zum Hauptinhalt

16 statt 24 Folgen: Die Unvollendete

Am Dienstag startet die letzte Staffel „Two and a Half Men“ mit Charlie Sheen. Um den Akteur ist es nicht schade, um die Rolle schon.

Wichtige Fragen, die gleich in der ersten Folge der neuen Staffel geklärt werden: Hat Jake mit seinen 16 Jahren schon Sex? Hatte Alan seinen ersten Sex wirklich erst auf dem College? Hatte Charlie letzte Nacht Sex mit einer Prostituierten? Hatte Alan letzte Nacht Sex mit der Mutter von Jakes bestem Freund? Hatte Jake gar mit zwei Frauen gleichzeitig Sex? Wenn ja, wäre das gut oder schlecht? Was will Alans Freundin mit der Sprühsahne im Bett? Hat sich Charlie wirklich den Hoden im Reißverschluss eingeklemmt? Ab wie vielen Sexpartnern spricht man eigentlich von einer Orgie? Und schließlich: Warum hat Alan jetzt diesen verräterischen Fleck auf der Hose? Wohlgemerkt, wir sind hier erst bei Minute zwölf.

Ken Levine, US-Blogger und früher selbst Serienautor für „Frasier“ und die „Die Simpsons“, versuchte sich kürzlich an einer endgültigen, nicht eben wohlwollenden Definition von „Two and a Half Men“: Für Levine ist die weltweit erfolgreiche Sitcom schlicht ein „halbstündiges Trommelfeuer voller Peniswitze – mit gelegentlich eingeschobenen Masturbationswitzen zur Auflockerung“. Wie nahe das der Wahrheit kommt, beweisen weite Teile der achten Staffel, die Pro 7 ab Dienstagabend erstmals im deutschen Fernsehen zeigt. Sie ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich geraten: Erstens besteht sie nur aus 16 statt der üblicherweise 24 Folgen. Und zweitens enthält sie die letzten Auftritte von Charlie Sheen in der Rolle des trinkfreudigen Werbejingle-Komponisten Charlie Harper. Es sind Auftritte, die in Erinnerung bleiben werden.

Der Eklat, oder besser: die nicht enden wollende Aneinanderreihung von Eklats, die zum vorzeitigen Abbruch der Staffel und schließlich Sheens Rauswurf führten, wurden medial ausführlich begleitet. Wer die letzten sechs Monate ohne Zeitung verbrachte: Der Hauptdarsteller leistete sich Alkohol- und Crack-Orgien, randalierte im Hotel, so dass sich die bestellte Hure bis zum Eintreffen der Polizei im Schrank versteckte, schimpfte seinen eigenen Produzenten eine „verseuchte kleine Made“, der er „nichts als Schmerz“ wünsche. Als Plot einer „Two and a Half Men“-Folge hätte das Lacher garantiert, fürs wahre Leben was es zu viel. Trotz hoher Einschaltquoten – in den USA war die Sitcom vier Jahre hintereinander die meistgesehene überhaupt – wurde Sheens Rolle aus der Serie geschrieben. Weil das beim Dreh von Folge 16 aber noch nicht abzusehen war, endet diese Staffel ganz plötzlich und unfertig. Sie zeigt jedoch, wie bedauerlich Charlies Serien-Aus ist. Leid tut es dabei nicht um den Schauspieler, der hat Strafe verdient, sondern allein um die Rolle des Charlie Harper. Diese oberfaule, vergnügungssüchtige, mutterhassende Figur war noch lange nicht auserzählt, hatte auch nach 177 Folgen nicht an Reiz verloren. In der jetzt startenden Staffel wird sich Harper in seine Langzeit-Stalkerin Rose verlieben. Wird zwischendurch eine Beziehung zu einer älteren Frau wagen, für Charlie sonst undenkbar. Eine Zeitlang verliert er gar die Lust am Sex. Wer hätte das geahnt.

Ganz besonders ungerecht ist, dass durch das plötzliche Staffelende eine der vielversprechendsten Handlungsstränge seit langem beendet wird: Bruder Alan entwickelt im Laufe der Folgen ein böses Alter Ego und nimmt rücksichtslose, betrügerische Züge an. Ein Gollum im Strandhaus von Malibu. Er lernt sogar, wie man Frauen rumkriegt.

In den USA wurde die achte Staffel bereits gezeigt. Dort soll Mitte September die nächste starten. Die erste Charlielose. Weil in der Originalfassung die Lacher nicht vom Band, sondern von Live-Publikum im Aufnahmestudio kommen und einige Zuschauer nach dem Dreh plauderten, weiß man schon recht genau, wie die Serie weitergeht. Charlie Harper wird nach einem Seitensprung von der Betrogenen aufs U-Bahn-Gleis geworfen und buchstäblich zerfetzt. Klingt brutal, gilt in der Branche aber als kluger Schachzug, mit dem Produzent Chuck Lorre ein für allemal verhindert, dass Charlie Sheen jemals – etwa bei einbrechenden Quoten – zurück ins Team geholt werden kann. Tot ist tot.

Der Mord wird in der Serie nicht zu sehen sein, Sheen stand für die Dreharbeiten logischerweise nicht zur Verfügung. Der Geschasste hat aber schon angekündigt, bei der Erstausstrahlung vorm Fernseher zu sitzen und seinen eigenen Serientod zu feiern. Plus den ersten Auftritt seines Nachfolgers. Hollywood-Schönling Ashton Kutcher schlüpft in die Rolle eines jungen Internet-Milliardärs, der nach zerbrochener Ehe so sehr leidet, dass er sich das Leben nehmen möchte. Kutcher ließ sich für die Serie schulterlanges Haar mit Schnurrbart wachsen, bescheinigt sich selbst jetzt einen „Jesus-Look“. Er soll einen ganz anderen Typus Mann verkörpern als bisher Sheen. Der Macho scheint Geschichte. Kann sein, dass die Zuschauer das nicht goutieren. Dies war doch gerade das Reizvolle an Charlie Harper: jemanden zu haben, der stellvertretend für einen die Sau rauslässt.

Vielleicht wird der trinkende Chauvi zumindest im deutschen Fernsehen wieder auferstehen. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut irritierte neulich mit der Bemerkung, eine Serie wie „Two and a Half Men“ müsse doch auch hierzulande möglich sein. Und dass es dafür bereits konkrete Pläne gebe. Man kann sich den verzweifelten Cast schon bildhaft vorstellen: Ralf Schmitz spielt Loser Alan, der kleine Dicke aus der Deutschländer-Werbung gibt seinen Sohn, Cordula Stratmann wird Charlies überforderte Therapeutin. Charlie selbst muss natürlich Mario heißen. Hinterher heißt es dann wieder, man habe es wenigstens versucht.

Wie Staffel acht des Originals genau endet, soll hier nicht verraten werden. Bloß so viel: Charlie Harpers allerletzte Sekunden in der Serie werden verstören. Er wird dumm gucken, sich wundern und dann laut „Ich habe es“ durchs Haus rufen. Und nein, es ist ausnahmsweise nichts Sexuelles.

„Two and a Half Men“, Pro 7, ab 30. August immer dienstags um 21 Uhr 15 und 21 Uhr 45.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false