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Tagesspiegel-Kolumnistin Katja Demirci.

© Mike Wolff

Katja Reimann macht sich locker: Am Fuße des Pincha Mayurasana

Es war eine besonders interessante Drehung, in der wir auf den Yogamatten lagen, als es plötzlich in meiner linken Schulter zog. Ruhig atmend versuchte ich den Schmerz zu lokalisieren.

Eher hinten als vorne, eher außen als innen. In jedem Fall unangenehm. Unbewegt beobachtete ich, wie sich die anderen vorsichtig wieder aus der Position falteten. Ich zögerte.

Als sich vor Jahren ein Yogi im guten Glauben an die heilsamen Kräfte der intensiven Dehnung ordentlich den Rücken verdrehte und seinem Erstaunen darüber in einem Artikel Ausdruck verlieh, debattierte die Szene über potenzielle Gefahren des Yoga. Der Geschädigte suchte schließlich einen renommierten Gelehrten auf, der nachdrücklich die Meinung vertrat, dass ein Großteil der Menschen Yoga ganz aufgeben sollte. Es sei schlicht zu gefährlich. Natürlich war das poetischer formuliert. Wenn das Ego größer ist als die Kraft, der Ehrgeiz stärker als die Muskulatur, so in der Art.

Während ich noch versuchte, mich möglichst schmerzfrei aus der Drehung zu winden, nahm ich mir vor, den Arzt in meiner Familie um wissenschaftliche Beweise für eine erhöhte Unfallgefahr im Yoga zu bitten. Lag es nun an mir, dass der Arm schmerzte, oder war die Übung eine anatomische Herausforderung, an manchen Tagen leicht zu meistern, an anderen nicht? Er schickte mir drei Artikel aus Fachzeitschriften.

Tatsächlich erwähnen deren Autoren vor allem Schäden an Muskeln und Bändern. Ob dem jeweiligen Schaden auch immer ein – sozusagen – überdehntes Ego zugrunde lag, wurde nicht erfasst.

In jedem Yogastudio, das ich kenne, wird übrigens genau davor gewarnt. Kein falscher Ehrgeiz, hör auf deinen Körper. Und doch wird zugleich überall empfohlen, Grenzen auszutesten. Meine lag bislang, das kann ich klar sagen, am Fuße des Pincha Mayurasana, des Unterarmstands.

Der Aufbau dieser Übung ist komplexer, als sie nachher aussieht: ähnlich wie ein Handstand, nur dass eben nicht die Hände auf dem Boden liegen, sondern die Unterarme. Diese Übung, die Ängste abbauen soll, löst bei mir die größte Furcht aus. Ja, auch ich stand einmal in Pincha Mayurasana, und bitte nicht fragen, wie ich überhaupt da hochgekommen bin. Lang ist’s her.

Nach der Stunde entdeckte ich eine winzige Schürfwunde an meinem linken Ellenbogen. Typ Haut reibt auf Gummimatte. So klein sie war, meine bis dahin erste und einzige Yoga-Verletzung, sie heilte tagelang nicht.

Eine Woche später war mein linker Arm rund um den Ellenbogen dick geschwollen und rot. Im Krankenhaus baute sich ein wuchtiger Unfallchirurg vor mir auf und erklärte, eine Operation unter Vollnarkose, möglichst zeitnah, sei unumgänglich. Da tropfte längst durch eine Infusion ein Antibiotikum in meinen Körper. Ich hatte keine Wahl. Tags darauf wurde ein Schleimbeutel aus diesem Arm geschnitten, der anschließend erstaunlich lange weitgehend unbenutzbar blieb. Jedenfalls was Yoga anging.

Das Großartige wie zugleich Tückische an Schleimbeuteln ist: Man hat sie überall. Auch in der linken Schulter.

Nach der Stunde mit der interessanten Drehung beobachtete ich das malträtierte Gelenk misstrauisch, dann ignorierte ich den Arm über Tage, um dem Schmerz keine Chance zu geben, sich breitzumachen. Dem Arzt mailte ich trotzdem heimlich meine Bedenken. Er versicherte mir, der Pincha-Mayurasana-Vorfall sei definitiv eine besonders seltene Verkettung unglücklicher Umstände gewesen. Und schickte ein Rezept für Schokoladenkekse.

Frühere Kolumnen finden Sie hier und hier und hier.

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