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Verfälschende Eingriffe bei RTL.

© picture alliance/dpa

14 weitere Manipulationen: RTL entdeckt weitere Verfehlungen seines Ex-Reporters

Der Manipulationsfall eines Reporters von RTL ist erheblich größer als zunächst bekannt war. Ein Überprüfungsteam des Senders deckt 14 weitere Fälschungen auf.

Der Manipulationsfall bei RTL ist erheblich größer als zunächst bekannt war. Wie der Kölner Privatsender am Mittwoch mitteilte, hat ein Überprüfungsteam festgestellt, dass der Reporter des Regionalsenders RTL Nord über die sieben bekannten Manipulationen im nationalen Programm von RTL hinaus in 14 weiteren Fällen Beiträge manipuliert hat. RTL hatte sämtliche 104 Reportagen, die der Reporter in den zurückliegenden zehn Jahren vornehmlich für das Mittagsjournal "Punkt 12" angefertigt hat, auf mögliche Manipulationen überprüft. Neben den ermittelten Fällen gibt es RTL zufolge weitere Verdachtsmomente, die noch nicht abschließend verifiziert werden konnten.

"Wir sind erschrocken, dass trotz unserer umfangreichen Kontrollmechanismen ein Mitarbeiter über Jahre hinweg vorsätzlich täuschen und manipulieren konnte. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem Qualitätsmanagement unserer Abnahmeverfahren deutlich ausgebaut und werden zusätzlich Beiträge von unseren Reportern stichprobenartig kontrollieren", kommentierte RTL-Chefredakteur Michael Wulf die neuen Erkenntnisse.

RTL hatte vor knapp sechs Wochen darüber informiert, dass der Reporter mehrere Beiträge im nationalen RTL-Programm manipuliert hatte. Der Sender trennte sich daraufhin unverzüglich von dem Mitarbeiter und leitete umgehend eine umfängliche Überprüfung aller Beiträge des Ex-Reporters ein. Zusätzlich wurden auch die Abnahmeverfahren für Beiträge noch einmal intensiv überprüft.

Zu falschen Aussagen überredet

Bei den nun nachgewiesenen Manipulationen sind RTL zufolge drei wiederkehrende Muster erkennbar: zum einen täuschte der Reporter bei Selbstversuchen mehrmals die angebliche Dauer seiner Experimente vor. Zum anderen hat er mehrfach Menschen dazu überredet, Dinge zu behaupten, die ihnen niemals widerfahren sind oder Geschichten nachzuerzählen, die ihm Protagonisten, die nicht gefilmt werden wollten, berichtet hatten. Dabei wurde zumeist verdeckt gedreht. Der Reporter gab gegenüber den Protagonisten vor, Szenen nur nachzustellen, band sie dann aber in seine Beiträge als „echte“, verfremdete Szenen ein. Darüber hinaus nutzte der Reporter häufig Archivbilder, um seine Thesen zu untermauern und seine Beiträge stärker zu machen. Doch anstatt dies kenntlich zu machen, suggerierte er mehrmals, dass er die Bilder frisch gedreht habe.

Der Deutsche Journalisten-Verband hatte von RTL die „schonungslose Aufklärung“ der Fälschungen durch einen ehemaligen Mitarbeiter des Senders gefordert. „Es ist nicht zu fassen, dass der Ex-Mitarbeiter offenbar völlig unbeeindruckt von der Affäre um den ehemaligen ,Spiegel‘-Reporter Claas Relotius seine Fernsehbeiträge so lange frisiert hat, bis sie reißerisch genug waren“, hatte der DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall gesagt. Nun kommt es darauf an, wie gut die neuen Überprüfungsverfahren funktionieren. Zu den neuen Prüfmechanismen gehörte unter anderem, dass ein Team von wechselnden Mitarbeitern künftig zusätzlich zu den sendungsverantwortlichen CvD's regelmäßig und stichprobenartig Beiträge überprüfen und dazu auch das Rohmaterial sichten wird.

Der Reporter hatte sich wiederholt hat für das Mittagsjournal "Punkt 12" Selbstversuchen unterzogen. In fünf Reportagen stellte er dabei Regeln auf, an die er sich dann jedoch nicht hielt. So dokumentierte er 2009 ein Obdachlosen-Experiment und gab in seiner Reportage darüber vor, eine Nacht auf der Straße geschlafen zu haben. Tatsächlich hat er zwischendurch zuhause geschlafen, wie ein Kameramann und eine weitere Zeugin  nun ausgesagt hat.

Aber auch in aktuellen Reportagen hat der ehemalige Mitarbeiter mit falschen Angaben operiert. Im Mai dieses Jahre ließ er in der Reportage „Scharf extrem“ die Zuschauer und die Redaktion glauben, einen Monat lang scharf gegessen zu haben. Der eigentliche Zeitraum war jedoch deutlich kürzer, wie Dreh- und Schnittpläne ergeben.  

Eine Praktikantin als angebliches Einbruchsopfer

Zudem berichtet RTL von nachweislich neun Fällen, in denen der Reporter auf Alibi-Protagonisten zurückgriff, die er ganz gezielt instruierte – Praktikanten, Kameraassistenten und Bekannte. So habe er zum Beispiel in einem Beitrag von 2013 über Einbrecher-Tricks eine Praktikantin eingesetzt, die sich als Einbruchsopfer ausgab und dazu vorgegebene Statements bekam.

In einem Beitrag von 2012 berichtete der Reporter darüber, dass man in Polen schnell und unkompliziert seinen Führerschein zurückbekommen kann. Eine  Frau spricht im Beitrag darüber, dass ihr in Deutschland der Führerschein wegen Alkohol am Steuer entzogen sei und dass sie jetzt in Polen ihren Führerschein erneuern wolle. Bei der jetzigen Überprüfung entlarvte eine Zeugin die Protagonistin als Bekannte des TV-Teams, die die Rolle gespielt habe.

Dass Reporter Berichte manipulieren betrifft indes nicht allein den privaten Rundfunk, sondern genauso den öffentlich-rechtlichen. Im Januar trennte sich der WDR von einer freien Mitarbeiterin der Doku-Reihe „Menschen hautnah“. In einem Beitrag mit dem Titel „Ehe aus Vernunft - Geht es wirklich ohne Liebe?“ hatte sie die echte Beziehungsgeschichte des Paares Sascha und Tanja in unzulässiger Weise zugespitzt. Zwar habe es sich um eine reale Beziehung gehandelt, die Gefühlslage sei aber verzerrt dargestellt worden. Der größte journalistische Fälschungsskandal der jüngsten Vergangenheit ist jedoch der Fall des ehemaligen "Spiegel"-Reporters Claas Relotius. Ende 2018 wurde bekannt, dass der für seine Reportagen mehrfach ausgezeichnete Journalist über lange Zeit systematisch mit übertriebenen oder falschen Angaben operiert, Personen erfunden oder Interviews gar nicht geführt hatte.

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