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In den Krankenhäusern der Zentralafrikanischen Republik liegen besonders viele Kinder

© Christian Werner

Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik: Frieden auf den ersten Blick

Ein Land voll Gold und Diamanten – und doch eines der ärmsten der Welt. Warlords herrschen mit Kalaschnikows, Christen kämpfen gegen Muslime. Gibt es noch Hoffnung?

An einem sonnigen Mittag steht Ali Darassa Mahamat, muslimischer Warlord, auf seinem Anwesen in Bambari, einer Stadt in Zentralafrika, und wartet auf seinen großen Auftritt.

Fünf junge Männer in Armeeuniform lehnen an Bäumen, in den Händen halten sie Kalaschnikows. Zwei andere fahren auf Motorrädern über das Gelände.

Das Geräusch der Motoren dröhnt in den Ohren. Darassa nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette, streicht seine Uniform glatt, rückt den Gürtel zurecht.

Es ist ein besonderer Tag für ihn. Heute kann er seine guten Absichten demonstrieren. Heute kann er zeigen, dass er dem Land etwas bringt, was Politiker und internationale Militäreinheiten nicht schaffen: Frieden.

So entstand der Konflikt

Jahrzehntelang hatten Christen und Muslime relativ gewaltfrei zusammengelebt, hier, in der Zentralafrikanischen Republik, inmitten der Krisenstaaten Tschad, Sudan, Kongo und Kamerun. Dann stürzten mehrheitlich muslimische Séléka-Rebellen im März 2013 den Präsidenten, fielen in die Hauptstadt Bangui ein, brannten Dörfer nieder, vergewaltigten Frauen und Kinder.

Wütende Bürger bildeten eine Gegenmiliz, die christlich-animistische Anti-Balaka. In der Landessprache Sango heißen sie „gegen die Kugeln der AK-47“. Anfangs verteidigten sie sich nur gegen die Séléka. Später machten sie Jagd auf alle Muslime.

Die Séléka wurden aus der Hauptstadt Bangui vertrieben, ihre Koalition aufgelöst. Die Kämpfer flohen in den Nordosten des Landes. Seither kämpfen sie als Ex-Séléka weiter.

Die UN schickten französische und afrikanische Blauhelmsoldaten ins Land – die Friedensmission Minusca. Sie sollte das Töten stoppen und die verfeindeten Gruppen entwaffnen. Frieden importieren. Doch wie geht das eigentlich? Und wie weit darf man dafür gehen?

Warlords kontrollieren das Land

Noch bricht die Gewalt immer wieder aus. Mindestens 6000 Menschen wurden in den vergangenen Jahren getötet. Eine Million sind auf der Flucht, vor allem Muslime, rund eine halbe Million sucht in Nachbarländern Schutz. Die Hälfte der gut fünf Millionen Einwohner braucht nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR Essen, Medizin oder eine Zeltplane.

Oft kommt die Hilfe nicht dort an, wo sie gebraucht wird. Denn Warlords kontrollieren das Land. Warlords wie Ali Darassa.

Frieden lässt sich manchmal nur mit unfriedlichen Mitteln schaffen

Selbstbewusst: Warlord Ali Darassa will seinen Einfluss ausweiten. Vielleicht als Chef der Armee.
Selbstbewusst: Warlord Ali Darassa will seinen Einfluss ausweiten. Vielleicht als Chef der Armee.

© Christian Werner

Der selbsternannte General, 51 Jahre alt, gut zwei Meter groß, breites Kreuz, riesige gepflegte Hände, weiß genau, wie er sich in Szene setzt. Eigentlich meidet er Journalisten. Heute macht er eine Ausnahme. Er weiß: Das, was gleich auf seinem Hof passieren wird, ist gut für seinen Ruf als Heilsbringer. Und die UN wissen aus ähnlichen Konflikten: Frieden lässt sich manchmal nur mit unfriedlichen Methoden schaffen. Mit Unterstützung von lokalen Herrschern wie Darassa.

