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Moritz Rinke sammelt Erinnerungen an die Gegenwart: 431,52 Euro im Jahr

Das mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten wird immer schlimmer. Diese Fahndungen, wer wo in welcher Wohnung wohnt!

Und dass jede Wohnung, ob Fernseher oder nicht, berechnet wird! Das ist Nötigung für Menschen, die deshalb ihren Fernseher abgegeben haben, weil sie schon das ganze öffentlich-rechtliche Programm als Nötigung empfanden! Talkshows, Talkshows! Talkshows! Wozu braucht man dafür eigentlich so viel Geld?

Neulich sollte ich für eine Talkshow der Öffentlichen-Rechtlichen zur Verfügung stehen. Ich sagte: „Gerne, wie hoch ist das Honorar?“

„Honorar? Es gibt eine kleine Aufwandsentschädigung, nicht der Rede wert. Seien Sie doch froh, dass Sie interviewt werden!“, erklärte die öffentlich-rechtliche Stimme am Telefon.

„Ja, aber wenn Sie mich interviewen, bin ich Ihr Programm und für das muss ich zu Hause zahlen, obwohl ich es gar nicht sehen kann,“ erklärte ich. „Erstens habe ich keinen Fernseher und zweitens bin ich in Ihrer Talkshow, dann müsste ich ja gleichzeitig das Programm sein und das Programm gucken!“

„Sie denken zu kompliziert für eine Talkshow“, sagte die öffentlich-rechtliche Stimme.

„Ich denke nicht kompliziert, ich habe zwei Wohnungen, aber keinen Fernseher, zahle trotzdem 24 x 17, 98 = 431,52 Euro im Jahr Gebühren, das will ich nun wiederhaben, wenn ich selbst das Programm bin!“

„Dann sind Sie eben nicht mehr das Programm, dann laden wir eben doch wieder Richard David Precht ein, der hat auch lange Haare! Auf Wiedersehen!“

Unglaublich! Erstens ist das Sexismus (Was hat das denn mit meinen Haaren zu tun?!), und zweitens gibt es eine Talkshow nach der anderen über Steuerhinterziehung, Abzocke, Finanzkrise usw., aber wenn die Öffentlich-Rechtlichen dann mal bei dir zu Hause anrufen, dann zeigt sich die wirkliche Fratze des Kapitalismus. „Nicht die Griechen und Zyprer verprassen unser Geld“, hätte ich der Stimme gern noch hinterhergerufen, „sondern ihr! Ihr seid so schizophren wie Uli Hoeneß!“

Vor ein paar Tagen, nach einem Bayernspiel, das ich in einer Kneipe sah, freute ich mich über all die Parkplätze vor meiner Wohnung und parkte ein. Allerdings überall rot-weiße Schilder: „Wegen der Dreharbeiten zur ZDF-Serie LETZTE SPUR BERLIN sind die eingerichteten Halteverbotszonen einzuhalten, da sonst unsere Produktionsfahrzeuge behindert werden. Mit freundlichen Grüßen, Ihr ZDF.“

Nicht zu fassen! Ich habe sofort „Letzte Spur Berlin“ gegoogelt, kenne ich natürlich nicht (wie auch?!), bezahle ich aber! Obendrein jetzt auch noch die Strafzettel fürs Parken auf Bürgersteigen. (Ging nicht anders!)

„Kriminalhauptkommissarin Mina Amiri ermittelt …“ Ach, mal wieder eine neue Krimiserie, dachte ich, gibt ja so wenige, Talkshows und Krimiserien brauchen wir möglichst viele, am besten nur noch Talkshows, Krimiserien und den Wetterbericht! Die Hauptrolle spielt Jasmin Tabatabai, mit der bin ich sogar befreundet, der habe ich Theaterrollen geschrieben.

Mittwoch sah ich sie vor meiner Haustür als Kriminalhauptkommissarin ermitteln, ich konnte quasi nicht mehr ordnungsgemäß in die Wohnung, weil alles abgesperrt war. Ich habe noch überlegt, ob ich mich bis zu Jasmin durchkämpfe, und dann hätte sie wahrscheinlich gefragt „Hey, was machst du denn hier?“, und ich hätte gesagt: „Du, ich wohne hier! Wenn du Lust hast, könnt ihr auch oben bei mir in der Wohnung ermitteln, wenn’s euch nicht stört, dass ich keinen Fernseher habe!“

Absurd ist das alles. Ich warte nur auf den Tag, an dem sich Richard David Precht und Jasmin Tabatabai im ZDF über lange Haare unterhalten. Dann passiert etwas!

An dieser Stelle wechseln sich ab: Elena Senft, Moritz Rinke, Esther Kogelboom und Jens Mühling.

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