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Tagesspiegel-Kolumnistin Katja Demirci.

© Mike Wolff

Katja Reimann macht sich locker: Yoga to go

Immer mal wieder schreiben Menschen, dass Yoga ihr Leben verändert hat. Vor wenigen Tagen erst las ich so einen Text online in einem Fachmagazin.

Eine Frau erklärte, wie sie dank der regelmäßigen Gymnastik 20 Kilogramm abgenommen habe, sich in der Folge also ihr Leben, jawohl, total veränderte. 20 Kilogramm, Respekt.

Ich nehme gerade zu. Darüber schreibt natürlich niemand. Wie es ist, Sport zu machen und dabei runder zu werden. Dabei ist es nicht weniger umwälzend.

Erst wechselte ich den Yogakurs, vom dynamischen Vinyasa zum etwas entspannteren Hatha. Horchte genau ins Knie, bevor ich mich in einen einbeinigen Krieger wuchtete, bestand nicht mehr darauf, in der Vorbeuge mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren. Und trotzdem war ich dem Kern des Ganzen noch nie näher: easy bleiben.

Plötzlich funktioniert es. Wurde ich früher dazu aufgefordert, intensiv in mich hineinzuhorchen, vernahm ich viel weißes Rauschen. Jetzt ist da noch etwas, ein zartes Gemurmel, jedenfalls so in der Art.

Mit meiner Gewichtszunahme kam die Sorge vor der Unbeweglichkeit. Unter keinen Umständen wollte ich mich künftig morgens nur noch ächzend aus dem Bett hieven, vom Sofa nur noch mit Hilfestellung herunter- und die fünf Stockwerke Treppenstufen zu unserer Wohnung eben so heraufkommen. Was ich früher nie schaffte, erlegte ich mir nun als Pflicht auf: jeden Tag Yoga, überall.

In der Praxis ließ sich das allerdings nicht stressfrei gestalten. Schon gar nicht unauffällig. Ich begann zu recherchieren und stieß auf Ratgeberliteratur, auf Dossiers zu „Yoga im Büro“. Zu aufwendig. Es dauerte, bis ich herausfand, dass Kollegen mir längst voraus waren.

Zwei Damen, die kurz vor der Gründung einer Betriebssportgruppe „Treppenlauf“ stehen, zum Beispiel. Die mir, im Vertrauen, verrieten, dass ein etwas längerer Aufenthalt vor dem Kopierer ideal sei, um in leichten Schaukelbewegungen die sogenannte Venenpumpe zu bedienen. Gegen Krampfadern, Thrombosen und generelle Steifheit.

Kollege W. empfahl mir, mich zur Dehnung der Rücken- und Nackenmuskulatur in einen Türrahmen zu hängen. Kollegin S., zugegebenermaßen kleiner und leichter als W. und ich, praktiziert dies regelmäßig an einem (festgeschraubten!) Regal.

Mein Vater wiederum riet mir, solange es nur gehe, die Schnürsenkel meiner Schuhe täglich nicht im Sitzen, sondern vorgebeugt im Stehen zu schließen.

Gestern nun habe ich mir ein Paar Schuhe zum Hineinschlüpfen gekauft. Um das zu tun, stehe ich aber jeden Morgen kurz auf einem Bein. In neuen Schuhen marschiere ich fünf Stockwerke zur Haustür hinunter, drei im Verlagsgebäude wieder hinauf, ich trippel auf der Stelle und wenn niemand hinsieht, baumel ich gelegentlich im Türrahmen. Abends gehe ich die fünf Stockwerke wieder hoch. Manchmal mache ich eine kleine Pause auf halbem Weg, da können die Nachbarn kichern, ich bleibe Zen. Wer Yoga macht, der weiß: Auch im Leben gilt das Motto der Swinger – „Alles kann, nichts muss“. Ich muss gar nichts!

Es heißt, wenn man schwanger ist, verschieben sich Schwerpunkte im Leben. Ich kann das nur bestätigen. Niemals habe ich es vorher geschafft, anständig in Malasana, der tiefen Hocke, zu sitzen. Füße flach auf den Boden und den Po so weit senken, dass er knapp über dem Boden hängt, Ellenbogen an den Innenseiten der Knie, Hände vor der Brust zusammen. Nun, mit ein bisschen Bauch, hat das Gekippel ein Ende, ich hocke wie eine Eins. Den Text der erschlankten Kollegin habe ich mir ausgedruckt. Kann sein, ich werde ihn noch brauchen.

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