Der wartet nun auf die Polizisten von Minusca. Er will ihnen acht Männer übergeben, die er und seine Soldaten im nahegelegenen Dorf Goya festgenommen haben.

„Sie sind christliche Anti-Balaka-Krieger“, behauptet Darassa. „Sie haben eine muslimische Nomadenfamilie getötet.“

In einem Verschlag gefangen

Seit einer Woche hält Darassa die Männer deshalb auf seinem Grundstück gefangen, in einem Steinhaus mit Wellblechdach, in einem engen Raum, die Fenster vernagelt mit Holzlatten, durch die kein Tageslicht dringt. Zwei Soldaten aus Darassas Truppe nähern sich jetzt dem Haus. Als sie die Tür öffnen, dringt der Gestank von altem Schweiß und Urin nach draußen.

Die Männer im Inneren weichen erschrocken zurück, sie blinzeln ins Sonnenlicht wie ängstliche Tiere.

Da ist zum Beispiel Clément*, der mit seiner Frau und seinen Kindern nach Goya geflohen war, weil er gehört hatte, dass die muslimischen Ex-Séléka einen Anschlag auf sein Dorf planten. Mohammed*, ein Muslim, wurde von seiner Familie an die Ex-Séléka verraten, weil sie dachte, er habe sich den christlichen Anti-Balaka angeschlossen. Gerüchte bedeuten hier schnell den Tod.

Und da ist Philippe*, der berichtet, wie sein 16 Jahre alter Bruder beim Überfall auf Goya getötet wurde.

Gefesselt und mit Macheten gefoltert

Sie alle erzählen die gleiche Geschichte: Wie sie im Morgengrauen mit Frauen und Kindern nach Goya geflüchtet waren, in der Hoffnung, dass die muslimischen Ex-Séléka dieses Dorf verschonen würden. Wie die Kämpfer schließlich doch das Dorf umzingelten, wild um sich schossen.

Wie sie an jede Haustür klopften und nach Männern suchten, von denen sie dachten, sie seien Anti-Balaka. Sie ins Freie zerrten, ihnen Arme und Beine auf dem Rücken fesselten, sie mit Holzknüppeln und Macheten folterten. „Wir werden euch alle töten“, sagten sie. Zwei, erinnert sich Clément, starben sofort. Zwei andere konnten sich befreien und versuchten, wegzulaufen. Sie wurden erschossen. Einer von ihnen war Philippes Bruder.

Drei Tage später wurden Philippe und die sieben anderen Gefangenen nach Bambari gebracht, zu Darassa. Seitdem sitzen sie hier, in dem dunklen Raum, in dem es tagsüber brütend heiß wird, mit nur fünf Litern Wasser am Tag und ein wenig Reis.

Die Stunde des Warlords

Einer nach dem anderen tritt jetzt ins Freie. Sie sehen müde aus. Ihre Hosen sind schmutzig, auf ihren Armen und Oberkörpern sind blutige Schrammen zu sehen, einer humpelt.

„Schneller, schneller“, schreien Darassas Kämpfer. Sie scheuchen die Gefangenen voran, hinüber auf den Hof, zu Darassa und einigen UN-Polizisten.

Dort müssen sie sich nebeneinander auf den Boden setzen. Vor ihnen thront Darassa auf einem Holzstuhl, im Schatten eines Baumes, und lächelt selbstbewusst.

Neben ihm sitzen bequem vier UN-Polizisten. Einer hält eine Liste in der Hand, mit den Namen der Gefangenen.

„Wie Sie sehen, sind alle Gefangenen bei guter Gesundheit“, sagt Darassa zum obersten Offizier. „Wir übergeben sie jetzt an Sie, damit Sie entscheiden können, was mit ihnen passieren soll.“

„Im Namen der Vereinten Nationen bedanke ich mich bei Ihnen, mein General, für Ihr Engagement“, sagt der Offizier. „Diese Männer haben möglicherweise Muslime getötet, trotzdem haben Sie ihnen nichts getan. Das, was Sie tun, ist sehr wichtig, um den Frieden in diese Region zurückzubringen.“ Manchmal scheint ein dubioser Verhandlungspartner besser zu sein als keiner.

