll die erste Frikadelle aus der Petrischale verzehrt werden. Es könnte der Anfang vom Ende der Massentierhaltung sein, glaubt Post.

Der Gedanke, Fleisch im Labor wachsen zu lassen, statt Tiere zu züchten, ist nicht neu. „Wir werden von dem Aberwitz abkommen, ein ganzes Huhn zu züchten, um die Brust oder den Flügel zu essen, und diese stattdessen in einem geeigneten Medium züchten.“ Das hat Winston Churchill 1931 geschrieben. 80 Jahre später ist der Traum konkreter: Forscher wie Mark Post wollen Tieren einige Stammzellen entnehmen, sie im Labor vermehren und Millionen Tonnen Fleisch daraus wachsen lassen.

Die Argumente liegen auf der Hand. Der Fleischhunger der Menschheit wächst. 2002 wurden 228 Millionen Tonnen Fleisch verzehrt. Für 2050 rechnen Forscher mit der doppelten Menge. Das bedeutet: Mehr Treibhausgase werden produziert, mehr Land und Energie benötigt, mehr Tiere leiden. Eine Studie von Forschern der Universität Oxford errechnete 2010, Fleisch aus dem Labor könnte 35 bis 60 Prozent weniger Energie brauchen, 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgase produzieren und 98 Prozent weniger Land benötigen. Und Post glaubt, dass es in 20 Jahren im Supermarkt zwei Sorten Fleisch geben wird: Eines aus dem Labor und eines mit einem Aufkleber „Für dieses Produkt mussten Tiere leiden.“

In der Praxis ist das mit dem Rumpsteak ohne Rind allerdings nicht ganz so einfach. Zum einen ist es bisher nicht gelungen, embryonale Stammzellen von Rindern oder Schweinen im Labor zu vermehren. Die Zellen verlieren in der Petrischale sofort ihre Fähigkeit, sich immer weiter zu teilen. Sie sind auch nur schwer dazu zu bringen, sich wirklich in Muskelzellen zu verwandeln, häufig wachsen stattdessen Knochen- oder Fettzellen. Und für ein echtes Steak braucht es auch Blutgefäße, sonst gehen die Zellen in der Mitte selbst eines winzigen Fleischstücks durch Nahrungsmangel ein. Das Füllhorn aus Fleisch verhungert.

Post ist diese Probleme umgangen: Statt embryonaler Stammzellen hat er sich im Schlachthof die Muskelstammzellen erwachsener Rinder besorgt. Das sind Zellen, mit denen die Tiere tote Muskelzellen ersetzen. Sie können sich mehrmals teilen, aber eben nicht unbegrenzt. Und er hat nur winzige Schnipsel wachsen lassen. Rund 3000 davon kommen in den Fleischwolf, um die Frickelfrikadelle möglich zu machen.

Das Essen, von riesigem PR-Tamtam begleitet, soll vor allem helfen, mehr Geld für die Forschung locker zu machen. Und die beteiligten Wissenschaftler bangen nun, wie die Weltöffentlichkeit das neue Fleisch bewerten wird. Wie werden die Reaktionen sein? Was für Namen werden Journalisten dem Fleisch geben? Für Mark Post ist es auch die Krönung jahrelanger Arbeit im Labor. Und was immer Sie über den Burger denken mögen. Den Namen Fast Food hat er sicherlich nicht verdient.

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