Es geht nicht um Religion, sondern darum, wer hier leben darf

Hoffend: Wenn Politiker und internationale Staatengemeinschaft versagen, hilft wenigstens Gott?
Hoffend: Wenn Politiker und internationale Staatengemeinschaft versagen, hilft wenigstens Gott?

© Christian Werner

Darassa grinst zufrieden. Ein Lastwagen fährt rückwärts auf den Hof. Er bringt die Gefangenen zum UN-Gelände. Dort, auf dem Polizeirevier, werden sie ihre Geschichte erzählen. Und auch, dass sie nichts mit den Anti-Balaka zu tun hätten, sondern einfache Farmer seien. Unschuldig.

Darassa steht von seinem Stuhl auf und betrachtet, wie ein Gefangener nach dem anderen auf die Ladefläche des Lastwagens klettert. Er scherzt mit den UN-Mitarbeitern, schüttelt Hände, die Polizisten salutieren zum Abschied, klopfen ihm auf die Schulter.

Machen Erinnerungsfotos, als träfen hier alte Bekannte aufeinander und nicht ein Warlord auf die Friedenswächter der internationalen Staatengemeinschaft.

Worum kämpfen sie hier?

Es ist nicht leicht, die Wahrheit zu finden in diesem von Krieg, Chaos und Armut gekennzeichneten Land. Wer danach fragt, was den Konflikt zwischen Christen und Muslimen verursacht hat, bekommt viele Antworten. Die einen sagen, die ehemalige Kolonialmacht Frankreich habe den Krieg nach Zentralafrika gebracht, um die Politik im Land zu beeinflussen und dessen Ressourcen auszubeuten.

Der zentralafrikanische Boden ist reich an Gold, Uran und Diamanten. Tatsächlich wacht Frankreich noch immer über die Währungsreserven seiner ehemaligen Kolonien, Aufträge aus dem Energie- und Bausektor werden bevorzugt an französische Unternehmen vergeben. Andere sagen, die Muslime seien schuld. Alle sagen, sie wollten keinen Krieg mehr.

In Wirklichkeit haben die Spannungen nichts mit Religion zu tun. Weder wollen Christen ihren Glauben gewaltsam verbreiten, noch haben hier Muslime zum Dschihad aufgerufen. Es sei vielmehr, sagt Lewis Mudge, Zentralafrikaexperte bei Human Rights Watch, ein traditioneller Konflikt um die Frage, wer in Zentralafrika leben darf.

Das zweitärmste Land der Welt

Die Zentralafrikanische Republik zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Im aktuellen Human Development Index steht sie an Stelle 187 von 188 Staaten. Viele ländliche Gebiete sind nur schwer zugänglich und unterentwickelt. Die Menschen sind arm, ungebildet und haben keine Perspektive. Das, sagt Mudge, führe zu Verzweiflung, Neid und Feindseligkeit.

Schon immer gab es hier Unterschiede zwischen Christen, die als sesshafte Bauern arbeiteten, und Muslimen, die als Viehhändler Geschäfte machten und es zu Wohlstand brachten. Jetzt, wo sie um ihr Leben fürchten, trauen sich die muslimischen Hirten mit ihren Tieren aber kaum noch auf die Straße. Viele sind in die Gegend rund um Bambari geflüchtet – in die Nähe von Warlord Darassa.

Ein Gespräch mit dem Warlord

Wer ist dieser Mann und wie kam er zu seinem Einfluss? In Sichtweite des Minusca-Hauptquartiers steht das ehemalige Gerichtsgebäude von Bambari. Heute dient es Darassa als Militärbasis.

Auf dem Vorplatz vertreiben sich gerade sechs Soldaten die Zeit beim Kartenspiel. Ihre Kalaschnikows liegen neben ihnen auf Strohmatten bereit.

Hier, auf einem weißen Plastikstuhl, empfängt Ali Darassa an einem anderen Tag seine Gäste. Zwei junge Kämpfer bewachen ihn, außerdem ein Assistent und sein Pressesprecher, der übersetzt.

Darassa spricht kein Französisch, nicht einmal Sango, die Nationalsprache. Auch deshalb kursieren so viele Gerüchte darüber, woher dieser Mann stammt.

Manche sagen, er komme aus dem Tschad. Andere sagen, er komme aus Nigeria oder Niger. Darassa sagt, er sei natürlich aus Zentralafrika.

Die Vision des Warlords

Versklavt: In der Goldmine Ndassima, etwa 60 Kilometer nördlich von Bambari, schuften christliche Arbeiter für Warlord Darassa.
Versklavt: In der Goldmine Ndassima, etwa 60 Kilometer nördlich von Bambari, schuften christliche Arbeiter für Warlord Darassa.

© Christian Werner

Er möchte gern über die politische Vision seiner „Union für den Frieden“ sprechen. Er hat sie 2014 in Bambari gegründet, nachdem die muslimischen Séléka aus der Hauptstadt Bangui vertrieben worden waren. „Die Union dient dem Schutz der Bevölkerung“, sagt Darassas Sprecher. „Wir kämpfen für die Sicherheit aller Menschen in Zentralafrika, nicht nur für Muslime.“

Es sind diese Sätze, die Darassa in der Öffentlichkeit wiederholt. Sie wirken.

Einst war Bambari, ein Ort mitten im Dschungel, ein dynamisches Wirtschaftszentrum, das von der günstigen Lage zwischen der Hauptstadt und den Straßen Richtung Norden des Landes profitierte. Heute ist es zu einem Symbol des Konflikts geworden.

Eine Brücke teilt die Stadt mit ihren gut 42 000 Einwohnern und den kleinen Kiosken, von denen der Putz bröckelt: Im Westen, auf der christlichen Seite, stehen Dutzende Lehmhäuser. Fast alle sind zerstört, nur noch die Wände aus roten Ziegeln ragen in den Himmel, die Wellblechdächer wurden geklaut. Dornen und Efeu wuchern. Auf dem Boden liegen Kinder-Flip-Flops, zerfetzte Hosen, rostende Fahrräder.

Nur selten trifft man hier jemanden auf der Straße, die meisten Christen leben in Flüchtlingscamps.

Der Frieden scheint zurückgekehrt

Im Osten, auf der muslimischen Seite, geht das Leben weiter. Kleine Restaurants und Geschäfte mit Namen wie „Rolex“ oder „Boutique FC Barcelona“ säumen die breite Schotterstraße. Schaumstoffmatratzen und bunte Gebetsteppiche liegen ausgebreitet vor den Läden. Männer verkaufen gegrilltes Ziegenfleisch und Kassawa, das traditionelle Hauptgericht der Zentralafrikaner, ein zäher Klumpen aus dem Mehl der Maniokwurzel, der beim Kauen zwischen den Zähnen knirscht.

Auf der Straße patrouillieren Darassas Soldaten. In Militäruniformen stehen sie schwer bewaffnet auf den Ladeflächen eines Pick-ups. Frauen und Kinder eilen herbei, balancieren Körbe mit Kuchen und Baguettes, französisches Erbe, auf den Köpfen. Die Soldaten grüßen, dann fahren sie weiter.

Der Frieden, er scheint zurückgekehrt zu sein mit Ali Darassa.

Die Strategie heißt Stabilität

Wie er das anstellt, kann Lewis Mudge von Human Rights Watch erklären. Er kennt Darassas Aktionen gut. Jeden Monat reist er für die Organisation in die Zentralafrikanische Republik.

„Ali Darassa verfolgt eine klare militärische Strategie: Stabilität“, sagt Mudge. „Darassa will Geld verdienen. Er kann nicht vom Handel profitieren, wenn die Leute Angst haben, auf die Straße zu gehen.“ Laut Mudge steuert Darassa den Kaffeehandel in der ganzen Provinz und auch die Goldmine Ndassima, etwa 60 Kilometer nördlich der Stadt. Er betreibt Straßenbarrieren und kassiert Schutzgelder von Kaffeehändlern, genauso wie von Viehhirten. „Seine Union ist einer der wichtigsten Akteure in der illegalen Wirtschaft.“ Darassas Strategie scheint aufzugehen.

Darassa gehört zum Nomadenvolk der Fulani

Wo hat er das gelernt? Auf dem Rindermarkt, drei Kilometer außerhalb von Bambari, stehen hunderte Mbororo-Rinder dicht gedrängt nebeneinander und dösen. Viehhirten laufen umher, sie tragen lange Kaftane und halten Holzstöcke in den Händen, mit denen sie die Tiere zusammentreiben.

Nachts bewachen Ex-Séléka-Kämpfer die Rinder, dafür kassieren sie Schutzgelder und Steuern pro verkauftem Tier.

Die meisten Viehhändler gehören zum Nomadenvolk der Fulani. Seit jeher zogen sie durch den Dschungel, das Fleisch ihrer Rinder ernährte auch die Christen. Heute sind sie nicht mehr sicher.

„Die christlichen Anti-Balaka greifen uns mit Äxten und Macheten an und stehlen unsere Rinder“, erzählt ein Hirte. Mit den Tieren rauben die Anti-Balaka den Fulani ihre Lebensgrundlage. Doch seit Darassa in Bambari ist, hoffen sie wieder.

Darassa ist einer von ihnen, er spricht Fulani. Vor Ausbruch des Konflikts war er stellvertretender Anführer einer bewaffneten Rebellengruppe aus dem Tschad. Die Rebellen verübten gewalttätige Überfälle vor allem im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik. Ihr Ziel: die Interessen der Fulani verteidigen. 2012 griff die Armee ein, die Rebellen flohen zurück in den Tschad. Ali Darassa schloss sich den Séléka an und ging nach Bambari.

Wie aus Worten Gewalt wird

Abhängig: Die Hälfte der Einwohner ist auf Hilfe angewiesen - hier stehen Frauen und Kinder für eine Mahlzeit der Vereinten Nationen an. Blauhelmsoldaten müssen selbst hier aufpassen, dass die Situation nicht eskaliert.
Abhängig: Die Hälfte der Einwohner ist auf Hilfe angewiesen - hier stehen Frauen und Kinder für eine Mahlzeit der Vereinten Nationen an. Blauhelmsoldaten müssen selbst hier aufpassen, dass die Situation nicht eskaliert.

© Christian Werner

Es gibt viele Gerüchte, warum es Darassa ausgerechnet nach Bambari verschlagen hat. Manche sagen, dass die Fulani ihn um Hilfe gebeten haben, weil sie sowohl von den Anti-Balaka als auch von den Ex-Séléka erpresst wurden. Darassa kam und half: Er stattet die Nomaden im Busch mit Waffen aus, bietet jungen Männern eine Perspektive.

Wer sich ihm und seiner Union anschließt, lernt, wie man mit einer Kalaschnikow umgeht. Und wird bezahlt. Rund 230 Euro. Jeden Monat. Das ist viel Geld in einem Land, in dem fast 70 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem US-Dollar am Tag leben müssen.

Eigentlich liege es in Darassas Interesse, die Ruhe in der Region zu bewahren, sagt Mudge, der Human-Rights-Watch-Experte. Aber die Feindseligkeit in den Köpfen der Menschen sitze tief. „Es reicht schon das Gerücht, dass jemand mit den Anti-Balaka sympathisiert – und schon ist alles vergessen.“

Dann brennen Ex-Séléka-Kämpfer wieder ganze Dörfer nieder.

Eine Kugel hatte das Kleinkind getroffen

Sie kamen im Morgengrauen. Männer, bewaffnet mit Holzknüppeln, Macheten, Kalaschnikows. Alles ging so schnell, erzählt Mado Yassigou. Yassigou, 30, Christin, hatte die Nacht vor dem Haus des Bürgermeisters verbracht, auf der bloßen Erde, gemeinsam mit ihrem Mann, ihren sechs Kindern und den anderen Dorfbewohnern. Hier sind wir sicher, dachte sie.

Doch dann, gegen fünf Uhr morgens, ertönten Schüsse und Schreie. Yassigou fing an zu rennen. Sie konnte nicht so schnell, wie sie wollte. Sie trug ihre zwei Jahre alte Tochter Jeanne auf dem Arm.

Die Männer mit den Kalaschnikows waren jetzt ganz nah. Yassigou hörte, wie die Kugeln durch die Luft zischten. Dann traf eine ihre Tochter. Yassigou stolperte, fiel, das Kleinkind schrie, Blut breitete sich auf Yassigous Kleid aus. Blut, sagt sie, so viel Blut.

Menschen rannten an ihr vorbei. „Steh auf“, riefen sie ihr zu, „Lauf!“ Die Männer kamen immer näher. Yassigou schaffte es bis ins nächste Dorf.

Die Ex-Séléka rächen sich an den Anti-Balaka

Eine Woche später sitzt sie im Zentralkrankenhaus von Bambari, die weit aufgerissenen Augen starren ins Nichts. Neben ihr, auf dem Bett, liegt die kleine Jeanne, sie schreit und windet sich vor Schmerz. Ein dicker Verband ist um ihren Po gewickelt, rötlich-gelbes Wundwasser sickert durch den Stoff. Zwei Krankenschwestern lösen vorsichtig den Verband. Wo einmal Jeannes rechte Pobacke war, ist nur noch eine klaffende Fleischwunde zu sehen.

Das ist alles die Schuld des Bürgermeisters, sagt Yassigou. Er habe einen Deal mit den Fulani gehabt. Sie sollten auf seine Ziegen und Kühe aufpassen. Er bezahlte sie dafür.

Eines Tages wollte er die Tiere zurück, doch die Fulani weigerten sich. Der Bürgermeister erzählte den christlichen Anti-Balaka davon. Die gingen in den Busch, töteten 16 Menschen der Nomadenfamilie. Dafür rächten sich die Ex-Séléka. Wieder einmal wurde aus Worten Gewalt.

Die Zukunft der Zentralafrikanischen Republik

Wer kann sie beenden? Die meisten Menschen in Bambari glauben nicht mehr daran, dass der Frieden bald zurückkehrt. Sie vertrauen den Politikern nicht.

Im Mai 2015 hatten die Milizen mit einer Übergangsregierung ein Friedensabkommen unterschrieben, das einen sofortigen Waffenstillstand und die Entwaffnung der verfeindeten Gruppen vorsah. Auch Darassa und seine Union stimmten zu, ihre Waffen abzugeben. Doch die Kämpfe gingen weiter.

Der neue Präsident Faustin Archange Touadéra, ein Christ, der im Februar dieses Jahres gewählt worden ist, hat außerhalb der Stadtgrenzen von Bangui wenig Einfluss.

Auch die Mission der UN scheint gescheitert. „Die Blauhelmsoldaten der Minusca haben es bis heute nicht geschafft, den Hauptbestandteil ihres Mandates in Bambari zu erfüllen: den Schutz der Zivilbevölkerung“, sagt der Experte Mudge.

Eine ihrer Aufgaben habe darin bestanden, eine waffenfreie Zone einzurichten, die sich vom Stadtzentrum über die Brücke bis zu zwölf Kilometer auf der Straße nach Bangui erstrecken sollte. Jeder, der sich mit einer Waffe in dieser Zone erwischen lässt, sollte verhaftet werden.

Das war die Theorie. „Doch dann fährt man nach Bambari“, sagt Mudge, „und sieht Darassas Soldaten schwer bewaffnet patrouillieren. Direkt gegenüber vom Gelände der Vereinten Nationen.“

Ali Darassa arbeitet bereits daran, seine Macht auszuweiten. Seit April, wenige Tage nach der Vereidigung des neuen Präsidenten, rüstet er seine Union auf. Er stellte auch einen möglicherweise folgenschweren Antrag bei der FACA, der Zentralafrikanischen Armee. Er will Chef der Armee werden.

*Namen von der Redaktion geändert

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